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Die deutsche Nationalhymne – Missbraucht, verpönt, geliebt

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Almut Ochsmann
Almut Ochsmann (Foto: SWR, Almut Ochsmann / privat)

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Das "Lied der Deutschen" hat eine wechselvolle Geschichte: Komponiert 1797 in Österreich, gedichtet 1841 auf Helgoland, wurde es am 11. August 1922 zur Nationalhymne erklärt.

Missverständnisse ausschließen: Friedrich Ebert legt Fokus auf dritte Strophe

Im November 1914 , vier Monate nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs, hatte die Oberste Heeresleitung den Mythos verbreitet, deutsche Soldaten hätten an der Front bei Langemarck unter dem Gesang "Deutschland, Deutschland über alles" die erste Linie der feindlichen Stellung genommen.

Reichspräsident Friedrich Ebert sorgte sich, dass der Liedtext im Ausland falsch verstanden werden könnte. Deswegen legte er bewusst den Fokus auf die dritte Strophe.

Notenblatt auf Deutschlandflagge: Einigkeit und Recht und Freiheit: Die deutsche Nationalhymne wird 2022 100 Jahre alt. Melodie und Text sind aber älter. (Foto: IMAGO, IMAGO / YAY Images | IMAGO / Schöning)
Einigkeit und Recht und Freiheit: Die deutsche Nationalhymne wird 2022 100 Jahre alt. Melodie und Text sind aber älter.

Nazis hatten den Text missbraucht

Der Text der ersten und zweiten Strophe ist bis heute verpönt, denn die Nationalsozialisten hatten ihn als Ausdruck deutscher Überlegenheit missbraucht.

Doch selbst die dritte Strophe haben die meisten Deutschen lange nur ungern und selten gesungen.

Das änderte sich erst 2006 mit der Fußball-WM. Ob im Stadion oder auf dem Parteitag: Wer die Hymne heute singt, bekennt sich stolz zur deutschen Demokratie.

SWR 2022 / 2023

Archivradio

22.12.1920 / 21.3.1952 "Ur-Sendung" des deutschen Rundfunks: Das Weihnachtskonzert von 1920

22.12.1920 / 21.3.1952 | Ein wichtiges Datum der frühen Rundfunkgeschichte ist der 22. Dezember 1920. Erstmals wird ein Rundfunkkonzert gesendet, von der Station Königs Wusterhausen südöstlich von Berlin. Initiator war der Techniker Erich Schwarzkopf, der bei diesem Konzert auch Geige spielt und das Programm ansagt.
Diese Ansage ist eine Nachaufnahme, die Erich Schwarzkopf später noch einmal eingesprochen hat. Es war auch noch kein regulärer, offizieller Rundfunkbetrieb; der begann erst im Oktober 1923. Aber es war schon eine Radiosendung.
In Königs Wusterhausen entstand noch vor dem Ersten Weltkrieg eine Militärfunkstation der Obersten Heeresleitung (OHL). Der Bau begann 1913, in Betrieb ging sie 1915.
Nach dem Krieg 1919 machen die Alliierten die Station zum Eigentum der Reichspost unter Ministerialdirektor Hans Bredow. Die Station wird vor allem dazu genutzt, Pressemeldungen zu telegrafieren, an Schiffe und ins Ausland. Gefunkt wurden also Morsezeichen, die in den rund 80 Empfangsstationen erstmal wieder in Texte umgewandelt werden mussten. Hans Bredow gab den Auftrag, das zu ändern. Aus der Funktelegrafie soll Funktelefonie werden – Sprache soll also direkt übertragen werden.
In der Station gab es einen Lichtbogensender, mit dem die Beamten in Königs Wusterhausen 1920 herumexperimentierten. Und hier setzt auch das Interview an, das Erich Schwarzkopf am 21. März 1952 gibt und in dem er erzählt, wie es zum ersten Rundfunkkonzert kam.
Im deutschen Reich war es nicht erlaubt, ohne Genehmigung Rundfunk zu empfangen. Begeisterte Resonanz kam deshalb vor allem aus dem Ausland.
Auch nach dem offiziellen Start des Rundfunks 1923 sendet Erich Schwarzkopf weiter Konzerte von Königs Wusterhausen. Doch kam es – so stellte er es später dar – zunehmend zu Unstimmigkeiten mit dem Postministerium. Die Folge: Am 24. Januar 1926 wurde das letzte derartige Konzert gesendet – mit folgender Absage:
"... Zum Schluss darf auch ich mich als Sprecher von Königs Wusterhausen verabschieden. Lange Zeit durfte ich von dieser Stelle aus zu Ihnen sprechen, sechs Jahre sind es gewesen. Zunächst nur hin und wieder an den großen Festtagen, die letzten drei Jahre an jedem Sonn- und Feiertag. Am vergangenen Sonntag hab ich Ihnen das letzte "Auf wiedersehen!" zurufen dürfen. Bewahren Sie auch fernerhin der Welle 1300 m die Treue. Ich grüße Sie zum letzten Mal mit treudeutschem Gruß: Deutschland über alles".
Der "treudeutsche Gruß" am Ende der Absage war damals eine durchaus gängige Formel. Und "Deutschland über alles" – die Zeile aus der ersten Strophe des Deutschlandliedes – war in der Weimarer Republik noch Bestandteil der Nationalhymne. | Rundfunkgeschichte

Hymnen und Flaggen

5.11.1949 Auferstanden aus Ruinen" wird DDR-Nationalhymne

„…laß uns dir zum Guten dienen, Deutschland, einig Vaterland.“ Einig Vaterland? Ab den 70er Jahren wurde die Hymne in der DDR nur noch instrumental aufgeführt.

SWR2 Zeitwort SWR2

14.7.1795 Die Marseillaise wird französische Nationalhymne

„Allons enfants de la Patrie… »: Der aufrührerische Marsch ist eine der ältesten Nationalhymnen. Hymnen als Hoheitssymbol gibt es erst seit dem 19. Jahrhundert.

SWR2 Zeitwort SWR2

Musik Welches Land hat die längste Nationalhymne?

Die Hymne der Griechen ist die längste der Welt. 158 Strophen hat sie, gesungen werden normalerweise aber nur die ersten beiden. Die "Hymne an die Freiheit" erklingt auch bei den Olympischen Spielen und erinnert an deren Ursprungsort Olympia. Von Julia Könemann

Geschichte Wie entstand die deutsche Nationalflagge?

Die Kombination Schwarz-Rot-Gold entstand vor gut 200 Jahren. Doch wofür stehen die Farben? Von Gábor Paál. Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0. Hinweis: Der Beitrag enthält am Ende einen kleinen Fehler: Die DDR-Flagge enthielt nicht "Hammer und Sichel", sondern "Hammer und Zirkel".