In den Schatten des Mondes

NASA fliegt der Sonnenfinsternis hinterher

Stand
AUTOR/IN
Guido Meyer
ONLINEFASSUNG
Meta Wolfsperger
Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Wissen. (Foto: SWR, Christian Koch)

Am 21. August 2017 wird es gegen Mittag amerikanischer Zeit für ein paar Minuten ziemlich finster werden am Himmel. In einem Streifen zwischen den amerikanischen Bundesstaaten Oregon und South Carolina wird eine totale Sonnenfinsternis zu beobachten sein. Diese Dunkelheit wollen Astronomen nutzen. Mit Teleskopen bestückte Flugzeuge sollen der Sonnenfinsternis hinterher fliegen und aus der Luft die Sonne beobachten.

Ellington Field nennt sich ein kleiner Flughafen in Texas. Hier stehen zwei uralte Flugzeuge aus dem Kalten Krieg. Die Canberra-Bomber WB-57 haben schon bessere Zeiten gesehen: In den fünfziger und sechziger Jahren waren sie das Vorzeigestück der amerikanischen Luftwaffe. Sie sind längst umgebaut zu Forschungsflugzeugen, kommen aber nur noch selten zum Einsatz.

Zwei Teleskope auf dem Tandem-Flug

"Die beiden Flugzeuge werden von Ellington Field aus nach Norden starten, in Richtung Missouri. Ungefähr über St. Louis werden sie in den Schatten des Mondes hinein fliegen. Dann kann mit den Beobachtungen begonnen werden. Dazu wird je ein Teleskop auf den WB-57-Bombern mitfliegen," erklärt Amir Caspi, Solarphysiker am Southwest Research Institute in Boulder, Colorado. Er ist der Chefwissenschaftler dieses Projekts: Die Teleskope vorne, in der Nasenspitze der beiden Flugzeuge, sollen während der Sonnenfinsternis die Sonne beobachten - oder genauer: den Kranz aus Licht, der von ihr noch übrig ist, wenn sich der Mond vor die Sonnenscheibe schiebt.

Sonnenfinsternis (Foto: picture-alliance / dpa, picture-alliance / dpa - picture-alliance / dpa)

Der Mondschatten bewegt sich mit mehr als 2000 Kilometern pro Stunde über die Erde. Die Flugzeuge sind aber nur rund 700 Stundenkilometer schnell. Der Schatten des Mondes wird sich den beiden Fliegern von hinten nähern und über sie hinweg gleiten.

Dass die US-Raumfahrtbehörde NASA zwei Flugzeuge für dieses Manöver einsetzt, ist der Trick bei der Sache. Eine Maschine nämlich fliege in etwa 100 Kilometer Abstand vor der anderen her, ergänzt Daniel Seaton von der amerikanischen Ozean- und Atmosphärenbehörde NOAA: "Wir nutzen die Flugzeuge als ein Tandem. Wenn die Sonnenfinsternis für das eine Flugzeug endet, beginnt sie für das weiter vorne fliegende. So erreichen wir insgesamt eine Verfinsterung von sieben oder acht Minuten."

Bessere Beobachtung als aus dem All

Auf dem Boden dauert die Phase der totalen Dunkelheit nämlich nur etwa 2,5 Minuten. Die so gewonnene Zeit sollen die Teleskope vor allem dazu nutzen, die Atmosphäre der Sonne, die Korona, zu untersuchen. Die nämlich ist mit mehreren Millionen Grad wesentlich heißer als die Sonnenoberfläche mit "nur" rund sechs-tausend Grad.

Welche Hitzewellen oder Explosionen auf der Sonne solche Temperaturen entstehen lassen, ist von den Solarphysikern immer noch nicht so recht verstanden. Aus dem Flugzeug lässt sich das sogar besser untersuchen als im Weltraum, in unmittelbarer Sonnennähe.

Sonnenfinsternis (Foto: SWR, NASA - NASA)

Daniel Seaton erklärt: "Unser Sonnenbeobachtungssatellit im All schießt nur alle paar Sekunden ein Foto. Um aber die Bewegung in der Sonnenatmosphäre abbilden zu können, werden unsere Teleskope in den Flugzeugen 30 Bilder pro Sekunde aufnehmen." Doch die Teleskope werden ihren Blick nicht nur auf die Sonne lenken. Denn ist die Sonne dunkel, werden andere Himmelsobjekte in ihrer Nähe sichtbar.

Auch den sonnennächsten Planeten Merkur sollen die Teleskope ins Visier nehmen. Normalerweise wird der ständig vom Licht der Sonne überstrahlt. Und zwischen Merkur und der Sonne vermuten Astronomen einen weiteren Asteroidengürtel. Er soll aus sogenannten Vulkanoiden bestehen, Brocken aus Gestein also, die von der Sonne bis fast auf Schmelztemperatur erhitzt werden. Ob sie wirklich existieren, weiß niemand. Die Sonnenfinsternis könnte dabei helfen, sie nachzuweisen. 

Eine besondere Gelegenheit

Am 21. August also sollen die beiden altgedienten bis in eine Höhe von 15 Kilometern steigen, in die Stratosphäre. Dort trüben nur noch wenige Luftmoleküle den Blick ins All. Und dort ist der Himmel auch ohne Sonnenfinsternis 20 bis 30 mal dunkler als auf dem Boden. Beste Voraussetzungen also, um binnen sieben Minuten einen Blick auf gleich mehrere Rätsel des inneren Sonnensystems zu werfen – eine Gelegenheit, wie sie nur alle paar Jahrzehnte einmal vorkommt.

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Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Wissen. (Foto: SWR, Christian Koch)