Windmühlen in der Mancha und Silhouette von Don Quijote und Sancho Panza (Foto: Colourbox, Foto: Colourbox.de -)

Don Quijote

Uta-Maria Heim: Im Spielen liegt der Sinn

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Uta-Maria Heim

„Gegen Windmühlen kämpfen“ – diese Metapher ist in vielen Sprachen daheim. Wer „gegen Windmühlen kämpft“, führt eine aussichtslose Auseinandersetzung gegen einen vermeintlichen Gegner. Oder aber, er kämpft vergeblich gegen Zustände an, die sich nicht ändern lassen.

Dieses Bild, das wie ein Schwarzweißfilm ins kollektive Bewusstsein eingezogen ist, stammt vom spanischen Nationaldichter Miguel de Cervantes Saavedra. Es ist die bekannteste Episode aus dem zweiteiligen Roman „Don Quijote von der Mancha“, in der Don Quijote einen scheinbar tapferen, dabei aber sinnlosen Kampf gegen Windmühlen führt.

Weil er sie für gefährliche, vielarmige Riesen hält, hört er nicht auf seinen bodenständig-gewitzten Begleiter Sancho Panza und greift sie an.

Doch dabei täuscht er sich gleich doppelt: Nicht die eigene Fehleinschätzung, sondern eine fremde Macht ist schuld am Scheitern. Wer „gegen Windmühlen kämpft“, unterliegt mittels einer verqueren Egozentrik gleich zweimal dem Irrtum.

Die Hörspiel-Dramaturgin und Autorin Uta-Maria Heim 2019 (Foto: SWR, SWR -)
Die Hörspiel-Dramaturgin Uta-Maria Heim

Don Quijote - ein Opfer seines naiven Medienkonsums

Don Quijote könnte man als Pionier des postmodernen Helden bezeichnen. Durch exzessives Lesen von trivialen Ritterromanen verfällt er dem Wahn, er sei selbst ein fahrender Ritter. Somit besorgt er sich den Schindgaul Rocinante, engagiert den Bauern Sancho Panza als seinen Knappen, erträumt sich die Angebetete Dulcinea und reitet aus, um mutige und tugendhafte Abenteuer zu bestehen.

Aus einer reizarmen und ereignislosen Wirklichkeit erschafft er einen komplexen Kosmos an Konflikten. Schön und befreiend daran ist, dass er dabei nicht vereinsamt und verelendet: Die anderen spielen das Theater um Gerechtigkeit mit, setzen der Einbildung aber Grenzen und lassen sich nicht manipulieren.

Cervantes erfindet mit seinem epochalen Werk, das 1605 und 1615 erschienen ist, ein virtuoses Spiel mit der literarischen Tradition. Er überführt die archaische Fantasy-Welt des spanischen Ritterromans in ein differenziertes psychologisches Panorama. Riesen, Zauberer und Dämonen, Hammelherden und Heldenheere werden nach innen gekehrt zu Trugbildern und Träumen.

Aus diesem Verfahren entsteht ein brandaktueller Charakter: Demnach wäre Don Quijote ein quasi heutiger Histrioniker, ein geltungssüchtiger, kreativer Geist mit einer diagnostizierbaren Persönlichkeitsstörung. Sein extravertiertes Verhalten eignet sich vortrefflich für eine Dramatisierung, weil es diese bereits vorführt: Erlebnisse, Emotionen und soziale Beziehungen werden inszeniert und überhöht.

Sympathisch daran ist, dass Don Quijote das zumindest teilweise durchschaut. Man kann ihm deshalb eben auch die überaus gesunde und funktionsfähige Psyche eines Kindes zuschreiben. Das Kind, das sich im Spiel sucht, entdeckt, ausprobiert, verliert und findet. Einerseits weiß das Kind, dass es spielt; andererseits trachtet es danach, dieses Wissen abzustreifen und zu vergessen, um sich vollends dem Spieltrieb hinzugeben.

Im Entfesseln der Fantasie selbst liegt der Sinn. Der Zauber, der zutage tritt, wenn die Wirklichkeit verleugnet werden muss, ist zugleich ein bewusst eingesetztes Mittel der Autonomie. Allmacht und Ohnmacht liegen nah beieinander, und daraus erwächst die Melancholie des „Ritters der traurigen Gestalt“.

Don Quijotes Traumwelt ist eine Spiel-Welt

Wir haben uns entschieden, Don Quijotes poetisches Paralleluniversum nicht als vordergründig pathologisch zu betrachten. Und ein
dreiteiliges Hörspiel daraus gemacht, dessen Held uns zum Hören und Spielen verführt. Kinder und alle Menschen, die das Kind in sich spüren, mögen ihre Freude daran haben. Die bahnbrechende Übersetzung von Susanne Lange bildet die Grundlage einer wagemutigen Produktion voller Wortwitz, Klang und Musik.

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Uta-Maria Heim