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Ein bisschen Klangmassage: Probenbesuch beim Landes-Jugend-Blockflötenorchester Baden-Württemberg

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Helga Spannhake
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Dominic Konrad

2007 wurde das Landes-Jugend-Blockflötenorchester Baden-Württemberg gegründet. Seitdem gibt es zweimal im Jahr eine Probenphase mit abschließenden Konzerten. Im April waren 50 Kinder und Jugendliche mit ihren Blockflöten in der Jugendherberge Heilbronn zu Gast. Ein Probenbesuch

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Richtig Blockflöte spielen jenseits der Kinderinstrumenten-Klischees

In der Heilbronner Jugendherberge herrscht reges Blockflötentreiben. Die 12-jährige Hanna ist auch bereits zum zweiten Mal dabei und einfach nur begeistert. „Es klang einfach sehr toll“, sagt Hanna, „vor allem, weil ich echt nicht viele kenne, die so richtig Blockflöte spielen, sondern nur so Grundschul-Blockflöte. Und das ist einfach sehr beeindruckend, so viele verschiedene Blockflöten auf einmal zu hören.“

Sie sind zwischen 10 und 27 Jahre alt und verteilen sich auf zwei Besetzungen: das Junior- und das große Orchester. Gegründet wurde das Landes-Jugend-Blockflötenorchester Baden-Württemberg 2007. Die Initiatorin Sally Turner wollte jungen Musikerinnen und Musikern nach dem Vorbild anderer Landesjugendensembles die Chance bieten, sich gemeinsam zu ungeahnten Klängen vorzuarbeiten.

„Ich find der Klang ist einfach wunderschön. Das ist auch so ein bisschen wie eine Klangmassage.“

Eindrucksvoll gegen das hartnäckigste Vorurteil ankämpfen

Für Kirsten Christmann vom Leitungsteam ist das Spielen in einem großen Klangkörper ein sehr wichtiger Aspekt: „Da gibt es natürlich für Blockflöte nicht so viele Möglichkeiten und deshalb dachten wir, es wäre wichtig so ein Orchester aufzubauen, weil es sehr viele sehr gute, virtuose Blockflötenspieler gibt.“

Und diese widerlegen immer wieder eindrucksvoll das hartnäckige Vorurteil, mit dem die Blockflöte zu kämpfen hat: dass sie nur ein einfaches Kinderinstrument sei.

Das Landes-Jugend-Blockflötenorchester Baden-Württemberg stellt sich vor:

Die 23-jährige Silke hat bereits in einem Ensemble mitgewirkt, aber so viele Blockflöten-Stimmen faszinieren sie: „So ein harmonischer, aber gleichzeitig irgendwie auch vieldimensionaler Klang. Das war etwas, wo ich dann einfach auch nicht nur zuhören wollte, sondern auch wirklich dabei sein wollte.“

Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer wollen beim Landes-Jugend-Blockflötenorchester Baden-Württemberg dabei sein, dessen Name übrigens nicht zufällig gewählt ist. Er sei zustande gekommen, weil das Orchester durch den Landesmusikrat gefördert wurde, erklärt Organisationsleiterin Johanna Sinn. Die institutionelle Anbindung gebe finanzielle Sicherheit und eine organisatorische Unterstützung.

Das Spielniveau im Blockflötenorchester ist sehr hoch

Begonnen haben sie alle einmal mit der Sopran-Blockflöte. „Man fängt eigentlich immer mit Sopran an“, erklärt die 21-jährige Bella, „dann Alt, Tenor, Bass und danach Groß-Bass, sofern man die Möglichkeit kriegt.“

Das ist eine einzigartige Chance, die das Landes-Jugend-Blockflötenorchester Baden-Württemberg den jungen Instrumentalisten bietet. Solch ein teures Instrument wie einen Groß- oder Sub-Bass kann sich nicht jeder leisten. Hier kann man unverbindlich ausprobieren.

Manch einer im Orchester hält aber nach wie vor der Sopran-Blockflöte die Treue, wie der 11-jährige Laurin:  „Ich mag es halt gern, wenn man die Melodie spielen kann.“

Werke von Alter Musik bis zu modernen Spieltechniken

„Wir stimmen unsere Instrumente im Normalfall nicht. Man übt das auch extrem zu hören“, sagt der 21-jährige Cade. Er ist seit 2012 dabei und für ihn ist der Kernpunkt die Intonation: „Wo bin ich? Wo sind die anderen um mich herum? Wie muss ich meinen Ton verändern, dass ich reinpasse in das große Ganze? Das ist einfach auf der Blockflöte extrem, also eigen-initiativ.“

Zum Repertoire des Blockflötenorchesters gehören Werke aller Epochen. Alte Musik ebenso wie die Neue Musik mit ihren andersartigen Spieltechniken. Eine Teilnehmerin erzählt von einem Stück, bei dem sie sehr stark mit der Zunge anschlagen muss, um eine Art Kratzgeräusch zu erzeugen: „Das macht die Blockflöte für mich auch so interessant, dass es nicht immer die Klassik ist.“ 

Corona-Projekt des Landes-Jugend-Blockflötenorchesters: „Riffs“ von Andrew Challinger

Ein soziales Gefüge in Zeiten nach Corona

„Es ist auch ganz schön zu sehen, wie dann so Freundschaften wachsen“, sagt die Dirigentin Kirsten Christmann. Gerade, dass die jungen Menschen durch das Instrument nach den Corona-Jahren wieder ein soziales Gefüge gefunden haben, finde sie besonders wertvoll. 

Aus ganz Baden-Württemberg kommen die Blockflötenspielerinnen und -spieler,. Im Laufe der Jahre sind daraus überregionale Freundschaften gewachsen. Sie eint die Liebe zu den Blockflötenklängen.

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