Der passionierte Quartettspieler Wolfgang Amadeus Mozart macht sich ab 1782 dran, seinem großen Vorbild Joseph Haydn mit eigenen Streichquartetten eine Antwort zu komponieren. Diese „hart erarbeiteten Früchte“, wie er die Quartette nennt, sind denn auch keine bloße Nachahmung des Haydn'schen Musters, sondern nichts Geringeres als die Definition eines eigenen, ganz individuellen Quartettstils.
Streichquartett-Verwandschaften
Während Wolfgang Amadeus Mozart in seinen früheren Streichquartetten noch dem Divertimento nach süddeutsch-österreichischem oder italienischem Vorbild nahestand, änderte sich das spätestens mit dem eigenen Quartettzyklus, den er zu Weihnachten 1782 begann und drei Jahre später vollendete.
Angeregt durch Joseph Haydns sechs Streichquartette Opus 33, die kurz zuvor im Druck erschienen waren, legte er ebenfalls sechs Quartette vor, die er mit einer berühmten Widmungsvorrede an sein großes Vorbild Haydn versah und als „frutto di una lunga, e laboriosa fattica“ bezeichnet.
Diese „hart erarbeiteten Früchte“ sind denn auch keine bloße Nachahmung des Haydn'schen Musters, sondern nichts Geringeres als die Definition eines eigenen, ganz individuellen Quartettstils. Dessen Größe und musikalische Kühnheiten vor allem in der Harmonik haben jedoch den zeitgenössischen Hörern ebenso große Schwierigkeiten bereitet wie dann erst wieder die späten Beethoven-Quartette.
Mozart, ein leidenschaftlicher Quartettspieler
Social-Media-Beitrag auf Spotify: "SWR2 Impul"Mozart war selbst ein begeisterter Quartettspieler, an der Geige wie an der Bratsche. Uns so verwundert es nicht, dass er die Haydn gewidmeten Quartette selbstbewusst in einer für den Komponisten arrangierten Privataufführung vorstellte: Vater Leopold Mozart spielte die erste, sein Sohn die zweite Geige, Viola und Cello lagen in den Händen der Freiherren Anton und Bartholomäus Tinti.
Die Werke beeindruckten Haydn damals so sehr, dass er Vater Mozart sein berühmtes Kompliment über den Sohn machte: „Ich sage ihnen vor gott, als ein ehrlicher Mann, ihr Sohn ist der größte Componist, den ich von Person und den Nahmen nach kenne: er hat geschmack, und über das die größte Compositionswissenschaft.“
Geradezu unnachahmlich hat Haydn mit den beiden Begriffen Geschmack und Kompositionswissenschaft das Wesen dieser Quartette auf einen Nenner gebracht. Ausführliche erhaltene Skizzen zu den Quartetten und der für Mozart ungewöhnlich langwierige Entstehungsprozess lassen ahnen, wie viel mühsame Detailarbeit in jedem dieser Werke steckte. Die Fabel vom Götterliebling Mozart, dem alles nur so zufliegt, ist damit eindeutig widerlegt.
Dunkle Klangqualitäten im d-Moll-Quartett
Das Quartett KV 421 d-Moll verdankt seine Individualität nicht nur der Tonalität. Es ist zwar das einzige der Serie in einer Moll-Tonart, bietet aber auch ganz bewusst eingesetzte Klang- und Farbqualitäten. Dominierend wirkt im ersten Satz z. B. die dunkle, tiefe Instrumentenlage, zu denen die hohe Lage der ersten Violine in ausgreifenden Intervallsprüngen deklamierend und kontrastierend eingesetzt wird.
Im Gegensatz dazu steht das ruhig-schlichte F-Dur-Andante im Sechsachtel-Takt, das zwischen zögerlichem Aufblühen, stark Pausen-durchsetzter kleingliedriger Thematik und sangbaren Passagen pendelt.
Das Menuett zeigt deklamierende Figuren über dem barockisierenden Lamentobass, wobei das Trio dann mit einem fast idyllischen Serenadenton überrascht.
Im Finale, einem Variationensatz im Siciliano-Rhythmus finden sich bewusst Zitate aus Haydn'schen Streichquartetten des Opus 33.
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