Album-Tipp

„Die schöne Müllerin“ mit Konstantin Krimmel und Daniel Heide

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AUTOR/IN
Christine Lemke-Matwey

Bei den Münchner Opernfestspielen ist gerade der junge Bariton Konstantin Krimmel als Guglielmo in Mozarts „Così fan tutte“ und mit einem Schubert-Liederabend zu hören. Schubert singt er am 19. Juli auch in der Londoner Wigmore Hall – und wer es dorthin geschafft hat, in den Olymp des Liedgesangs, dem muss das Lied wirklich am Herzen liegen. Wie sehr das der Fall ist, hört man jetzt auf Konstantin Krimmels neuer CD: Franz Schubert, „Die schöne Müllerin“.

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Unbekannte Verzierungen

Das Mühlrad im ersten Lied in Schuberts „Schöner Müllerin“ klappert, der Müllerbursche geht auf die Walz und weiß noch nicht, was ihn erwartet. Oder weiß er‘s doch?

In Konstantin Krimmels und Daniel Heides Neueinspielung des Zyklus gibt es immer wieder kleine Irritationsmomente, zum Beispiel Verzierungen auf das Wort „Wandern“ zum Beispiel, die aufhorchen lassen, weil man sie so nicht kennt.

Gelungene Interpretation

Die Steine im Mühlrad werden vom Pianisten Daniel Heide und dem Bariton Konstantin Krimmel zum tanzen gebracht, man hört man sie klackern und poltern, sieht sie buchstäblich in der Sonne glänzen.

Eine bildhafte, hoch idiomatische Interpretation ist den beiden Musikern hier gelungen, vorbildlich textverständlich und fast immer ausdrucksstark, auch im Klavier.

Bekannter Pianist, neuer Bariton

Krimmels sinnliches, erdiges Bariton-Timbre klingt empathisch, absolut unsentimental und auf gute Weise viril. „Ungeduld“ nennt sich das siebte Lied, hier hat sich der Bursche in die Tochter des Müllers verliebt, meist rast sein Herz – an einer Stelle aber, gegen Ende, als er merkt, dass die Müllerin nichts merkt, droht es fast stehen zu bleiben. 

Details wie eine solche Temporückung sind es, die diese „Schöne Müllerin“ zum Ereignis machen. Den Liedpianisten Daniel Heide kennt man bereits aus seiner Arbeit mit Andrè Schuen oder Julian Prégardien.

Der 30-jährige, deutsch-rumänische Bariton Konstatin Krimmel hingegen ist fast noch ein Neuling im Liedgesang. Er ist gebürtiger Ulmer, seit 2021/22 Ensemblemitglied an der Bayerischen Staatsoper, schon jetzt wird er hoch gehandelt und man hört, warum.

Starbesetzung singt Schuberts „Schöne Müllerin“ im SWR2 Mittagskonzert: Julian Prégardien und Kristian Bezuidenhout beim Musikfest Stuttgart

„Leben in Moll“

Dem „armen, armen weißen Mann“ widmet Konstantin Krimmel im Booklet der CD seinen Text: von Adrenalin- und Cortisolspiegeln ist da die Rede, von hohen Suizidraten bei jungen Männern, die sich mit typisch männlichen Rollenbildern nicht identifizieren können, von einem Leben in Moll. Spricht der Sänger da vielleicht über sich selbst?

Coole Aufnahme ohne Jammern

Jenseits von Stimme, Ausdruck und stilistischem Verständnis überzeugt bei dieser Aufnahme die Aura des 21. Jahrhunderts. Bei allem Tiefgang hat Konstantin Krimmels und Daniel Heides „Schöne Müllerin“ auch etwas Cooles.

Sie jammert nicht, sondern begreift die Krankheit des Müllerburschen zum Tode hin als einen Weg. Was am Ende bleibt, ist das moderne Subjekt, in seiner Einsamkeit, im Verstummen voreinander wie vor sich selbst. 

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Christine Lemke-Matwey