Film-Tipp

Music for Black Pigeons – Ein kleines Meisterwerk

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AUTOR/IN
Ulrich Kriest

Ist es Jazz? Ist es Folk? Ist es Musik für schwarze Tauben? Was bei „Music for Black Pigeons“ eingefangen wird, ist der fluide Spirit des Improvisierten. Ein Solitär unter den Musikdokumentationen.

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Meisterwerk ohne Chronologie

Den dänischen Filmemachern Jörgen Leth und Andreas Koefoed ist mit „Music for Black Pigeons“ ein kleines Meisterwerk von einer Musikdokumentation gelungen, die dem Wesen der Improvisation nachspürt, weil keine verallgemeinernde These dazu diente, das Material zu ordnen. Die Produktion erstreckte sich über 14 Jahre und fällt am Ende erstaunlich ergebnisoffen aus.

„Music for Black Pigeons“ ist ein nicht-chronologischer Katalog von Impressionen und Begegnungen, die so unterschiedlich ausfallen wie die Persönlichkeiten, die sich hier vor der Kamera begegnen.

Ein Film vom Fluss des Lebens

Die Geschichte beginnt 2008 in New York, als der dänische Gitarrist Jakob Bro sein erstes internationales Album als Leader einspielt. Bro, bekannt als Sideman in Bands von Tomasz Stanko und Paul Motian, hat sich dafür eine prominent besetzte Band zusammengestellt. Mit dabei sind die Saxophon-Legende Lee Konitz, Bros Mentor Paul Motian und das große Vorbild Bill Frisell. 

Der Filmemacher Jörgen Leth und ab 2015 auch Andreas Koefoed folgen dem Gitarristen Jakob Bro mehr als ein Jahrzehnt in cinema-verité-Manier durch wechselnde Bandkonstellationen, Aufnahmestudios und Konzerthallen zwischen New York, Kopenhagen, Lugano, Berlin und Sisimiut, der zweitgrößten Stadt auf Grönland. 

Weil „Music for Black Pigeons“ nichts Besonderes erzählen will, weil keine Werbung für ein bestimmtes Produkt, einen bestimmten Anlass gemacht werden soll, erzählt der Film vom Fluss des Lebens, von der Magie der Kreativität, von bekannten Musikern, die selbst staunen müssen, wenn sie erzählen, dass sie ihr ganzes Leben lang »nur« Musik gemacht haben. 

Stille in der Musik

Wo aktuelle Musikdokumentationen häufig so atemlos wie gedankenlos Bilder, Worte und Töne in Clip-Manier montieren, setzt „Music for Black Pigeons“ auf Pausen, hält Stille aus. Und weil wir es hier mit Musikern zu tun haben, die nicht darin geübt sind, auf immer dieselben Fragen professionell mit vorfabrizierten Sätzen zu antworten, kann man hier Menschen beim Nachdenken zusehen. 

Etwa, wenn der „ECM“-Produzent Manfred Eicher einmal darüber sinniert, was eine Pause ist. Eine Pause sei ein Hinweis, wohin man wolle und woher man komme, sei aber etwas sehr Subjektives, weil man sie mache. In mehrfacher Hinsicht wird die Stille in diesem Film zu einem integralen Moment der Musik.

Musik und Leben

Obwohl „Music for Black Pigeons“ nicht auf ein stimmiges Gesamtbild abzielt und durchaus ein Gespür für Humor besitzt, fügen sich doch einzelne Puzzleteilchen überraschend gut zusammen, wenn es beispielsweise um den »spirituellen Fluss« in der Musik geht. 

„Wir haben versucht, in diesem Film Musik und Leben zu verbinden. Es geht nicht um ein bestimmtes Album oder eine bestimmte Tournee, sondern darum, auf dieser Erde zu sein und sich auszudrücken.“

Der Musikgeschmack der schwarzen Tauben

Der etwas mysteriöse Filmtitel geht zurück auf den Saxophonisten Lee Konitz, der aus der Generation von Charlie Parker und Lennie Tristano stammt. Dem war die Einfachheit der Kompositionen von Jakob Bro lange suspekt.

Einfache Rhythmik, einfache Melodien, fast schon Folk. Er habe diese Musik nicht verstanden. Einmal aber habe er sie zuhause gehört, als sich eine schwarze Taube vor seinem Fenster niedergelassen habe. Die sei erst davongeflogen, als die Musik vorbei war. Also handle es sich wohl um Musik für schwarze Tauben. Jakob Bro hat dieser Spaß so gut gefallen, dass er den Titel für eine seiner Kompositionen wählte.

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