Rock am Ring, Festival Bühne  (Foto: IMAGO, imago-images)

Machtausbau und Geldgier

Wie Eventim und Ticketmaster Musikfans das Leben schwer machen

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AUTOR/IN
Samira Straub

Fantasiegebühren, schlechter Support und jetzt das Chaos um den Vorverkauf des Jahres bei Taylor Swift: Immer Ärger mit Eventim, so erleben das viele Kulturbegeisterte. Doch die Macht von Eventim wird immer größer und nichts scheint dagegen zu helfen – nicht einmal die Konkurrenz von Ticketmaster.  

Taylor Swift (Foto: IMAGO, iIMAGO/ZUMA Wire)
Mit ihrer „The Eras“-Tour kommt Taylor Swift 2024 für 26 Shows nach Europa: In Deutschland spielt Swift drei Shows in Stadien: Gelsenkirchen, Hamburg und München sind die Tourstopps.

Das Vorkaufsrecht für Taylor Swift-Tickets wird von Eventim verlost

Derzeit grassiert eine große Sorge unter den europäischen Fans der Popmusik: Wie kommt man an Karten für die heiß begehrte „The Eras“-Tour von Megastar Taylor Swift? Schon 2020 hätte die Poplegende in Deutschland auftreten sollen, die Pandemie machte der Amerikanerin damals einen Strich durch die Rechnung. Jetzt ist der Hype um Swift noch größer, die Tickets noch begehrter und: eine Karte zu ergattern noch komplizierter geworden.

Der Kaufprozess bei Eventim, die auf ihrer Ticketplattform exklusiv die Karten für die Shows verkaufen, gestaltet sich komplex. Wer ein Ticket möchte, muss sich via Vorab-Registrierung explizit für einen Termin eintragen lassen, danach wird per Los entschieden, wer ein Vorkaufsrecht erhält und am Vorverkauf teilnehmen darf.

Für Eventim ist das eine lukrative Situation: Hunderttausende Musikfans erstellen mit ihren Daten ein Konto auf der Seite, man kann die Nachfrage gut messen und etwaige Zusatzkonzerte direkt mit einkalkulieren, da laut eigener Aussage das „Interesse größer sei als das Angebot“.

Die Fans sind verärgert über die Handhabe bei Eventim

Für die Fans dagegen ist diese Lotterie eine nervliche Zerreißprobe. Zudem sind die Preise für die Shows bislang nicht bekannt, obschon allgemeine Gewissheit darüber herrscht, dass diese die Grenzen des Zumutbaren einmal mehr ausloten werden. Die künstliche Verknappung der Karten und das Losglück drängen dann natürlich aber doch zum Kauf.

Ausverkauft werden die Shows, die vermutlich noch zahlreiche Zusatz-Termine erhalten werden, deshalb binnen kürzester Zeit sein. Was bleibt, ist dann die Vorfreude auf ein Konzert und der Unmut über eine seltsame Abwicklung, während bei Eventim einmal mehr die Kassen klingeln.

Eventim genießt Narrenfreiheit als Big-Player auf dem europäischen Markt

Durch diverse Übernahmen von Konkurrenten ist die CTS-Eventim-AG inzwischen zum dominierenden Akteur auf dem europäischen Ticketmarkt geworden. Dabei ist Eventim längst nicht mehr nur eine Ticket-Agentur, sondern agiert auf dem deutschen Markt mit zahlreichen Tochterfirmen auch als Veranstalter, Festival-Betreiber und Venue-Inhaber.

„Über das CTS-Eventim-System werden 60 bis 70 Prozent aller Tickets vertrieben, die in Deutschland über Ticketsysteme verkauft werden.“

Klaus-Peter Schulenberg (Foto: picture-alliance / Reportdienste, LaPresse)
Gegen den Eventim-CEO Klaus-Peter Schulenberg wurde ermittelt, weil Eventim Gebühren mittels Tochterfirmen mehrfach einstrich. Gegen eine Zahlung von rund 600.000 Euro stellte die Justiz die Ermittlungen gegen den CEO ein, wie das Team von Jan Böhmermann aufdeckte.

Mehrheiten hat man bei Veranstaltern wie FKP Scorpio, Semmel Concerts oder ARGO Konzerte. Die Eventim-Tochterfirma DreamHaus beispielsweise wickelt mit Rock am Ring eines der größten Festivals des Landes ab.

Hat Eventim das Kartellamt überlistet?

Dazu kommt die neu gegründete All Artists Agency, eine Künstlervertretung mit namhaften Stars wie Peter Fox oder Scooter, die ebenfalls Konzerte durchführt.

Brisant daran: Erst 2017 wollte Eventim die von den Fantastischen Vier gegründete Bookingagentur Four Artists übernehmen, was vom Bundeskartellamt untersagt wurde. Damals hieß es in der Begründung: Eine Übernahme der Four Artists würde zu „einer erheblichen Behinderung des Wettbewerbs“ führen.

Jetzt hält Eventim 51 Prozent der Anteile an der neuen All Artists Agency, in der große Teile der ehemaligen Four-Artists-Belegschaft gewechselt hatten. Da eine Neugründung aber nicht anmeldepflichtig ist, sind dem Bundeskartellamt die Hände gebunden. Eventim ist wieder ein Stück mächtiger geworden.

„Für den Wettbewerb ist es in der Tat bedauerlich, dass die Wirkung der Untersagungsverfügung […] offenbar ein Stück weit unterlaufen werden konnte.“

Unzulässige Gebühren und nicht vorhandene Kontaktmöglichkeiten sorgen für Frust

Auch die Gebühren-Struktur bei Eventim sorgt immer wieder für Unmut und ließ bereits mehrfach den Bundesgerichtshof aufhorchen. Eine Gebühr für selbstausdruckbare Tickets wurde 2018, nach mehreren Urteilen von anderen Gerichten, endgültig als rechtswidrig erklärt.

Eventim (Foto: IMAGO, IMAGO/Zoonar)
Die Kritik an Eventim lässt nicht nach: Fantasiegebühren und schlechter Support sind zwei Kritikpunkte an der Ticketplattform.

Ebenfalls unterbunden wurden überhöhte Porto-Gebühren für einen „Premium“-Ticketversand, der sich im Nachgang als gewöhnlicher Versand entpuppte. Jedoch: Nach wie vor verlangt Eventim rund 6 Euro für die postalische Zustellung von Karten – die dann in einem normal frankierten Brief zugestellt werden, unversichert.

Gehen Tickets dann doch auf dem Postweg verloren, sieht man sich als Fan mit einem komplizierten Prozess konfrontiert, an dessen Ende man an Eidesstatt versichern muss, die Karten niemals erhalten zu haben – sofern man überhaupt eine Kontaktperson erreicht. Denn die Kontaktaufnahme ist bei Eventim extrem kompliziert und wird von Verbraucherschützern harsch kritisiert.

Eventim greift auch als Venue-Besitzer in den Musikmarkt ein

Der Einfluss von Eventim erstreckt sich auch in die Konzertstätten des Landes. So betreibt Eventim beispielsweise die geschichtsträchtige und besonders beliebte Open-Air-Location Waldbühne in Berlin. Sie bietet Platz für bis zu 22.000 Menschen und ist vor allem bei den ganz großen Stars der Branche ein beliebter Konzertort.

Waldbühne Berlin (Foto: IMAGO, imago images/BRIGANI-ART)
Von den Berliner Philharmonikern bis zu den Rolling Stones begeistern sich Stars und Fans gleichermaßen für die schöne und akustisch nahezu perfekte Open-Air-Location im Berliner Westend.

Doch Eventim will auch hier besonderes Kapital schlagen: Zum Beispiel mit den Verkäufen von Merchandise. Hier verlangt Eventim so horrende Beteiligung, dass künstlerseitig in der Vergangenheit bereits gänzlich auf den Verkauf von Merchandise verzichtet wurde.

So beispielsweise 2017 beim Konzert der Rapper Casper und Marteria, die nicht bereit waren, die Merchpreise derartig anzuheben, dass es sich lohnt. Casper sprach damals auf Instagram von einem „Machtspiel“.

Auch die Lanxess-Arena, die größte Multifunktions-Venue der Stadt Köln, gehört zu Eventim. Die Miete hierfür ist so teuer, dass viele Acts lieber an zwei Abenden nacheinander das kleinere Palladium bespielen, anstatt ein Konzert in der viel moderneren Lanxess-Arena zu geben.

Ticketmaster unterwirft sich Eventim

Die Konkurrenz sollte es doch besser und fanfreundlicher gestalten, sollte man meinen. Doch kleinere Player wie tickets.de gehen zunehmend bankrott oder gehören längst mehrteilig der CTS-Eventim-AG.

Das amerikanische Pendant Ticketmaster, das mittlerweile auch auf dem deutschen Markt zu einem der Big-Player geworden ist, versucht jedoch erst gar nicht, einen fanfreundlichen Gegenpol zur profitorientierten Aktiengesellschaft aufzubauen.

LiveNation, die Firma hinter dem Ticket-Tool Ticketmaster, erkennt die Vormachtstellung von Eventim an und bietet längst zahlreiche Tickets auch via Eventim an: Zu groß wären die Verluste, wenn man die Käuferschichten dort nicht anspräche.

Dynamic Pricing als nächster Trend zur maximalen Gewinnabschöpfung

Schleichend versucht Ticketmaster amerikanische Prozesse auch in Deutschland zu etablieren: Dazu gehören Praktiken wie das Dynamic Pricing, bei dem es nicht mehr nur „den einen“ Ticketpreis für ein Konzert gibt. Die Preise sind, wie der Name suggeriert, dynamisch und orientieren sich nach Angebot und Nachfrage, „wie bei Flügen und Hotels“, so Ticketmaster.

Sind die Tickets begehrt, steigt der Preis erheblich. Schwindet das Interesse, werden auch die Karten billig. In der Realität wird Dynamic Pricing jedoch vor allem bei begehrten Events eingesetzt, was für großen Unmut über die teuren Preise sorgt, die sich teils im Stundentakt ändern. Angewendet wurde dieses Modell bereits bei der 2022er Tour der Band Blink182.

Nicht alle Künstler*innen sind begeistert von diesen Praktiken

Wo es früher den klassischen Stehplatz gab, gibt es heute zahlreiche weitere Kategorien: Golden Circle, Silver Circle, Front of Stage, Early Entry Packages. Man versucht das Konzert als Erlebnis zu verkaufen und aus möglichst allem, sei es nur ein Platz am Gang, mehr Geld zu generieren. Ob das dadurch erwirtschaftete Geld 1:1 auch bei den Künstler*innen ankommt, ist fraglich und in jedem Einzelfall von den Verträgen abhängig.

Viele Künstler*innen äußerten bereits ihren Unmut über diese Praktiken. So versucht beispielsweise die Band Pearl Jam explizit gegen überzogene Gebühren, aufgeblasene Ticket-Kategorien und andere Schröpfungs-Maßnahmen vorzugehen. Viele andere Acts versuchen, die Vorverkäufe über ihre eigenen Band-Shops abzuwickeln, was jedoch nicht immer problemfrei gelingt.

Denn gerade besonders erfolgreiche Acts sind, Wohl oder Übel, auf die Zusammenarbeit mit den großen Plattformen angewiesen.

Für Kulturbegeisterte ist der Zukunftsblick wenig erbaulich

Die Aussichten für die Musik- und Kulturbegeisterten sind in Anbetracht von Inflation und postpandemischen Einschränkungen im Ablauf ohnehin nicht rosig. Doch die Big Player wie Eventim und Ticketmaster verschlimmern den Negativtrend noch weiter.

Konzerte werden durch Mechanismen wie Dynamic Pricing noch teurer, was im Endeffekt einer Einzelperson weniger Konzertbesuche gesamt ermöglicht. Während es Eventim und Ticketmaster also vorwiegend um Profit und Machtausbau geht, tragen sie ihre Konsumschlacht auf dem Rücken der Kultur aus – die nur als Verlierer aus dem Kampf herausgehen kann.

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Samira Straub