Eigentlich wollte Li Bai (701-762) Beamter werden. Doch er wurde abgewiesen. Deshalb wurde er ein Freiberufler: ein Dichter, der durchs China der Tang-Dynastie zog und mit seinen Texten schließlich so bekannt wurde, dass sie bis heute von Schulkindern auswendig gelernt, bei passenden Gelegenheiten rezitiert und auch immer wieder neu übersetzt werden.
Nun hat der sino-amerikanische Autor Ha Jin – bekannt vor allem für seine Politromane zur jüngeren chinesischen Geschichte – mit „Der verbannte Unsterbliche“ eine Biographie des unkonventionellen Tang-Lyrikers vorgelegt. Eine Lebensgeschichte, die auch eine spannende Kulturgeschichte des 8. Jahrhunderts bietet.
Der Sinologe Thomas O. Höllmann hat die Texte von Li Bai selbst schon vielfach übersetzt. Er hat „Der verbannte Unsterbliche“ gern gelesen – allerdings mehr als historischen Roman denn als verlässliche Biographie.
Um Li Bai haben sich über die Jahrhunderte etliche Mythen gebildet, sagt Höllmann im Gespräch mit SWR2-Literaturredakteurin Katharina Borchardt. Außerdem habe es zu seiner Zeit weder Goldmünzen noch Teehäuser oder Schnaps gegeben. Dies sei der „überbordenden Phantasie“ des Autors Ha Jin zuzuschreiben.
Die Beschäftigung mit Li Bai aber sei trotzdem unbedingt empfohlen. „Li Bai war zu seiner Zeit ein echter Ausnahmedichter“, sagt Höllmann. „Er schrieb sehr knapp, sehr schnörkellos und verwehrte sich gegen den Bildungsdünkel, den andere Lyriker damals durchaus vor sich her trugen.“ Dass bei Li Bai das „Individuum stark im Zentrum der Dichtung steht“ lässt uns seine hinreißenden Texte auch heute noch sehr unmittelbar erfahren.
Im SWR2-Gespräch gibt es lyrische Kostproben und sogar einen Übersetzungsvergleich. Denn Ha Jin zitiert Verse Li Bais, die auch Thomas O. Höllmann für seine sechzig Gedichte aus dem alten China umfassende Lyrikanthologie „Erwartung & Melancholie“ übersetzt hat.