Japanische Frau mit Bier (Foto: IMAGO, AFLO)

Tag des Bieres

Bier ist Frauensache! Brauende Frauen von Babylon über Hildegard von Bingen bis heute

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Dominic Konrad
Dominic Konrad, Autor und Redakteur bei SWR Kultur und SWR Musik (Foto: SWR, Foto: Dominic Konrad)

Beim Spritzig-Herben denkt man an Herren-Stammtische, Schwenkgrill-Helden oder „gscheite Mannsbilder“ mit Krachledernen und Gamsbart. Dabei ist Bier bis Ende des Mittelalters alles andere als eine Männerdomäne. Gerade die Äbtissin Hildegard von Bingen spielt in der Bier-Historie eine bedeutende Rolle. Eine Richtigstellung zum Tag des Bieres.

Frauen im Dirndl mit Bier (Foto: IMAGO, YAY Images)
Bier ist nur was für Männer? Historisch gesehen ist das absoluter Quatsch!

Über Jahrtausende ist das Bierbrauen fest in Frauenhand

Bier ist so alt wie die Menschheit selbst. Archäologische Funde belegen, dass bereits unsere Vorfahren im Zweistromland vor 10.000 Jahren dem spritzig-gärigen Getränk nicht abgeneigt waren.

Egal ob im alten China, in Mesopotamien, bei den Ägyptern, den Azteken oder den Wikingern: Wo Menschen der Bierherstellung nachgingen, lag diese in aller Regel fest in der Hand der Frauen. Brauen zählte zu den Arbeiten des Haushalts – vermutlich, weil es wie das Brotbacken eine Art der Getreideverarbeitung war.

Altägyptische Figur: Frau beim Bierbrauen (Foto: IMAGO, United Archives International.)
Auch bei den Ägyptern waren Frauen für die Herstellung des Biers verantwortlich, wie diese Grabfigur einer ägyptischen Bierbrauerin (um 2.160 v. Chr) beweist.

Kein Wunder also, dass auch Wirtshäuser in den frühen Hochkulturen von Frauen betrieben wurden: Der babylonische „Codex Hammurabi“ (18. Jahrhundert v. Chr.), auf einer Basalt-Stele im Louvre erhalten, schreibt fest, was Wirtinnen etwa im Fall von Wucherei und bei Duldung von Verschwörungen blühe. Die Tavernen waren so sehr in Frauenhand, dass Männer bei Hammurabi nicht mal mitgemeint sind:

Wenn eine Schenkwirtin als Preis für Getränke nicht Getreide nach großem Gewicht annimmt, sondern Silber nimmt, und der Preis des Getränkes im Verhältnis zu dem des Getreides geringer ist, so soll man sie dessen überführen und ins Wasser werfen.

Hildegard von Bingen (Foto: IMAGO, McPhoto)
Hildegard von Bingen wird als große Gelehrte verehrt. Ihre Klostermedizin war für ihre Zeit revolutionär, heute erscheint sie in vielerlei Hinsicht fragwürdig.

Die Heilige Hildegard bringt den Hopfen ins Spiel

Laut deutschem Reinheitsgebot hat Bier neben Wasser, Gerstenmalz und Brauhefe auch Hopfen zu beinhalten. Die Dolden des Hanfgewächses sorgen für die charakteristische Bitterkeit und das Aroma des Bieres, wie wir es heute kennen. Hopfen macht das Getränk zudem haltbar.

Diese Entdeckung geht auf eine der größten Kirchengelehrten des Mittelalters zurück. Hildegard von Bingen wurde bereits zu Lebzeiten im 12. Jahrhundert als große Gelehrte verehrt. Die Benediktinerin und Gründerin des Klosters auf dem Rupertsberg bei Bingen setzte sich neben der Kirchenlehre und der Musik auch mit Heilpflanzen und deren Anwendung auseinander. Ihre Erkenntnisse zum Hopfen hielt Hildegard schriftlich fest:

Es ist warm und trocken und hat eine mäßige Feuchtigkeit und ist nicht sehr nützlich, um dem Menschen zu nützen, weil es Melancholie im Menschen wachsen lässt und die Seele des Menschen traurig macht und seine inneren Organe belastet. Aber dennoch bewahrt es durch seine eigene Bitterkeit einige Fäulnis von Getränken, denen es hinzugefügt werden kann, so dass sie so viel länger halten können.

Auch wenn Hildegard dem Hopfen, gemäß der mittelalterlichen Viersäftelehre, eher melancholische als beruhigende Eigenschaften zuschrieb, revolutionierte ihre Entdeckung die Bierbrauerei. Ihre Schriften verbreiteten sich vor allem in den Klöstern des Mittelalters und trugen maßgeblich zum Erfolg der Klosterbrauereien bei.

Hildegard von Bingen: Bis heute eine Ikone der Klostermedizin

Wie Männer sich das Brauen aneigneten

Noch bis ins 16. Jahrhundert bleibt die Bierbrauerei außerhalb der Klöster weitestgehend eine Arbeit für Frauen. Für Unverheiratete und Witwen ist die Arbeit als Schankwirtin eine gute Möglichkeit, eigenständig Geld zu verdienen. Doch in den wachsenden Städten nimmt das Bierbrauen für den eigenen Hausgebrauch ab.

Katharina von Bora (Foto: IMAGO, Heritage Images)
Martin Luther war verrückt nach dem Bier seiner Frau Katharina von Bora. Die Braukunst hatte die frühere Nonne im Kloster erlernt.

Um die Brandgefahr in den wachsenden Ballungsräumen einzudämmen, wird das Braurecht in den Städten nach und nach an Betriebe vergeben. Das Brauen wird zum Beruf, es bilden sich sich Zünfte und die Herstellung wird reglementiert. Frauen geraten durch den Aufstieg der Brauereien ins Hintertreffen.

Dem Bier waren Frauen trotzdem nicht abgeneigt: Bis ins 19. Jahrhundert blieben Bierkränzchen ein beliebter Zeitvertreib unter den Damen der höheren Gesellschaft. Wenn's handfester zuging, wurde aus dem Kränzchen auch mal ein „Weiberzechen“. Erst mit der besseren Verfügbarkeit von Kaffee und Tee setzte sich der Kaffeeklatsch als vornehmere Alternative durch. Das Bier wanderte an den Stammtisch der Herren.

Heute erobern sich Frauen nach und nach die Hoheit über die Bierbrauerei zurück: Als Inhaberinnen kleiner Familienbetriebe, wie Katharina Waldhecker aus Ulm bei Renchen, oder wie Warsteiner-Chefin Catharina Cramer, an der Spitze eines international agierenden Bierkonzerns. Dem Produkt kann das Mehr an Vielfalt nur dienlich sein. Prost!

Gespräch Braukunst statt Broadway - Katharina Waldhecker war Tänzerin und leitet jetzt die Familienbrauerei

Von klein auf spielt Katharina Waldhecker in Opas Brauerei, studiert BWL und könnte direkt in den Betrieb einsteigen. Aber sie folgt zuerst ihrer zweiten Leidenschaft Ballett, bevor sie Chefin der Familienbrauerei wird.

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Dominic Konrad, Autor und Redakteur bei SWR Kultur und SWR Musik (Foto: SWR, Foto: Dominic Konrad)