Weinfestival

Jung, urban, hip: Eine neue Generation von Weinfans entdeckt das Stuttgarter Weindorf

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AUTOR/IN
Sophia Volkhardt

Bei Großveranstaltungen wie dem Stuttgarter Weindorf zeigt sich: Es gibt eine neue Generation von Weinfans und Veranstaltenden. Die wollen weniger Stammtischfeeling mit Karotischdecken, dafür mehr Nachhaltigkeit, Experimentierfreude und Storytelling. Von der Herstellung bis zum stylischen Etikett wird Wein zu einem Lebensgefühl.

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Wein kommt heute mit Minze und Grapefruit

Fruchtig und frisch soll es sein: Der Wein darf auch mal als Cocktail verkauft werden – mit Minze und Grapefruit. Auf der anderen Seite wird immer noch traditionell gefachsimpelt: blumig, erdig, komplex.

Auf dem Weindorf sollen alle Bedürfnisse von Weinbegeisterten befriedigt werden. In speziell angefertigten Lauben, zwischen stimmungsvollen bunten Lichtern und Weinfässer.

Wohlhabende Kundschaft kauft gern direkt beim Winzer

Hinter der Großveranstaltung steckt viel Arbeit, aber die lohnt sich hoffentlich: Der 24-jährige Jungwinzer Adrian Beurer nimmt sie gerne auf sich. Er hofft auf Verkäufe und will aufklären – bisher arbeitet sein Familienbetrieb vor allem mit Händlern und Gastronomen:

„Die Hälfte des Weins geht ins Ausland. Das finde ich eigentlich schade – grade, wenn man über Nachhaltigkeit spricht.“

Bisher arbeitet sein Familienbetrieb vor allem mit Händlern und Gastronomen. „Wir sind hier in Städten 20 Minuten außerhalb von Stuttgart. Was hier für eine Kaufkraft herrscht. Was neu dazukommt ist die Direktvermarktung. Mir machen solche Veranstaltungen Spaß, das gab es bei meinen Eltern wenig.“

Vom Stammtischfeeling zu mehr bewusster Nachhaltigkeit Weg vom Geschunkel: Die Weinkultur erfindet sich neu

Weinfeste entwickeln sich weg von Stammtisch Zusammentreffen für die Boomer, hin zu Lifestyle-Events, bei denen Themen wie Nachhaltigkeit und Experimentierfreude im Fokus stehen.

Direktvermarktung ist ein wichtiges Standbein

Eine neue Winzer-Generation – von denen eine neue Generation an Weintrinkerinnen und Trinkern mehr verlangt, als „nur“ guten Wein, so erlebt es auch Thomas Diehl, der sein Familienweingut vor Kurzem übernommen hat.

Er ist kein ausgebildeter Winzer, sondern kümmert sich um die Vermarktung. Dass einer alles macht – heute undenkbar. „Das Wissen über Wein ist größer, die Leute informieren sich und haben Lust, neues zu entdecken“, sagt Diehl.

Wein-Marketing muss ein Lebensgefühl verkaufen

Thomas Diehl muss beim Marketing unterschiedliche Wege einschlagen. Wie bei allem geht nichts mehr ohne Social Media. Es geht darum, eine Geschichte zu erzählen – Stichwort Storytelling. Neben Geschmack verkauft man ein Gefühl.

Das fängt schon mit dem aufwändigen Etikett an: „Oft wird das sehr elitär verkauft, dass man sagt, du musst dich total gut auskennen. Da steh ich total dagegen. Die wichtigste Unterscheidung beim Weintrinken: schmeckt mir – oder nicht.“

Es wird urbaner und hipper

Was ist anders am Konsum der Jungen? Adrian Beurer erzählt, es gibt eine Statistik, nach der nur noch 50 Prozent der unter 30-Jährigen in Deutschland überhaupt Alkohol trinken – und die wollen bewusster trinken.

Sie hören sich Podcasts an, gehen zu Weinproben und informieren sich über die Herstellung. Auf ihrem Weingut wird seit knapp 20 Jahren biodynamisch gearbeitet.

Beurer meint: die junge Generation kann er mit seinem Thema „Umweltnähe“ wirklich überzeugen. „Wein – das bewegt sich gerade ganz weit weg von Anzug tragen und philosophieren. Es wird urbaner, es wird hipper.“

Konflikte zwischen den Generationen

Einfach nur zusammensitzen, trinken und essen, reicht nicht mehr. Der Eventcharakter spielt eine große Rolle. Das Weindorf Stuttgart bietet Live-Vorführungen, um Einblick zu geben, wie der Wein produziert wurde.

Dass sich das Geschäft verändert hat und man andere Prioritäten setzten muss, führt auf den Weingütern zum Teil zu Konflikten:

„Es ist inzwischen gang und gäbe, dass man für eine Weinprobe auch mal nach Frankfurt oder Berlin fährt – früher undenkbar“, sagt Thomas Diehl. „Mein Vater sagt: Muss das jetzt wieder sein? Dann sag ich: Wollen wir weiter Wein verkaufen? Dann muss es sein.“

Gemeinsame Leidenschaft fürs Produkt

Was sich aber nicht verändert hat: Für die Jungwinzer ist der Wein noch immer ein emotionales Produkt, dass die Menschen jeder Generation zusammenbringen soll.

Und wenn man sie erstmal an die Bierbank gelockt hat, ist der gemeinsame Weingenuss trotz unterschiedlicher Wein- und Gesprächskultur am Tisch altersunabhängig.

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