Gesellschaft

Keine Wohnung, keine Arbeit, keine Hilfe: Diskriminierung von Sinti und Roma

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Zülal Acar

Der europäische Holocaust-Gedenktag am 2. August erinnert an die Opfer des Nationalsozialismus – darunter auch 500.000 ermordete Sinti und Roma. Viele ihrer Nachfahren sind in den letzten Jahren aus Osteuropa nach Deutschland gekommen – die einen, weil sie dort diskriminiert wurden, die anderen, weil sie in der Ukraine Krieg erlebten. Doch auch hier werden sie mit Vorurteilen konfrontiert.

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Antiziganismus ist in Deutschland noch weit verbreitet

Daniel Strauß, Landesvorsitzender des Verbands Deutscher Sinti und Roma in Baden-Württemberg, ist empört über die Speisekarte eines deutschen Restaurants, die ihm zugeschickt wurde. Dort heißt es: „Europäisches Schnitzel, 20.50 Euro, nach Art eines Rotations-Europäers mit lockerem Verhältnis zu fremdem Eigentum. Mit Chorizo-Salsa, dazu holländische Gourmet-Maispommes und Gurkensalat“.

Strauß empfindet die Schnitzel-Beschreibung als verhöhnend. Eine spezielle Form von Rassismus gegen Sinti und Roma. Antiziganismus sei in Deutschland noch sehr weit verbreitet, betont der Sinto: „Von ‚hängt die Wäsche ab von der Leine, die Z**** kommen!‘ bis hin zu ‚Sozialbetrüger‘, oder ‚Clankriminalität‘. Man verbindet das alles dann mit Ethnien. Und dann ist einer wie der andere.“ 

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Als Rom wird man anders behandelt als andere Ukraine-Flüchtlinge

Auch Robert Kalderash hat schon oft Antiziganismus hautnah miterlebt oder beobachtet. Der Rom ist vor zehn Monaten aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet. Er lebt mit seiner Familie in Bruchsal. Einen Monat lang haben sie in einer Erstaufnahmestelle gelebt. Dass er anschließend so schnell eine Wohnung bekommen hat, ist dabei nicht selbstverständlich. 

Im Alltag gebe es noch viele Hürden, sagt Kalderash: „Wenn es um Papiere in der Ausländerbehörde geht, werden Ukrainer anders behandelt. Man nimmt sich Zeit, ist geduldig, versucht es mit Dolmetschern. Man bringt ihnen sehr viel Verständnis entgegen. Aber bei den Roma kommt weniger Verständnis und Geduld. Man wird vertröstet.“ 

Aus Angst geben viele Sinti und Roma ihre Herkunft nicht preis

Viele Sinti und Roma, die nach Deutschland flüchten, hätten Angst vor den deutschen Behörden. Wenn ihnen Kommunen zum Beispiel Kitaplätze anbieten, erzählt Kalderash, hätten viele Sinti- und Roma-Eltern Angst, ihre Kinder an das Jugendamt zu verlieren.  

Diese Angst der Sinti und Roma vor den deutschen Behörden führt oft dazu, dass viele von ihnen zögern, ihre Herkunft preiszugeben, auch auf dem Wohnungsmarkt. Für Daniel Strauß ist das ganz klar Diskriminierung. 

„In Baden-Württemberg leben 30 Prozent in segregierten Wohngegenden, also in sozialen Brennpunkten, obwohl sie finanziell das gar nicht nötig haben“, sagt er. „Aber auf dem privaten Wohnungsmarkt bekommen Sinti im Regelfall keine Wohnung, wenn sie erkannt werden anhand von Namen oder Adresse. Es ist für sie sehr schwierig eine Wohnung zu bekommen.“ 

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In Deutschland leben rund 70.000 Sinti und Roma. Vorurteile gegenüber dieser Minderheit sind immer noch eine Herausforderung.  Kultur- und Bildungsarbeit helfen dabei. 

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Verbesserungen gewünscht 

Ob auf dem Wohn- und Arbeitsmarkt, bei Behörden, im Bereich Gesundheit, Soziales oder Bildung: Daniel Strauß und Robert Kalderash wünschen sich, dass sich die Situation der Sinti und Roma in Deutschland nachhaltig verbessert.  

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Seit 1982, also 40 Jahre schon, ist Romani Rose Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma. Für sein Engagement gegen Diskriminierung hat der gebürtige Heidelberger viel Anerkennung erfahren. Nach wie vor aber beobachtet Romani Rose Vorurteile gegen Sinti und Roma in der Gesellschaft.

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Zülal Acar