Zeitgenossen

Georg Stefan Troller: „Sprache ist die einzige Heimat“

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AUTOR/IN
Cordelia Marsch

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Er ist Journalist, Schriftsteller, begnadeter Dokumentarfilmer und berühmt-berüchtigter Interviewer. Am 10. Dezember wird Georg Stefan Troller nun 100 Jahre alt. Seine Heimat in all der Zeit ist und war einzig und allein die deutsche Sprache.

Georg Stefan Troller und Cordelia Marsch (Foto: SWR, Cordelia Marsch)
Georg Stefan Troller und Cordelia Marsch

Überleben als Jude im Nationalsozialismus

Geboren 1921 als Sohn eines jüdischen Pelzhändlers in Wien, hatte Troller keine unbeschwerte Kindheit. „Man war missbilligt, galt als Außenseiter, ja als Gefährder der einheimischen Kultur. Und war als solcher verdammungswürdig. Das hat man mich schon als Kind unaufhörlich spüren lassen.“

1938 flieht er mit 16 Jahren allein über die Tschechoslowakei und Frankreich in die USA, um wenig später als GI zurück nach Deutschland zu kehren. Eine Erfahrung, die ihn nachhaltig prägte. „Wir hatten eine ganze Gruppe „Funkmäuse“, also Funkerinnen, gefangen genommen. Es war Weihnachten ‘44 . Sie sangen Weihnachtslieder in ihrer Scheune und ich stand da vor ihrer Tür, in amerikanischer Uniform, mit dem Gewehr auf der Schulter, und fühlte Heimat. Was soll man dazu sagen?“

Der Durchbruch als Journalist – „Auf einmal war ich anerkannt und deutscher Reporter“

Troller wird klar: Die deutsche Sprache ist seine Heimat. 1948 zieht er nach Paris, wo er heute noch lebt, und wird Journalist für die ARD und später für das ZDF. Der Durchbruch gelingt ihm mit dem „Pariser Journal“. Erfüllung findet der gebürtige Wiener ab 1971 mit der ZDF-Sendereihe „Personenbeschreibung“. „Ich war im Himmel! Ich konnte genau das machen, wozu ich ausersehen war, und die Leute mochten es. Die Sender weniger.“

„Ich habe meine Herkunft verleugnet“

19 seiner Angehörigen findet er auf einer Totenliste bei einem Dreh in Auschwitz. Troller selbst verheimlicht seine jüdische Herkunft bis in die 1970er-Jahre, läuft, wie er sagt „unter falscher Flagge“, „weil man wusste, dass das Publikum zum Teil noch immer antisemitisch eingestellt war. Und weil man in Gottes Namen so sein wollte, wie die anderen. Man wollte nicht ewig eine Sonderstellung genießen, die angeblich etwas Besseres ist, aber einen im Unterbewusstsein der Leute verachtenswert machte.“

Der Journalismus war für Georg Stefan Troller „Selbstrettung“. „Da die Leute mich immer fragen: Meine Neugier und so weiter. Ne! Letztlich ging es nur darum, dass ich für mich selbst Lebensberechtigung suchte, und die konnte ich in diesem intimen Umgang mit anderen Menschen finden.“

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Cordelia Marsch