Grenzenlos Kultur (Foto: Pressestelle, Camilla Greenwell)

Grenzenlos Kultur Festival in Mainz

Inklusives Theater wird immer sichtbarer – Keine Spur von „Behindertenbonus“

Stand
AUTOR/IN
Mareike Gries
Marerike Gries, Autorin und Moderatorin bei SWR Kultur (Foto: SWR)

Menschen mit und ohne Beeinträchtigung kommen seit 1997 in professionellen Theaterarbeiten bei „Grenzenlos Kultur“ in Mainz zusammen. In 25 Jahren hat sich viel getan – nicht nur bei den inklusiven Ensembles, sondern auch beim Publikum und im alltäglichen Theaterbetrieb. Theater wird insgesamt inklusiver, so die Erkenntnis.

Grenzenlos Kultur Festival (Foto: Pressestelle, Andi Weiland)
Das Berliner Theater RambaZamba gibt es seit 1990. Mit rund 100 Vorstellungen pro Jahr ist es eines der aktivsten inklusiven Theater im deutschsprachigen Raum.

Keine Sonderstellung, sondern Gleichbehandlung

„Einen Behindertenbonus gibt es bei uns nicht.“

Die Darsteller*innen mit und ohne Beeinträchtigung erwarten zum Beispiel professionelle Berichterstattung und korrekte Kritiken – wie alle anderen Kulturschaffenden auch.

Jonas Sippel, Schauspieler mit Down-Syndrom, im Gespräch bei SWR2:

Audio herunterladen (4 MB | MP3)

Das sei lange nicht selbstverständlich gewesen, sagt Festivalleiter Andreas Meder: „Wenn ein Theater wie das RambaZamba eingeladen wurde zum Festival des Politischen Theaters, dann wurde gleich ein Sonderpreis geschaffen, um sie auszeichnen zu können, aber gleichzeitig nicht die eigenen Regularien in Frage zu stellen.“

Theater wird insgesamt diverser

Mittlerweile sind Inszenierungen mit Menschen mit Beeinträchtigung mehr zur Normalität geworden. Im Ensemble des Theaters Reutlingen beispielsweise gibt es mehrere Darsteller*innen mit Behinderung.

Am Pfalztheater Kaiserslautern entstehen Tanz-Produktionen von und mit Hörbehinderten. Die rheinland-pfälzische Landesmusikakademie fördert ein inklusives Musizierensemble.

Die TanzKompanie in Esslingen bringt Tänzer*innen mit und ohne Beeinträchtigung zusammen. Die „tanzbar_bremen“ hat als deutschlandweit erste Kompanie Arbeitsplätze für ein inklusives Team geschaffen.

Grenzenlos Kultur Festival (Foto: Pressestelle, Daniela Buchholz)
Nicht nur im Schauspiel gibt es professionelle inklusive Ensembles, sondern auch im Tanz. Etwa bei der Kompanie „tanzbar_bremen“. Die Tänzer*innen werden dort ausgebildet und angestellt. Sie stehen nicht nur auf internationalen Bühnen, sondern geben ihr Wissen auch in Workshops weiter.

Grenzen verschwinden

Aber auch das klassische Theater habe sich weiterentwickelt, sagt Andreas Meder. Zum Beispiel dank der Arbeit von „Rimini Protokoll“. Die Performance-Gruppe hat es sich zur Aufgabe gemacht, so genannte Experten des Alltags auf die Bühne zu bringen, etwa Menschen mit Tourette-Syndrom.

Oder – wie in der aktuellen Inszenierung „Der kaukasische Kreidekreis“ – Darsteller*innen mit geistiger Beeinträchtigung. Solch ein Theaterabend locke laut Andreas Meder auch das durchschnittliche Abo-Publikum zu „Grenzenlos Kultur“.

Grenzenlos Kultur Festival (Foto: Pressestelle, Monika Rittershaus)
Für „Der Kaukasische Kreidekreis“ hat Regisseurin Helgard Haug mit dem Zürcher Theater HORA zusammengearbeitet. Es ist das einzige professionelle Theater der Schweiz, dessen Ensemblemitglieder eine geistige Beeinträchtigung haben.

Ähnlich ist es bei einer Inszenierung von Star-Regisseur Leander Haußmann. Er hat gemeinsam mit dem Berliner Theater RambaZamba „Einer flog übers Kuckucksnest“ erarbeitet.

„Bei diesen Inszenierungen ist mittlerweile auch das Publikum vielfältiger“, stellt Andreas Meder fest. Aufführungen ohne klangvolle Namen würden aber nach wie vor hauptsächlich von denjenigen besucht, die ohnehin Berührungspunkte mit beeinträchtigten Menschen haben.

Optimistischer Blick in die Zukunft

Mittlerweile können Menschen mit Beeinträchtigung in künstlerischen Berufen Geld verdienen. Dies war lange undenkbar.

Überflüssig gemacht, so der ursprüngliche Plan, habe sich ein Festival wie „Grenzenlos Kultur“ aber noch nicht, sagt Andreas Meder: „Inklusives Theater hat einen Eigenwert und sollte nicht einfach aufgehen in der großen Kulturlandschaft. Gleichzeitig wünsche ich mir, dass Inszenierungen mit behinderten Menschen noch selbstverständlicher werden.“

Audio herunterladen (3,6 MB | MP3)

Inklusives Theater habe eine ganz eigene Kraft, so Andreas Meder. Die müsse erhalten und noch weiter verbreitet werden.  

Tandem Gespräch Inklusionstheater seit 20 Jahren – Stefanie Lackner und Thorsten Decker von "D!e Sp!nner“

Bei den Sp!nnern aus Karlsruhe spielen Menschen mit Handicap zusammen mit professionellen Schauspielern Theater. Zum 20-jährigen Bestehen bringen sie 2023 das Stück „Dem Fußabdruck auf der Spur“ auf die Bühne.

SWR2 Tandem SWR2