Der 15-jährige Muhammad Al-Mula sitzt in der Nähe seines zerstörten Hauses, das durch das Erdbeben an der türkisch-syrischen Grenze zerstört wurde. Al-Mula wurde gerettet, nachdem er fast zehn Stunden lang unter den Trümmern des Gebäudes eingeschlossen war, in dem er mit seinen fünf Familienmitgliedern gelebt hatte. (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Medien_Nr. 396472309)

SWR1 Sonntagmorgen

Leben in Trümmern – humanitäre Hilfe wird dringend benötigt

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AUTOR/IN
Susanne Babila

Ein halbes Jahr nach den schweren Erdbeben im Südosten der Türkei und im Norden Syriens leiden Millionen Menschen unter großer Not. Der Wiederaufbau geht nur langsam voran.

Eines der stärksten dort je gemessenen Erdbeben hatte am 6. Februar Teile des Grenzgebietes zwischen der Türkei und Syrien erschüttert. Es folgten mehrere Nachbeben. Mehr als 57.000 Menschen verloren ihr Leben, 350.000 Gebäude wurden zerstört oder beschädigt. Knapp 18 Millionen Menschen in der Türkei und in Syrien sind direkt von den Auswirkungen betroffen.  

Schutt wird in der Altstadt, wo das Erdbeben vor fast sechs Monaten schwere Schäden anrichtete, weggeräumt. Notunterkünfte in der Hitze und Trümmerfelder – sechs Monate nach den Erdbeben in der Südosttürkei am 6. Februar leiden die Menschen noch immer unter den Folgen. (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Medien-Nr. 418812607)

Die Gesundheitsgefahr ist hoch in den Erdbebengebieten 

Viele harren in Zelten oder Containern aus. Andere hausen in "wilden Camps", weil keine der Zeltstädte in der Nähe sind und sie sich nicht von ihren Angehörigen oder ihrem Hab und Gut trennen wollen, das sich noch in den eingestürzten Wohngebäuden befindet. Es ist staubig, denn Baumaschinen und Bagger transportieren Schutt und Geröll ab. Hitze und Abwasserpfützen erhöhen die Gesundheitsgefahr. Infektionen und Krankheiten breiten sich aus. Menschen, mit Herz- und Kreislaufproblemen oder Lungenkrankheiten sind besonders betroffen.  

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Helfen mit nachhaltigen Projekten

Neben großen Organisationen wie "Malteser" oder "Caritas International" leistet auch ein kleiner Verein aus Reutlingen Hilfe. Markus Brandstetter ist Gründer des Vereins "Drei Musketiere" und setzt neben Nothilfe auf nachhaltige Projekte.   

"Ich bewundere die Menschen, die dort bleiben und sagen, wir werden unsere Dörfer wieder aufbauen. Trotz allem überwiegt Hoffnung und Mut." 

Markus Brandstetter war bereits eine Woche nach dem verheerenden Erdbeben mit einem sechsköpfigen Team vor Ort. Neben akuter Nothilfe setzt er auf nachhaltige Projektarbeit und hat für etwa 700 Kinder ein Schul- und Bildungsprojekt auf die Beine gestellt. Unterstützung bekommt Markus Brandstetter von ehrenamtlichen Lehrenden aus der Region.  Für Familien, die alles verloren haben, bietet Markus Brandstetter eine Starthilfe an. So sind ein kleines Friseurgeschäft, ein Copyshop, ein Schreibwarenladen und ein kleines Restaurant entstanden. Auch in Syrien konnten die "Drei Musketiere" mit Lebensmittelpaketen helfen. Doch es ist immer wieder schwierig die Grenze zu passieren. Er hoffe, vor dem Winter nicht nur in die Türkei, sondern auch  nach Syrien reisen zu können und bereitet sich schon jetzt auf die Einsätze vor. 

 

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"Es steht den Menschen ein strenger, furchtbarer Winter bevor und es leben immer noch zehntausende Menschen in Zelten. Das wird eine Herausforderung für alle, die dort leben, aber auch für die, die unterstützen."

Der spendenfinanzierte Verein besorgt Hilfsgüter vor Ort, um schnell, effizient und bedarfsgerecht zu unterstützen und die lokale Binnenkonjunktur anzukurbeln, so Brandstetter. Nach Schätzungen von Caritas international brauchen fünf Millionen Menschen dort humanitäre Hilfe. Neben Hilfsgütern und Unterstützung beim Wiederaufbau ist psychosoziale Hilfe immens wichtig, da viele Menschen traumatisiert sind. Das Hilfswerk "Handicap International" weist darauf hin, dass die Zahl von Menschen mit Behinderung in Reha-Zentren, die Therapien oder Prothesen benötigten, nach oben geschnellt sind.  

Ende des deutschen Sondervisaprogramms für Erdbebenopfer  

Das Sondervisaprogramm, das die Bundesregierung für türkische Erdbebenopfer auflegte, um die Zuflucht bei ihren Angehörigen in Deutschland zu ermöglichen, soll nicht über den 6. August verlängert werden. Es gebe einen starken Rückgang bei den Anträgen, so dass aus Sicht der Ministerien das reguläre Verfahren ausreiche, so das Auswärtige Amt in Berlin. Doch das bedeutet für die meisten Betroffenen eine Rückkehr in die Obdachlosigkeit. Angehörige in Deutschland suchen jetzt verzweifelt nach einer Lösung.   

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Der Standpunkt in unserer Sendung Nancy Faesers Pläne zur Abschiebehaft

Schärfere Regeln für die Abschiebung – damit hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser in dieser Woche eine Menge Diskussionen ausgelöst. Dabei ist noch überhaupt nichts beschlossen, es geht nur um ein "Diskussionspapier".

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Susanne Babila