Geruchsexperte Hanns Hatt

Wie Gerüche uns verführen und heilen

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Frank Jenschar
Frank Jenschar (Foto: SWR)
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Prof. Dr. Hanns Hatt ist Zellphysiologe und Geruchsexperte an der Ruhr-Universität Bochum. Schon lange beschäftigt er sich mit den unterschätzten Fähigkeiten der Nase und der Wichtigkeit des Geruchssinns.

Nun ist sein Buch "Die Lust am Duft. Wie Gerüche uns verführen und heilen" erschienen. Warum Riechen so wichtig ist und wie man es trainieren kann, erzählt er im SWR1 Interview.

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SWR1: Warum sind Riechen und Gerüche so wichtig?

Hanns Hatt: Sie wirken unbewusst auf uns und beeinflussen unsere Entscheidungen. In der Regel denken wir gar nicht daran, dass es vielleicht der Duft war, der uns dazu bewogen hat ein Produkt zu kaufen. Oder dass wir, wenn wir Brot riechen, plötzlich Hunger bekommen. Insofern haben wir Menschen eigentlich schon ein etwas gestörtes Verhältnis zu unserer Nase, weil sie uns auf der einen Seite unheimlich stark beeinflusst und direkten Zugang zu unserem Gehirn hat. Auf der anderen Seite wir aber wenig Aufmerksamkeit auf die Nase richten und uns damit vielleicht auch eines wichtigen Sinnes berauben, der für uns Menschen eine größere Rolle spielt als wir denken.

SWR1: Kann man sagen, dass die Nase mehr in uns weckt oder auch Emotionen freisetzt als zum Beispiel das Sehen, das Hören oder auch das Schmecken?

Hatt: Riechforscher würden natürlich sagen, die Nase ist mindestens so wichtig für Emotionen wie das Sehen und Hören. Unbewusst beeinflusst die Nase uns fast bei jeder Situation, denn mit jedem Atemzug riechen wir. Insofern ist die Nase wirklich von hoher Bedeutung, sie wird leider stark vernachlässigt.

SWR1: Und Gerüche können sogar heilen, sagen Sie. Was bedeutet das?

Hatt: Was wir vor einigen Jahren zum ersten Mal zeigen konnten ist, dass die Duftrezeptoren, die wir in der Nase haben, nicht nur dort in Riechzellen vorkommen, sondern dass diese Duftrezeptoren sich über den ganzen Körper ausgebreitet haben. Wir haben sie in allen Körperzellen gefunden, einige davon zumindestens. Was wir zeigen konnten ist, wenn man diese Duftrezeptoren in den Körperzellen, zum Beispiel in den Hautzellen oder im Darm oder im Herzen stimuliert, dass die dann die Funktion der Zellen beeinflussen und tatsächlich auf diese Weise auch Krankheiten heilen können.

Bei Hautzellen können wir zeigen, dass sie bei bestimmten Düften, wenn man sie stimuliert, die Wundheilung fast um 50 Prozent beschleunigen können, und das Haarwachstum verstärken können, sodass man wieder mehr Haare am Kopf hat. Beim Darm wissen wir schon lange, dass man wenn man Düfte "isst", die Verdauung verbessern kann.

Und selbst das Herz können wir inzwischen mit Düften schneller oder langsamer schlagen lassen, je nachdem, wie wir diese Duftrezeptoren im Herzen simulieren.

Das ist ein ganz neues Gebiet, das in der Medizin sicher in der Zukunft eine große Rolle spielen wird. Nur da stehen wir gerade am Anfang.

Frau im Gemüsegarten riecht an Kräutern (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance / PantherMedia | Fabrice Michaudeau)
Das Riechen sollte man trainieren, rät Geruchsexperte Hatt. Dafür eignet sich alles, was sich im Haus findet.

SWR1: Kann man seinen Geruchssinn eigentlich trainieren?

Hatt: Ja, man kann ihn nicht nur trainieren, man muss ihn trainieren. Also man weiß schon lange, dass die Menschen eigentlich von Natur aus mit den gleichen Sensoren ausgestattet sind. Manchmal riecht aber einer schlechter als der andere. Ein Parfümeur zum Beispiel trainiert jeden Tag ein, zwei Stunden riechen und deswegen kann er so gut riechen. Also eigentlich müssten wir, um gut riechen zu können, wie alles, was man im Leben gut können möchte, das Riechen täglich trainieren und möglichst auch intensiv trainieren, besonders im Alter.

Es ist wichtig, dieses Training zu machen. Denn der Geruchssinn lässt, wie alles andere, ein bisschen nach. Beim Sehen sind wir es gewohnt, eine Brille zu brauchen. Viele akzeptieren auch ein Hörgerät.

Die meisten denken nicht daran, dass auch das Riechen weniger wird und dafür gibt es keinen Ersatz.

Das kann man nur dadurch hinauszögern, indem man statt etwa Kreuzworträtsel zu machen fünf oder zehn Minuten Riechübungen macht. Es wurde wissenschaftlich gezeigt, dass man dann das Riechen im Alter deutlich länger erhalten kann. Es ist auch so, dass man das Essen in Zukunft natürlich länger und besser riechen, schmecken kann. Das hat also alles seinen Vorteil.

SWR1: An was sollte man dann riechen, wenn man es trainieren möchte?

Hatt: Man kann einfach beliebige Gegenstände im Haus nehmen. Man kann an den Kühlschrank gehen und vielleicht irgendein Gemüse nehmen, das einen Duft abgibt. Man kann ein paar Kräuter im Garten nehmen, oder man kann ins Badezimmer gehen und eine duftende Salbe nehmen. Wichtig ist nur, dass man die Augen zumacht, daran riecht und versucht, zu identifizieren – was ist denn das für ein Geruch? Kann ich erkennen was es ist? Damit kann man eben verschiedene Düfte trainieren.

SWR1: Haben Sie als Geruchsexperte eigentlich einen Lieblingsgeruch?

Hatt: Mein Lieblingsgeruch hat mit Kräutern zu tun, weil ich einfach die Kräuter im Garten liebe, wie Basilikum oder Rosmarin oder Salbei. Also wenn ich da mit den Händen darüberstreiche und dann an den Händen rieche, das finde ich immer wunderbar.

Das Gespräch führte SWR1 Moderator Frank Jenschar.

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