Halbleere Arzneimittelschubladen in den Apotheken, Ärzte, die immer wieder neue Rezepte ausstellen müssen, weil die ursprünglich verschriebenen Medikamente nicht lieferbar sind – und natürlich genervte Patienten. In einigen Apotheken sind etwa zehn Prozent der Medikamente meist nicht lieferbar – mal der Fiebersaft, mal ein Cholesterinsenker. Wir haben Hubertus Kranz im SWR1 Interview gefragt, woran das liegt. Er ist Geschäftsführer des Bundesverbandes der Arzneimittelhersteller (BAH).
SWR1: Herr Cranz, warum haben wir plötzlich diese Probleme?
Hubertus Cranz: Wir haben die Probleme seit einigen Jahren schon. Nur leider hat man bisher nicht mit ausreichender Intensität auf die Problematik geachtet. Und jetzt merken wir das durch eine Verengung im Markt, dass es durch immer weniger Hersteller und durch das extrem niedrige Preisniveau zu immer mehr Engpässen gekommen ist. Leider lässt sich das Problem nicht von einen Tag auf den anderen lösen. Aber wir müssen zusammen rangehen. Und die Sensibilität ist mittlerweile auch da, um zu Verbesserungen zu kommen.
SWR1: Im April hat der Bundestag ein Gesetz verabschiedet, das die Knappheit bei vielen Arzneimitteln bekämpfen sollte. Bei Apothekern und Ärzten heißt es, es sei noch kein Effekt spürbar. Woran liegt das?
Cranz: Das Gesetz geht grundsätzlich in die richtige Richtung. Aber bis die Maßnahmen greifen, dauert es ein Moment. Bis wir den gewünschten Effekt haben, muss man leider doch mit einigen Monaten rechnen.
SWR1: Jetzt heißt es, die Hersteller bekommen im Ausland mehr Geld und deshalb wird einfach dahin geliefert.
Cranz: Das ist zu einfach, das ist auch so nicht richtig. Die Hersteller wollen natürlich den Markt versorgen. Sie haben ja auch ein Interesse daran, das muss mal noch mal deutlich sagen.
SWR1: Warum gibt es dann im Ausland diese Probleme nicht? Warum bekomme ich in den Niederlanden beispielsweise Fiebersäfte, die ich hier nicht bekomme?
Cranz: Das sind Einzelfälle! Das kann man so generell nicht sagen. Die Problematik Lieferengpässe ist eine weltweite Problematik. Die haben Sie in USA genauso wie in anderen Teilen der Welt.
SWR1: Müsste mehr in der Europäischen Union produziert werden, dass wir hier zumindest diese Probleme nicht haben?
Cranz: Grundsätzlich sind wir dafür, dass in der Europäischen Union mehr produziert wird, das macht durchaus Sinn. Es ist erstmals ja auch Interesse da, diese Thematik wirklich anzugehen. Aber es ist eben ein Kraftakt, der nicht von heute auf morgen gleich zu diesem gewünschten Ergebnis führt.
SWR1: Sind die Strukturen bei uns falsch oder liegt es nur am Geld?
Cranz: Es sind schon die Strukturen. Aber es gibt eine Reihe von Verbesserungsmöglichkeiten, um auch flexibler auf gewisse Engpässe reagieren zu können. Wir haben eine ganze Reihe von Schwierigkeiten im regulatorischen Umfeld. Und hier ist wichtig, dass man das bei Arzneimitteln umsetzt, was man generell als Bürokratieabbau bezeichnet.
Das Gespräch führte SWR1 Moderator Michael Lueg.
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