Einsamkeit nach Corona

Kuscheltherapie gegen das Alleinsein

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Hanns Lohmann
Hanns Lohmann (Foto: SWR)
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Corona hat Spuren hinterlassen: Jeder vierte Erwachsene in Deutschland fühlt sich sehr einsam. Kuscheltherapeutin Elisa Meyer erzählt aus ihrem Berufsalltag.

Jeder vierte Erwachsene fühlt sich sehr einsam. Elisa Meyer ist Buchautorin, Bloggerin und eine sogenannte Kuscheltherapeutin. Zu ihr kommen Menschen, die Berührung suchen und einmal im Arm gehalten werden möchten. Dabei geht es ausdrücklich nicht um Erotik, wie uns Elisa Meyer im SWR1 Interview erzählt.

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SWR1: Frau Meyer, wie läuft so eine Kuschelzeit bei Ihnen ab?

Elisa Meyer: Man bucht sich einen Termin, und wir setzen uns erst mal gemütlich hin und besprechen, worum es geht, was der Wunsch ist und wie die Regeln aussehen. Wenn alles klar ist, geht es zur Couch oder zur Kuschel-Gelegenheit. Dort fangen wir langsam an, vielleicht mit Handhalten und ein bisschen plaudern. Und dann beginnen wir mit einer ersten Kuschelposition, wie Anlehnen oder Löffelchen. Das geht die Stunde lang, solange man Lust hat – und dann klingelt der Wecker.

Alle Altersgruppen kommen zu mir, 18-Jährige, aber auch 90-Jährige mögen kuscheln.

SWR1: Wer kommt zu Ihnen? Sind es alte oder junge Menschen, sind es Frauen oder Männer?

Meyer: Alle Altersgruppen kommen zu mir, 18-Jährige, aber auch 90-Jährige mögen kuscheln. Das, was diese Menschen gemeinsam haben, ist die Einsamkeit, dass sie niemanden zum Reden und auch zum Kuscheln haben. Das kann auch die erfolgreiche Geschäftsfrau, der Arzt oder auch ein Student sein. Da ist alles dabei.

SWR1: Wie wird man Kuscheltherapeutin? Was haben Sie für eine Ausbildung gemacht?

Meyer: Ich habe vor sieben Jahren zwei Fernausbildungen in den USA und in England gemacht, weil dort die Kuscheltherapie erfunden worden ist. Dort wurde ich erst einmal ein bisschen auf den Job vorbereitet und seitdem bietet ich auch selbst die Ausbildung in Europa an.

Corona hat Einsamkeit verstärkt und bewusster gemacht

SWR1: Bezahlen, um zu Kuscheln – das macht auch schon ein Stück weit betroffen. Wie einsam sind die Leute in Deutschland?

Meyer: Ich würde sagen, dass die Menschen durch Corona besonders in Deutschland noch mal ein Stück einsamer geworden sind. Und sie sind sich ihrer Einsamkeit auch bewusster geworden. Denn vorher konnte man sich sehr gut ablenken, ins Kino gehen, ausgehen. Aber in Corona-Zeiten haben sich die Leute gefragt: Mit wem kann ich eigentlich tiefgründige Gespräche führen? Von wem bekomme ich eine Umarmung? Da sind schon sehr viele Menschen davon betroffen. Ich habe jetzt definitiv viel mehr Kunden als am Anfang.

SWR1: Sprechen denn die Menschen ganz offen darüber, warum sie zu Ihnen kommen?

Meyer: Ja, das ist sozusagen die Voraussetzung, dass Menschen erst einmal offen erzählen, warum sie überhaupt zu mir kommen. Manche überlegen wochenlang, ob sie denn zum Kuscheln kommen wollen und überwinden sich dann. Das ist immer der erste Schritt in die richtige Richtung. Bis wir dann zusammen so weit kommen, dass sie sich ein eigenes soziales Netz aufbauen können, weil sie sich wieder wohler fühlen in ihrer Haut.

SWR1: Erotik ist von vornherein ausgeschlossen. Halten sich alle Klienten daran?

Meyer: Ja, also wir schon vom Aufbau her sehr streng: Das heißt, man muss erst mal via E-Mail erklären, warum man überhaupt zum Kuscheln kommen will. Dann muss man zwei Seiten mit Regeln durchlesen und sich einverstanden erklären. Und beim Vorgespräch wird das noch mal betont. Dass jemand trotzdem in die Tabuzone greift, kommt sehr selten vor. Also eigentlich gar nicht.

SWR1: Was kostet so eine Kuschelstunde?

Meyer: Bei uns kann man für 70 Euro pro Stunde kuscheln.

Das Gespräch führte SWR1 Moderator Frank Jenschar.

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