Frauennotruf und weitere Hilfsangebote

Hilfe bei Gewalt gegen Frauen

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Hanns Lohmann
Hanns Lohmann

Frauen, die zuhause oder in der Öffentlichkeit Gewalt erleben, können sich an den Frauennotruf wenden. Wie die Hilfe dort abläuft, weiß Jacqueline Bröhl vom Frauennotruf Koblenz.

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SWR1: Hat sexualisierte Gewalt in letzter Zeit zugenommen?

Jacqueline Bröhl: Das glaube ich nicht. Ich glaube, dass das schon immer sehr verbreitet war. Die Tatsache, dass jetzt in der Öffentlichkeit darüber gesprochen wird, führt dazu, dass auch immer mehr Betroffene darüber sprechen. Und es gibt ein anderes Bewusstsein darüber, dass es ein Unrecht ist, was da geschieht. Ich glaube, es ist öffentlicher, nicht mehr, geworden.

Die Tatsache, dass jetzt in der Öffentlichkeit darüber gesprochen wird, führt dazu, dass auch immer mehr Betroffene darüber sprechen.

SWR1: Zum "öffentlicher werden"– auch nach den mutmaßlichen Rammstein-Vorfällen – die Frage klingt fast ein bisschen zynisch: Aber hilft das Ihrer Arbeit, wenn die Gesellschaft sich insgesamt mehr damit beschäftigt?

Bröhl: Auf jeden Fall. Öffentlichkeitsarbeit ist auch einer unserer Schwerpunkte. Den Betroffenen tut es gut, wenn sie merken, dass es Rückhalt in der Gesellschaft gibt. Es gibt auch immer eine Gegenbewegung, immer auch Menschen, die sich auf Seiten der Täter stellen oder bagatellisieren.

Das ist ja immer das, was Opfern von sexualisierter Gewalt passiert. Es wird infrage gestellt, ob das wirklich so war. Aber es gibt auch immer eine große Solidarität und damit verbunden Informationen, wo sich Frauen Unterstützung holen können. Und das ist auf jeden Fall das Gute, was daran passiert.

Frauennotruf: So bekommen Sie Hilfe

SWR1: Wie läuft Ihre Hilfe ganz konkret ab, wenn sich eine Frau bei Ihnen meldet?

Bröhl: Hier können sich Frauen erst mal orientieren. Sie können ein unverbindliches Gespräch bekommen, entweder persönlich, telefonisch, als Videoberatung oder eine Online-Beratung. Wir gucken zusammen, was hat die Frau erlebt, worüber möchte sie sprechen? Oft ist es so, dass Frauen einfach Informationen brauchen. Es tut ihnen gut, eine Anwältin oder Nebenklagevertretung zu bekommen. Oder eine Vermittlung zur Psychotherapie oder einfach jemand, der zuhört und sagt: "Ja, das war nicht rechtens, was da passiert ist."

Und dann ist in jedem einzelnen Fall zu schauen, ob jemand längerfristig hier beraten werden möchte, ob jemand Stabilisierung benötigt, weil zum Beispiel ein Gerichtsverfahren anhängig ist. Das dauert lange und da ist es gut, wenn über den Zeitraum auch eine psychische Unterstützung, eine Rückenstärkung da ist, weil das Verfahren sehr belastend ist.

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Aber ich glaube, dass es für die Frauen, die hier hinkommen, auch wichtig ist, dass sie uns als eine Einrichtung erkennen, die für die Rechte von Frauen kämpft. Es macht einen Unterschied zu anderen Beratungsstellen, dass wir auch Öffentlichkeitsarbeit machen und uns ganz klar öffentlich positionieren.

Frauennotruf: Kampf für die Rechte von Frauen

SWR1: Welche Rechte meinen Sie genau, die mutmaßlich woanders nicht so wahrgenommen werden, wie Sie sich das wünschen?

Bröhl: Ich meine das gar nicht abwertend anderen Beratungsstellen oder Psychotherapeutin gegenüber. Das ist alles total wichtig. Wir haben die Grundannahme, dass sexualisierte Gewalt im gesellschaftlichen Kontext passiert. Und dass es kein Zufall ist, wenn eine Frau hier hinkommt. Man kann das als Einzelschicksal sehen. Aber sie hat immer wieder sexuelle Übergriffe erlebt, schon als Kind. Und da ist es bestimmt gut und heilsam, da einfach nur auf die Frau einzugehen.

Aber ganz viele Frauen denken: "ich bin die einzige" oder "ich muss mich schämen", und das machen wir öffentlich. Wir gehen über diese einzelne Rückenstärkung und Beratung hinaus und gehen auch in die Öffentlichkeit. Wir sorgen dafür, dass sich zum Beispiel die Rechtslage verbessert, wir vernetzen uns mit Nebenklagevertreterinnen und machen Öffentlichkeitsarbeit.

SWR1: Was muss sich aus Ihrer Sicht an der Rechtslage ändern oder – ganz allgemein gefragt – was sollte die Gesellschaft aus dem lernen, was Sie Tag für Tag mit vergewaltigten Frauen erarbeiten müssen?

Bröhl: Wenn so ein eklatanter Fall in die Öffentlichkeit kommt, dann werden oft Schutzräume für Frauen und Präventionsmaßnahmen gefordert, sodass Frauen sich besser schützen oder verteidigen können.

Gewalt gegen Frauen: Männer in den Blick nehmen

Unserer Ansicht nach ist es wichtig, auch in den Blick zu nehmen, welche Verantwortung die Männer dafür haben. Gewalt gegen Frauen ist für viele Männer okay. Wir müssen die Botschaft nicht nur an die betroffenen Frauen richten, sondern Männer dazu auffordern ihr Verhalten zu hinterfragen und überdenken. Eine andere Kultur des Miteinanders zwischen Männer und Frauen, das ist glaube ich das, was wir erreichen wollen, ohne pauschal zu verurteilen.

Einfach einen Bewusstmachungsprozess in der Gesellschaft zu etablieren. Dass Männer ein Gespür haben, möchte die Frau von mir angeguckt werden, möchte die Frau, dass ich mit ihr flirte? Und dass sie auf Signale warten – was viele Männer wahrnehmen, viele aber auch nicht.

Wann ist deutlich, dass die Frau nicht möchte? Und dass ich das auch akzeptieren muss und ich nicht das Recht habe, mir zu nehmen, was ich will, egal ob die Frau zum Beispiel betrunken ist oder nicht.

Das Interview führte SWR1 Moderator Hanns Lohmann.

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