Dauerbelastung für die Polizei

Polizeigewerkschaft: "Wir haben von 8- auf 12-Stunden-Tage umgestellt"

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MODERATOR/IN
Claudia Deeg
Claudia Deeg (Foto: SWR)
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SWR1

Durch die vergangenen Bauern-Proteste gab es viel zu tun für die Polizei in Rheinland-Pfalz – Straßen sperren, Traktor-Kolonnen absichern und vieles mehr.

Dabei leidet die Polizei schon lange unter Personalmangel. Darüber haben wir mit Patrick Müller gesprochen. Er ist der stellvertretende Rheinland-Pfalz-Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft. 

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SWR1: Wir hören von Frust bei einigen Polizistinnen und Polizisten, weil sich für sie durch die Protestaktionen ständig der Dienstplan geändert hat. Was können Sie uns sagen: Wie groß ist der Ärger?

Patrick Müller: Der Ärger innerhalb der Polizei, was zusätzliche Sondereinsätze angeht, steigt immer mehr. Das liegt jetzt nicht unbedingt nur an den Bauern, sondern generell an der Personalsituation. Es ist viel los!. Durch den Nahost-Konflikt müssen die Synagogen und jüdische Einrichtungen beschützt werden. Dazu kommen immer wieder Demos. Das geht schon an die Substanz.

Polizisten kesseln eine Gruppe von Demonstranten bei einer Eritrea-Veranstaltung in Stuttgart ein (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Jason Tschepljakow)
Aufgrund der vielen Demonstrationen und Veranstaltungen stehen die Polizisten und Polizistinnen unter Druck

SWR1: Und dazu kommt das normale Geschäft, wie Fußball-Bundesliga, Wochenende und vieles mehr. Jetzt war es vor den Bauernprotesten so, dass die Polizeigewerkschaften vor einer Überlastung der Einsatzkräfte gewarnt haben. Können Sie vielleicht schon ein Fazit ziehen für Rheinland-Pfalz?

Müller: Am 8. Januar, als die ersten Großdemos waren, wurde fast auf allen Dienststellen in Rheinland-Pfalz auf zwölf Stunden umgestellt. Das heißt die Kolleginnen und Kollegen haben nicht wie normal acht Stunden am Stück gearbeitet, sondern zwölf Stunden, damit eine Schicht freigesetzt wurde, die die Einsetzung übernommen hat. Und dazu wurden natürlich noch Mitarbeiter "aus dem Frei" geholt.

SWR1: Das heißt, der Personalmangel bleibt ein Dauerthema. Und jetzt steht Fastnacht Karneval an. Rosenmontag gibt es für die Polizistinnen und Polizisten eine Urlaubssperre, dazu wieder Zwölf-Stunden-Schichten. Sie sagen, das müsste so nicht sein?

Müller: Der ursprüngliche Plan war ja "gesünder arbeiten bei der Polizei", dass auch bei Sondereinsätzen Zwölf-Stunden-Dienste eigentlich verpönt sein sollen. Jetzt haben wir Rosenmontag in Mainz und das Polizeipräsidium Mainz hat eine Urlaubssperre für diese Zeit erlassen. Der fällt ja nicht vom Himmel, das ist ein planbarer Einsatz. Das heißt, irgendwo fehlt Personal. Das Gleiche gilt ja auch in Bad Kreuznach für den Jahrmarkt: Der fällt nicht vom Himmel. Das sind immer fünf Tage im August, an denen der stattfindet. Und trotzdem müssen wir die fünf Tage auf Zwölf-Stunden-Dienste umstellen.

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SWR1: Damit sind wir dann bei dem Thema Work-Life-Balance, denn das scheint ja einige davon abzuhalten, überhaupt in diesen Job zu gehen.

Müller: Ja, die Bewerberzahlen gehen immer weiter zurück. Wir hatten 2018 4.044 Bewerbungen. Und im Jahr 2023 haben sich noch 2.439 junge Menschen bei der rheinland-pfälzischen Polizei beworben. Das ist ein Rückgang um 1.605 Bewerbungen also um fast 40 Prozent.

SWR1: Und es scheiden Menschen aus dem Dienst aus. Sie haben nach wie vor ein Problem. Was braucht es denn, damit die Personalsituation wieder besser wird?

Müller: Wir brauchen Werbung im Internet, wir müssen den Beruf attraktiver machen. Die Bezahlung müsste mal wieder attraktiver werden. Allein die Schichtzulagen wurden seit Jahren nicht mehr erhöht. Dann die Polizeizulage ist seit über 20 Jahren nicht mehr erhöht worden. Inflationsbereinigt müsste die inzwischen bei über 200 Euro legen. Ich muss den jungen Menschen halt auch was bieten.

SWR1: Das klingt so, als würden demnächst auch die Polizistinnen und Polizisten auf die Straße gehen.

Müller: Wenn wir keine Beamten wären, glaube ich, wäre die Streikbereitschaft im Moment hoch.

Das Gespräch führte SWR1 Moderatorin Claudia Deeg.

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