Auch auf Molekülebene gibt es so etwas wie Parasiten. In unserer DNA beispielsweise findet man Abschnitte, die nichts weiter tun, als sich selbst auf Kosten der Zelle zu vermehren. Dazu zählen auch die sogenannten Transposons. Ein Transposon ist ein DNA-Abschnitt im Genom, der seine Position im Genom verändern kann.
Diese parasitären DNA-Abschnitte spielen eine wichtige Rolle bei unserer Evolution. Nach Schätzungen machen sie mehr als 50 Prozent unseres Genoms aus. Wenn man uns Menschen aus ihrer Warte betrachtet, könnte man sie deshalb fast für die eigentlichen Hauptakteure in unseren Zellen halten.
DNA-Transpsons: Line-1 und Alu
Oliver Weichenrieder untersucht zwei spezielle Transposons in unserer DNA: Line-1 und Alu. Die beiden können sich nicht nur von unseren Zellen kopieren, sondern auch an immer wieder neue Stellen in unserem DNA-Strang einbauen lassen. Dabei waren sie so erfolgreich, dass sie inzwischen an etwa 1,6 Millionen Stellen in unserem Erbgut vorkommen. Würde man allein alle Alu-Sequenzen eines Menschen hintereinander reihen, könnte man damit 20 Mal die Strecke bis zur Sonne abdecken.
Wie sind die Transposons in die Zellen gekommen?
Weichenrieder und andere gehen davon aus, dass die Transponsons sich durch Zufall aus unserem eigenen Erbgut heraus entwickelt haben. Beim Alu-Transposon kann man sogar nachvollziehen, wie es dazu kam. "Da hatte ein Gen, das normal in der Protein-Sortierung eine Rolle spielt, mehr oder weniger einen Unfall", sagt Weichenrieder. "Dabei wurde ein Stück von diesem Gen sozusagen kopiert und hat eine Eigenschaft angenommen, also sich kombiniert mit anderen Stückchen, was dazu führt, dass es sich im Genom selber vermehren kann."
Wie Transposons ihr Weiterleben sichern
Ist die egoistische DNA einmal da, geht sie nicht mehr so leicht weg – denn sie vermehrt sich ja selbst. Trotzdem merken wir Menschen davon zunächst einmal nichts. Denn ein großer Teil der Neu-Einbauten findet in Bereiche des Erbguts statt, in denen keine wichtigen Informationen gespeichert sind.
Doch in einer Lebensphase werden die Transposons besonders aktiv und können dann auch Schaden anrichten. "Es ist so, dass Transposons nicht aus Zellen raus können. Das heißt, wenn sie überleben wollen, müssen sie in den Nachkommen des Wirtes vorhanden sein", sagt Weichenrieder. Das sei aber nur möglich, wenn sie in die Ei- und Samenzellen springen. Dadurch erhielten sämtliche einzelne Zellen der Nachkommen diese Insertion.
Transposons in Embryos
In den ersten Wochen des Lebens nimmt die Aktivität der Transposons deutlich zu. Denn jeder Neu-Einbau, der ihnen in dieser Zeit gelingt, betrifft alle Zellen des zukünftigen Kindes. Für den Embryo kann das schwerwiegende Folgen haben. Wenn der Sprung nämlich in den essentiellen Genen des Embryos stattfinde, dann komme es zu einem Abort und der Embryo überlebe nicht.
Transposons tragen dazu bei, dass viele Embryos die ersten Wochen des Lebens nicht überstehen. Doch manchmal klappt der Einbau, ohne dass der Embryo Schaden nimmt. In diesem Fall kann das sogar positiv sein, weil Veränderung wichtig ist. Durch den Einbau kann die Funktionsweise eines Gens zum Beispiel so modifiziert werden, dass es besser zu den Anforderungen in der Zelle passt.
Transposons können positive Effekte erzielen
Noch größer sind die Effekte, wenn die Transposons in Teile der DNA eingebaut werden, die regulieren, wie sie benutzt wird. Wird hier etwas verändert, kann das sehr komplexe Auswirkungen haben. Fast so, als würde jemand die genetischen Karten, die ein Lebewesen besitzt, einmal kräftig durchmischen. Das sei eine Art Neu-Vernetzung der Regulation und in solchen Fällen sei es sehr gut möglich, dass das zu selektierbaren Vorteilen führe und dann positiv sei.
Transposons in Pflanzen
Besonders auf lange Sicht ist es wichtig, dass Lebewesen neue Eigenschaften entwickeln. Denn die Welt verändert sich ständig. Daran müssen wir uns anpassen. Neue Eigenschaften können auch entstehen, wenn unser Erbgut bei der Zellteilung falsch kopiert wird. Diese Fehler sind aber sehr punktuell und führen nur zu kleinen Veränderungen.
Transposons können unser Erbgut in viel größerem Maßstab durchmischen. Diesen Mechanismus scheint die Natur regelrecht aktiv auszunutzen. "Was super interessant ist, ist dass Umweltbedingungen auch beeinflussen können, wie stark die Transpositions-Rate ist", so Weichenrieder. Bei der Ackerschmalwand sei beispielsweise ein Transposon bekannt, das unter Hitzestress häufiger springe, und dass die Transposition dann auch in Gene hinein stattfinde, die Stress-Toleranz begünstigen, sodass die Pflanze dann besser mit dem Stress umgehen könne.
Transposons treiben die Weiterentwicklung einer Art voran
Die Transposons sind in diesem Fall viel mehr als nur Parasiten. Was für die Ackerschmalwand gilt, gilt auch für uns: Langfristig betrachtet können die Transposons durch ihre Veränderungen der DNA die Weiterentwicklung einer Art vorantreiben. Obwohl sie auf den ersten Blick als reine Schädlinge erscheinen, könnten sie so im Gesamtkonzert des Lebens auf unserem Planeten durchaus eine tragende Rolle spielen.