Tiefseebergbau (Foto: IMAGO, imago)

Meeresschutz

Tiefsee-Bergbau verursacht langfristige Schäden

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Anja Braun
Anja Braun, Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell. (Foto: SWR, Christian Koch)
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Lena Schmidt

In Kürze wollen mehrere Unternehmen Bergbauprojekte in der Tiefsee starten, um Rohstoffe für Batterien zu fördern. Doch das Vorhaben stößt auch auf Kritik.

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Noch kein Regelwerk für Tiefsee-Bergbau

Das Interesse am Abbau von Metallen in der Tiefsee ist groß und bald wollen einige Unternehmen Bergbauvorhaben starten – doch die Regeln dafür fehlen bislang. Deshalb tagt zurzeit die Internationale Meeresbodenbehörde- International Seabed Authority – kurz ISA – in Jamaica.

Bis zum 9. Juli 2023 muss die ISA ein Regelwerk für den Tiefsee-Bergbau vorlegen, sonst können interessierte Unternehmen den Abbau auch abseits gesetzlicher Regelungen beantragen.

 Abbau von Manganknollen umstritten

Besonders begehrt sind Manganknollen. Die Unternehmen argumentierten, dass die in den Knollen enthaltenen Metalle helfen könnten, den steigenden Rohstoffbedarf für die Energiewende zu decken. Forschende warnen jedoch, dass der Tiefsee-Bergbau große – und wenig erforschte – Risiken für die Ökosysteme am Meeresboden bedeutet.

Dr. Matthias Haeckel, Meeresbiologe am GEOMAR Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung in Kiel, prognostiziert düstere Folgen für den Tiefsee-Bergbau. Der Abbau der Knollen werde die Ökosysteme der Tiefsee in nicht absehbarem Ausmaß zerstören und die Veränderungen würden voraussichtlich Millionen Jahre anhalten. Das Problem: Bei einem Abbau in der Tiefsee wird die gesamte belebte Zone des Meeresbodens zusammen mit den kartoffelförmigen Manganknollen abgetragen, die Maschinen funktionieren wie große Staubsauger. 

Das heißt, alle Organismen, Bakterien und höhere Organismen, die in und auf dem Sediment und auf den Knollen leben, werden komplett eingesaugt. Dann fliegen diese Knollen gegen ein Metallgitter. Das Sediment geht zum Großteil da durch. Die Knollen würden dann mit einem Förderbandsystem nach oben transportiert zu einer Plattform, die an der Meeresbodenoberfläche ist.

Damit sich der Abbau in vier bis fünf Kilometern Tiefe lohnt, müssten etwa zwei bis drei Millionen Tonnen Knollen pro Jahr und Abbau-Operation geerntet werden. Das bedeutet 200 bis 300 Quadratkilometer Fläche, die dann komplett abgetragen werden, weil dort die Manganknollen dicht an dicht liegen.

Lebensraum vieler Arten gefährdet

Die Entnahme der Manganknollen zerstört so ein sehr artenreiches Tiefsee-Ökosystem, erklärt Ozeanforscherin Dr. Sabine Gollner, die in den Niederlanden zur Biodiversität in Ozeanen forscht. Auf den Knollen wachsen Schwämme und Korallen, die wiederum etlichen anderen Tieren Lebensraum bieten – einige davon sind noch unentdeckt.

Die allermeisten Arten kennen wir noch nicht. (...) Hier gehen die Zahlen ein bisschen auseinander, aber ungefähr 90 Prozent der Arten sind wahrscheinlich noch nicht bekannt in dem Gebiet.

Mit den Manganknollen verschwinden auch die auf ihnen und von ihnen lebende Arten möglicherweise für Millionen Jahre, so Gollner. Denn Manganknollen entstehen extrem langsam aus Ablagerungen – in einer Million Jahre werden sie gerade mal wenige Millimeter dicker.

Das Bild zeigt Manganknollen. (Foto: IMAGO, imago)
Manganknollen bestehen aus seltenen Erden wie Mangan und Kobalt. Die Metalle könnten in Batterien verbaut werden. Doch der Abbau dieser Knollen schädigt die Umwelt.

Auswirkungen des Tiefseebergbaus unklar

Und welche Rolle die Knollen im weitgehend unbekannten Ökosystem der Tiefsee spielen, ist immer noch unklar. Deshalb warnt auch Matthias Haeckel, dass gar nicht klar ist, wie groß die Auswirkungen des Tiefsee-Bergbaus tatsächlich sein könnten. Wir reden auf jeden Fall über langfristige Schädigung, erklärt Haeckel.

Viel länger, als das bei Landökosystemen der Fall ist, die man auch wieder aufforsten kann und nach 20, 30 Jahren haben wir wieder im Regenwald ein neues Ökosystem. So wird es in der Tiefsee nicht sein. Das sind auf jeden Fall viele Jahrhunderte bis Jahrtausende, die das dauern wird.

 Knollen enthalten seltene Erden

Auf der anderen Seite des Meeresschutzes steht das Argument der Abbaufirmen: Die Metalle, die in den Manganknollen am Meeresboden enthalten sind, seien dringend nötig um den wachsenden Bedarf an Batterien zu decken.

Tatsächlich enthalten die Manganknollen seltene Erden, Lithium, Mangan, Kobalt und viele weitere Elemente. Die meisten – wie auch Lithium – liegen aber nur in geringen Konzentrationen vor. Nur die Gewinnung von Kupfer, Kobalt, Mangan und Nickel lohnt sich. Andreas Manhart vom Ökoinstitut Freiburg, hat das in einer Studie umfassend untersucht und schlussfolgert: Nur Kobalt und Mangan könnten den Weltmarkt spürbar entlasten.

Einer der beiden Rohstoffe, Mangan: Ja, der wird in Lithium-Ionen-Batterien verbaut, aber mit absolut größtem Anteil wird Mangan in der Stahlproduktion eingesetzt. Also nur 0,2 Prozent der heutigen Mangan-Förderung geht in die Lithium-Ionen-Batterien. Selbst wenn wir hundertmal so viel Batterien in Zukunft bauen würden, würde das der Welt-Mangan-Markt gar nicht merken.

Laut Manhart lohne sich mengenmäßig abgesehen vom Mangan nur die Tiefsee-Förderung von Kobalt. Das Metall werde ebenfalls in Lithium-Ionen-Batterien verbaut. Doch da sehe man in den letzten Jahren einen ganz klaren Trend weg vom Kobalt.

Folglich sei der Tiefseebergbau nicht notwendig, um die Energiewende voranzutreiben – so Manhart. Allerdings räumt er ein, dass es schwierig ist, die Rohstoffnachfrage für die nächsten Jahrzehnte vorherzusagen, denn es komme darauf an, welches Szenario man zugrunde legt.

Manganknollen auf dem Meeresboden. (Foto: IMAGO, imago)
Beim Abbau von Manganknollen wird auch der gesamte Meeresboden in dem Gebiet und alle dort lebenden Arten aufgewirbelt. Wie groß die Schäden sind, die entstehen, ist noch unklar.

Detailfragen bleiben offen

Die Wissenschaft kann bis zur Entscheidung der ISA im Juli 2023 noch keine Detailfragen klären. Zum Beispiel wie groß eine Abbaufläche sein darf und wo Schutzzonen eingerichtet werden sollen. Deshalb hoffen Forscherinnen und Forscher, dass mit zunehmendem Wissen über das Ökosystem und die Schädigung durch den Tiefseebergbau die Regeln in Zukunft angepasst werden. 

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