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Altersforschung

Rente mit 70? - So fit sind wir noch im Alter

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Anja Braun
Anja Braun, Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell. (Foto: SWR, Christian Koch)
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Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Wissen. (Foto: SWR, Christian Koch)

Die Diskussion um die Rente mit 70 flammt immer wieder auf. Doch wie leistungsfähig und beruflich einsatzfähig sind wir wirklich in diesem Alter?

Laut OECD-Berechnungen kommen in Deutschland auf 100 Beitragszahler 37 Rentner. Diese Zahl wird kontinuierlich steigen auf voraussichtlich 58 im Jahr 2050. Gleichzeitig ist die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland in den letzten 50 Jahren deutlich gestiegen und die Seniorinnen und Senioren sind heute unbestreitbar fitter als Personen gleichen Alters vor Jahrzehnten. Diese allgemein bessere Fitness lässt natürlich den Schluss zu, dass die jungen Alten auch leistungsfähiger – und so die Hoffnung der Politik – auch beruflich länger einsatzfähig sind. Doch ist das wirklich so?

Persönlicher Lebensweg wichtiger Faktor für Fitness im Alter

Tatsächlich zeichnen Expertinnen und Experten ein positives Bild der sogenannten jungen Alten – also der Gruppe von Menschen, die heute zwischen 60 und 70 Jahre alt sind. Die Frage, ob diese Altersgruppe im Berufsleben noch voll einsatzfähig ist, kann allerdings nicht pauschal beantwortet werden. Denn es kommt neben der Art der beruflichen Tätigkeit auch ganz stark darauf an, was die Person mitbringt – also wie der bisherige Lebensweg war/ verlaufen ist.

Ältere Frau arbeitet an Laptop. (Foto: IMAGO, IMAGO/ Westend 61)
Seniorinnen und Senioren sind heute fitter als es Personen gleichen Alters noch vor Jahrzehnten waren.

Längerer Bildungsweg sorgt für bessere kognitive Fähigkeiten im Alter

Wenn es um die geistigen Fähigkeiten geht, dann ist es in der Regel so, dass Menschen, die einen längeren Bildungsweg hatten, in der Regel auch mehr kognitive Fähigkeiten erworben haben. Das erweist sich als Vorteil, denn bei ihnen bleiben trotz altersbedingter Veränderungen mehr kognitive Fähigkeiten bestehen. Sagt Susanne Wurm, die an der Uni Greifswald zum Thema Gesund Älterwerden forscht.

Das sind die Unterschiede zwischen fluider und kristalliner Intelligenz

Dabei gibt es tatsächlich einige kognitiven Fähigkeiten, wie zum Beispiel die Reaktionsgeschwindigkeit und das Erinnerungsvermögen, die bereits bei jüngeren Erwachsenen schon wieder abnehmen. Wer je Memory mit Kindern gespielt hat, kennt das Phänomen. Dafür nehmen andere Fähigkeiten, wie beispielsweise der Wortschatz, im Erwachsenenalter weiter zu, oftmals über das Alter von 60 Jahren hinaus. Die psychologische Forschung spricht hier von der fluiden und der kristallinen Intelligenz. Fluide Intelligenz ist wichtig für die Bewältigung neuartiger Probleme, kristalline Intelligenz beschreibt die erfahrungsgebundene Intelligenz.

Großvater erklärt seinem Enkel ein Kreuzworträtsel. (Foto: IMAGO, IMAGO/ Cavan Images)
Die Reaktionsgeschwindigkeit und das Erinnerungsvermögen sind bei Kindern am besten. Andere Fähigkeiten wie der Wortschatz nehmen im fortschreitenden Alter immer weiter zu.

Lebenslanges Lernen verschiebt Alterungsprozess nach hinten

Im Laufe des Lebens verschiebt sich die fluide hin zur kristallinen Intelligenz. Während die Leistungsfähigkeit in der fluiden Intelligenz zurück geht, kann die kristalline Intelligenz im Laufe des Lebens durch verschiedene Lernprozesse immer weiter zulegen. Lebenslanges Lernen wird für alle Berufsgruppen immer wichtiger, sagt Clemens Tesch-Römer vom Deutschen Zentrum für Altersfragen – vor allem wenn es um die Verschiebung der Renten-Altersgrenze nach hinten geht.

Ziele sollten altersgerecht und auch realisierbar sein

Wichtig ist aber auch, ob ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wirksame Strategien nutzen, um altersbedingte Einbußen zu kompensieren. Das gelingt nämlich sehr vielen jungen Alten sehr gut – im Alltag wie auch im Beruf – erklärt Altersforscherin Susanne Wurm. Es geht vor allem darum, sich auf realisierbare Ziele zu konzentrieren, die eigenen Ressourcen für genau diese Ziele einzusetzen und Wege zu finden, um Hürden auf dem Weg zum Ziel zu überwinden.

Körperliches Training hilft

Unsere körperliche Leistungsfähigkeit erreicht zwischen 20 und 25 Jahren ihren Höhepunkt und bereits ab 40 Jahren nimmt unsere Muskelmasse schon wieder ab. Doch auch hier kommt es darauf an, welche Voraussetzungen eine Person mitbringt. Ist sie körperlich gut trainiert, kann sie die Einschränkungen des Älterwerdens besser kompensieren.

Durch körperliches Training können Senior*innen die Einschränkungen des Älterwerdens besser kompensieren. (Foto: IMAGO, IMAGO/ Westend 61)
Durch körperliches Training können Seniorinnen und Senioren die Einschränkungen des Älterwerdens besser kompensieren.

Körperliche Einsatzfähigkeit im Alter auch abhängig vom Beruf

Natürlich kommt es bei der körperlichen Einsatzfähigkeit auch auf den Beruf an. Menschen, die dort körperlichen Belastungen ausgesetzt sind und zum Beispiel schwere Arbeit leisten, am Band im Akkord arbeiten und nachts oder in Wechselschichten eingesetzt werden, können diesen Beruf sicherlich nicht bis ins Alter von 70 Jahren ausüben. Diese Gruppe der meist ungelernten Arbeiterinnen und Arbeiter ist bereits heute mehrheitlich nicht in der Lage bis zum regulären Renteneintrittsalter zu arbeiten.

Die Leistungsfähigkeit im Alter muss tatsächlich sehr differenziert betrachtet werden. Aber Achtung: Ganz wichtig ist auch welche Vorstellungen die Gesellschaft und wir selbst von der Leistungsfähigkeit im Alter haben: Susanne Wurm hat darüber geforscht und sagt, dass es eine Reihe von Studien gibt, die zeigen, dass die Leistungsfähigkeit und Produktivität älterer Erwerbstätiger nicht schlechter ist als die von jüngeren Erwerbstätigen. Aber die negativen Vorstellungen über das Älterwerden und über alte Menschen führen dazu, dass viele Menschen automatisch denken, ältere Erwerbstätige seien weniger leistungsfähig.

Älterer Herr arbeitet an Strommasten-Modell. (Foto: IMAGO, IMAGO/ Westend61)
Die körperliche Einsatzfähigkeit im Alter ist abhängig vom Beruf. Ältere Erwerbstätige sind laut einer Reihe von Studien nicht zwangsläufig weniger produktiv als jüngere Erwerbstätige.

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