Henrietta Lacks (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Picture Alliance)

Medizinethik

Rechtsstreit um HeLa-Zellen außergerichtlich beigelegt

Stand
AUTOR/IN
Lara Kubotsch
ONLINEFASSUNG
Leila Boucheligua

Die HeLa-Zellen gelten auch als Grundlage der modernen Medizin. Ein 2021 begonnener Rechtsstreit um diese Zellen wurde nun außergerichtlich beigelegt. Doch was steckt dahinter?

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Medikamente gegen Kinderlähmung oder Brustkrebs, gewonnene Nobelpreise - all das beruht auf den sogenannten HeLa-Zellen. Sie wurden im Jahr 1951 der damals 31-jährigen Afro-Amerikanerin Henrietta Lacks entnommen, die an Gebärmutterhalskrebs erkrankte. Lacks stirbt nur wenige Monate später, doch was sie nicht ahnt: ihre Zellen leben bis heute. Um Erlaubnis fragt damals niemand, auch nicht bei den Familienangehörigen der Verstorbenen. Diese fordern nun, endlich am Erfolg der HeLa-Zellen teilzuhaben.

Was macht die HeLa-Zellen so besonders? 

HeLa-Zellen heißen die entnommenen Krebszellen von Henrietta Lacks in der Fachsprache, zur Anonymisierung tragen sie lediglich die Initialen ihrer unfreiwilligen Spenderin. Als es dem amerikanischen Zellbiologen George Gey gelang, die HeLa-Zellen im Labor unbegrenzt am Leben zu erhalten, war das eine Sensation – der Versuch blieb bis dahin erfolglos.

Während sich eine durchschnittliche Zelle ungefähr vierzig Mal in ihrer gesamten Lebenszeit teilt, teilen sich die HeLa-Zellen alle 24 Stunden - und das bis heute. Warum das so ist, ist nicht abschließend geklärt. Auch wenn es mittlerweile andere Zelllinien gibt, bleiben die HeLa-Zellen nach wie vor einzigartig.

Hela-Zellen: Grundstein der modernen Medizin (Foto: IMAGO, https://www.imago-images.de/bild/st/0168052342/s.jpg)
HeLa-Zellen: Grundstein der modernen Medizin

Fehlendes Einverständnis wäre heute undenkbar

Der Haken: Lacks selbst wurde damals nicht nach ihrem Einverständnis gefragt, ob ihre Zellen für die medizinische Forschung verwendet werden dürfen oder man die Zelllinie immer weiterentwickeln darf. Nach damaligem US-Recht war das auch nicht notwendig. Eine Vorgehensweise, die heute undenkbar wäre.

„Heute muss man Patientinnen und Patienten nicht nur fragen, ob man Zellen entnehmen und für die Forschung verwenden darf, sondern sie auch über den Zweck der Forschung aufklären.“

Angehörige erfahren nur durch Zufall von den HeLa-Zellen

Erst viele Jahre später erfährt Lacks Familie durch Zufall, dass die HeLa-Zellen von ihrer Angehörigen stammen – ihre Nachfragen werden jedoch zunächst ignoriert. Bekanntheit erreicht der Fall durch eine Wissenschaftsjournalistin, die 2013 ein Buch über Henrietta Lacks und ihre Familie veröffentlicht. Siebzig Jahre nach ihrem Tod wird Henrietta Lacks außerdem von der Weltgesundheitsorganisation WHO geehrt.   

Angehörige von Henrietta Lacks bei der Ehrung durch die WHO (Foto: IMAGO, https://www.imago-images.de/bild/st/0300824425/s.jpg)
Angehörige von Henrietta Lacks bei der Ehrung durch die WHO

Schuld von Forschung und Unternehmen

Lacks Familie sieht Schuld auf zwei Seiten: Zum einen bei der Forschungsgemeinschaft, die Henrietta Lacks Beitrag nicht genügend anerkennt. Zum anderen bei großen Firmen, die sich verschiedene Verwendungsweisen der Zellen patentieren ließen und damit viel Geld verdienen. Mit der Forschungsgemeinschaft konnten seither nach und nach Einigungen über die angemessene Verwendung der Zellen getroffen werden.

2021 verklagen Lacks Angehörige schließlich Thermo Fisher Scientific - das weltweit größte Unternehmen für angewandte Wissenschaften, das unter anderem die HeLa-Zelllinie vertreibt. Sie fordern, einen Teil des Profits zu erhalten und die Nutzung der Zellen einzustellen. 

Der späte Zeitpunkt der Klage hängt laut Medizinethiker Fangerau damit zusammen, dass der rechtliche Status von Zellen, die Menschen entnommen wurden, erst geklärt werden musste.

“Erst als hier unterschiedliche Gesetze von unterschiedlichen Ländern geschaffen wurden, gab es überhaupt einen Boden, die Klage einzureichen. “

Weitere Klagen sollen folgen

Beide Seiten haben den Fall nun ohne ein gerichtliches Urteil beigelegt und zeigen sich dabei zufrieden. Familienangehörigen zufolge sei Henrietta Lacks nun ein Stück Gerechtigkeit wiedergegeben worden. Wie genau die Einigung aussieht, ist allerdings nicht bekannt.

Ethische Fragen bleiben damit allerdings offen: Wie soll in Zukunft mit Zelllinien wie den HeLa-Zellen umgegangen werden? Dürfen Firmen mit ihnen weiter Profit generieren? Klagen gegen weitere Unternehmen sollen folgen – wie diese ausgehen, bleibt abzuwarten. Was bleibt, ist Henrietta Lacks Beitrag, den sie – wenn auch unwissend- für Medizin und Wissenschaft geleistet hat.   

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