Kalender mit einem Long Covid Stempel. Eingetragen sind Krankheitstage. Manche Menschen können aufgrund ihrer Beschwerden nicht mehr zur Arbeit gehen. (Foto: IMAGO, /Bihlmayerfotografie)

Medizin

Long Covid: Das hat die Psyche damit zu tun

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Anja Braun
Anja Braun, Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell. (Foto: SWR, Christian Koch)
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Antonia Weise

Nach einer Corona-Infektion kommen manche Menschen nicht mehr auf die Beine. Nun gibt es Hinweise, dass auch die Psyche einen klaren Einfluss auf das Risiko an Long Covid zu erkranken hat.

Etwa 20 Prozent aller Menschen, die sich mit SARS-CoV-2 infiziert haben, leiden laut Schätzungen der WHO noch sechs Monate nach der Erkrankung unter anhaltenden körperlichen Beschwerden. Genaue Zahlen sind jedoch unklar.

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Psychosoziale Belastung spielt eine Rolle

Was Long oder Post Covid eigentlich auslöst, darüber wird in der Fachwelt gestritten. Eine eindeutige organische Ursache für dieses Phänomen ist bisher nicht auszumachen. Sicher ist: Die häufigste Beschwerde nach einer Covid-Infektion ist eine extrem starke Erschöpfung, gefolgt von Konzentrationsschwäche - dazu kommen dann breit gestreut zahlreiche andere körperliche Beschwerden.

Untersucht wird auch, welche Rolle psychosoziale und psychologische Faktoren für die Entstehung des Long Covid Syndroms spielen können. Zwei Studien zeigen, dass psychosoziale Faktoren eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen.

Hier ist wichtig zu sagen, dass sind nicht Menschen, die bereits eine psychische Vorerkrankung hatten - das wird ja gern alles zusammen geworfen. Eine viel größere Rolle spielt eine psychosoziale Belastung bei Menschen, die bisher nichts zu tun hatten mit psychischen Erkrankungen.

Diese Gruppen sind besonders von Long Covid betroffen

Christine Allwang behandelt täglich Long-Covid-Patientinnen und -Patienten und betont: an Long- oder Post Covid leiden meist eher jüngere Menschen, die im Arbeitsleben stehen, deutlich mehr Frauen als Männer und in der Regel sind die Betroffenen bisher nicht körperlich krank gewesen. Doch allen ist gemeinsam, dass sie nach einer Corona-Infektion nicht mehr auf die Beine kommen.

Eine junge Frau hält sich die Hand vor die Brust. Kurzatmigkeit ist nach oder während einer Corona-Infektion nicht selten.  (Foto: IMAGO, /Zoonar)
Auch bei Menschen, die zuvor keine psychischen Probleme hatten, spielen psychologische und psychosoziale Faktoren für die Entstehung von Long Covid eine Rolle.

Angst und andere Stressfaktoren begünstigen Long Covid

Viele der Erkrankten hatten bereits seit Beginn der Pandemie große Angst vor einer Corona-Infektion. Kommt zu dieser Angst vor der Infektion noch ein weiterer Stressfaktor dazu - wie zum Beispiel Arbeitsüberlastung, Belastung durch die Familiensituation, aber auch Vereinsamung, dann ist das Risiko für das Auftreten einer Long-Covid-Symptomatik deutlich erhöht.

Das zeigt eine Studie, für die Daten von fast 55.000 Teilnehmenden ausgewertet wurden, die im Frühjahr 2020 noch keine Covid-Infektion erlitten hatten und zu psychosozialen Faktoren befragt worden waren. Sechs Prozent meldeten im darauffolgenden Jahr eine Covid-Infektion und wurden vom Forschungsteam über eine längere Zeit begleitet. Fazit der Studie:

Man konnte ganz gut zeigen, wenn zwei dieser Risikofaktoren zusammen kommen, ist die Gefahr Long Covid zu entwickeln um 50 Prozent erhöht.

Junge Frau sitzt erschöpft an einem Notebook (Foto: IMAGO, /imagebroker)
Faktoren wie Arbeitsüberlastung oder eine belastende Situation in der Familie können das Long Covid Risiko um 50 Prozent erhöhen.

Sorge vor Infektion - Ein nicht zu unterschätzender Faktor

Eine weitere Studie hat rund 1.800 Beschäftigte aus dem Gesundheitsbereich in den Mittelpunkt gestellt. Auch dort zeigte sich, dass diejenigen Menschen, die im Vorfeld große Sorge vor einer Corona-Infektion hatten, danach häufiger unter körperlichen Beschwerden litten. Eine negative Erwartung ist offenbar ein nicht zu unterschätzender Risikofaktor für Long oder Post Covid. Und diese negative Erwartung hat einen höheren Vorhersagewert für Long-Covid-Beschwerden als die Erkrankung selbst, so Christine Allwang.

Man weiß aus anderen Kontexten in der Psychosomatik, dass Erwartung eine ganz große Rolle spielt im Zusammenhang mit zum Beispiel hier bei Long Covid mit Körperbeschwerden. Man sollte im Auge behalten, wenn man berichtet, was das bei den Leuten, die das hören, auslösen kann.

Die Ergebnisse sind auch für die Weiterbehandlung der Erkrankten wichtig. Die Psychosomatikerin Allwang koordiniert das Forschungsprojekt „PsyLoCo“ zur Entwicklung einer Therapie für Long Covid. Ihr Forschungsteam hat dazu ein Therapiemanual für Psychotherapeuten entwickelt. Dabei handelt es sich um eine Art Baukasten mit unterschiedlichen Unterstützungsstrategien speziell für Long-Covid-Patientinnen und -Patienten. Die Wirksamkeit dieser Strategien soll zunächst an 120 Betroffenen und an fünf Universitätskliniken getestet werden. Das Ziel ist durch psychosoziale Unterstützung die Betroffenen wieder ins Leben zurück zu bringen.

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