Das Bild zeigt, wie ein Impfstoffe mit einer Spritze aufgezogen wird. (Foto: IMAGO, Bihlmayerfotografie)

Krebsforschung

mRNA-Impfungen: Gegen welche Krankheiten sie noch helfen können

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David Beck
Bild von David Beck, Reporter und Redakteur SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Impuls. (Foto: SWR, Ilyas Buss)
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Lena Schmidt

mRNA-Impfungen gelten in der Forschung zu Krebstherapien als vielversprechend. Doch auch bei anderen Krankheiten macht die Technologie Hoffnung.

Zur Bekämpfung der Corona-Pandemie sind verschiedene Impfstoffe entwickelt worden, von denen derzeit sieben in Europa zugelassen sind: Die Vektorimpfstoffe Vaxzevria von AstraZeneca und Jcovden Johnson & Johnson, die proteinbasierten Impfstoffe Nuvaxovid der Firma Novavax und VidPrevtyn Beta von Sanofi Pasteur, der Ganzvirus-Impfstoff von Valneva sowie die meistverimpften Wirkstoffe von BionTech/Pfizer und Moderna.

Letztere haben viel Aufsehen erregt, da sie auf einer neuartigen Technologie basieren: Bei Comirnaty (BioNTech/Pfizer) und Spikevax (Moderna) handelt sich um mRNA-Impfungen. Neben Futter für Verschwörungsmythen und Falschinfos lieferten sie vor allem auch eines – Erfolg. Denn im Falle einer Corona-Infektion schützen sie gut vor schweren Verläufen. Und auch an mRNA-basierten Grippeschutzimpfungen wird bereits geforscht. Doch in der Impfstoff-Technologie steckt noch viel mehr Potential.

Individuelle Krebstherapie mit mRNA

Die mRNA-Impfstoffe von BioNTech/Pfizer und Moderna konnten sehr schnell entwickelt werden. Das liegt auch daran, dass die Unternehmen in den Jahren zuvor bereits viel an mRNA-Technologien geforscht haben – allerdings in einem ganz anderen Zusammenhang: der Krebs-Impfstoff-Forschung.

Weil jeder Krebs einzigartig ist, kann es vorkommen, dass Therapien in einem Fall anschlagen und in einem anderen nicht. Das soll sich durch mRNA-Therapien ändern. Die Hoffnung, die mit der Technologie verbunden ist: für jeden individuellen Tumor eine individuelle Therapie anbieten zu können und so die Erfolgschancen zu steigern.

Ein kleiner Schritt in diese Richtung konnte nun in der Hautkrebstherapie erzielt werden, wie die Ergebnisse einer klinischen Phase-2b-Studie zeigen. Und der Herstellername ist kein unbekannter: Das US-Unternehmen Moderna veröffentlichte die Studie zum mRNA-4157/V940-Impfstoff im Dezember.

Der mRNA-Wirkstoff wurde zusammen mit einem etablierten Antikörpermedikament gegeben. Im Vergleich zu der Kontrollgruppe, die nur mit dem Antikörpermedikament behandelt wurde, konnte das Risiko, dass der Krebs zurückkehrt oder die Patientinnen und Patienten sterben, um 44 Prozent reduziert werden.

Das Bild zeigt die Schultern einer Person, die mit Sonnencreme eingesprüht werden. (Foto: IMAGO, Petra Schneider)
An Hautkrebs sterben im Gegensatz zu anderen Krebsarten vergleichsweise wenige der Patientinnen und Patienten. Jedoch ist sie mit mehr als 200.000 Neuerkrankungen pro Jahr die häufigste Krebserkrankung in Deutschland.

Die mRNA unterstützt das Immunsystem

Ähnlich wie bei der Corona-Impfung soll die mRNA-Hautkrebsimpfung das Immunsystem trainieren. Es geht darum, ihm beizubringen, die Krebszellen im Körper zu erkennen und sie zu zerstören, bevor sie sich ausbreiten.

Das Immunsystem kann auch ohne Hilfe Krebszellen als bösartig erkennen und bekämpfen. Oft sehen die Tumorzellen den körpereigenen jedoch zu ähnlich oder die bösartigen Tumore vermehren sich zu schnell. Das Immunsystem ist dann alleine nicht mehr in der Lage die Krebszellen zu bekämpfen. Mit Hilfe der mRNA-Impfung soll das Immunsystem die bösartigen Zellen besser erkennen.

Woran erkennt die mRNA die Tumorzellen?

Krebszellen lassen sich anhand von sogenannten Neoantigenen von den gesunden Zellen unterscheiden. Neoantigene sind Teile körpereigener Proteine, die sich durch Mutationen im Tumor verändert haben und an der Oberfläche des Tumors liegen.

Im Falle der Moderna-Impfung wurden die Melanome der Patientinnen und Patienten untersucht, woraufhin ein Algorithmus bis zu 34 Neoantigene ausgewählt hat, für die dann eine mRNA hergestellt wurde. Diese ist damit individuell an die Tumore der Patientinnen und Patienten angepasst und kann die Krebszellen erkennen und bekämpfen.

mRNA – ein Heilmittel gegen Krebs?

Ein großer Vorteil dieser Therapiemethode ist, dass nur Krebszellen angegriffen werden. Bei einer Chemotherapie werden vor allem Zellen angegriffen, die sich schnell vermehren – ohne zu erkennen, ob es sich um gesunde oder bösartige Zellen handelt. Denn Chemotherapeutika sind Zellgifte.

Ein weiterer Vorteil ist, dass die mRNA-Therapie vielleicht nicht nur ein Medikament sondern ein Heilmittel für Krebs sein könnte. Meistens spricht man bei Krebs davon, dass er in Remission ist, nicht aber davon, dass die Person geheilt ist. Auch nach Jahren kann eine Krebserkrankung noch zurückkommen.

Wie hoch die Langzeitüberlebensraten nach einer Krebserkrankung sind, unterscheidet sich je nach Krebsart. In Deutschland sind die 5-Jahres-Überlebensraten im internationalen Vergleich hoch. Eine weltweite Studie von 2014 zeigte zum Beispiel, dass das 5-Jahres-Überleben von Kindern mit Akuter Lymphoblastischer Leukämie in Tunesien und Jordanien nur bei 16 bis 50 Prozent liegt, während für Deutschland und Norwegen rund 90 Prozent berechneten wurden.

Durch einen spezialisierten mRNA-Impfstoff würde das Immunsystem langlebige Zellen bilden, die bei erneutem Kontakt sehr schnell Antikörper produzieren können. Das Immunsystem könnte den Krebs also schnell erkennen, falls er zurückkehrt. Metastasen könnten wahrscheinlich bekämpft werden, bevor sie überhaupt so groß werden, dass sie auffallen. Sollte eine mRNA-Therapie diesen Erfolg bringen, könnte man vielleicht von „Heilung“ sprechen.

Grippe, RSV, HIV – die Einsatzmöglichkeiten von mRNA sind vielseitig

Auch andere Unternehmen arbeiten an mRNA-Therapien. Die Forschung beschränkt sich dabei weder auf eine Krebsart, noch auf Tumore an sich. Das deutsche Unternehmen CureVac forscht zum Beispiel an einer Impfung gegen RSV-Infektionen, Moderna an Impfungen gegen HIV-Infektionen und BioNTech an Therapien bei Multipler Sklerose und ebenfalls Krebs. Dabei arbeiten sie auch eng mit einem Mainzer Forschungsinstitut zusammen:

An der Medizinischen Hochschule Hannover wird an einer mRNA-Therapie gegen Leberzirrhose geforscht. Eine Studie mit Mäusen zeigte bereits Erfolge: Die Schäden in der Leber gingen durch die Therapie zurück, das Organ heilte. Bislang bleibt Patientinnen und Patienten in schlimmen Fällen nur eine Transplantation, denn Medikamente gegen eine Leberzirrhose gibt es noch nicht.

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