Lichtfeldtechnik

So funktioniert die Kamera der Zukunft

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Thomas Hillebrandt
Thomas Hillebrandt, Redakteur und Reporter bei SWR Wissen aktuell (Foto: SWR, SWR, Christian Koch)
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Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Wissen. (Foto: SWR, Christian Koch)

Eine neue Kameratechnik könnte die Filmproduktion revolutionieren: Die Lichtfeldtechnik bietet vielfältige Möglichkeiten der Nachbearbeitung. Präsentiert wird die neue Technik auf der FMX Messe in Stuttgart.

Ein spezielles Kamerasystem mit 64 einzelnen HD-Kameras nimmt eine Szene gleichzeitig aus leicht unterschiedlichen Richtungen auf. Nachträglich lassen sich damit in den Videoaufnahmen Objekte in verschiedenen Ebenen scharf abbilden und verändern. Zusätzlich können nach dem Dreh Kamerabewegungen und Blickwinkel verändert werden.

Der Informatiker Thorsten Herfet von der Uni Saarbrücken erklärt das dahinterstehende Prinzip: Die klassische Fotografie bildet jeden Punkt einer Szene auf einen Punkt auf dem Film oder auf einem Sensor ab. Bei der Lichtfeldfotografie nehmen sie jeden Lichtstrahl auf einen Lichtpunkt. Das heißt, sie haben von dem gleichen Punkt einer Szene ganz viele verschiedene Kopien aus verschiedenen Richtungen. Deswegen auch der Name Lichtfeld, weil man sozusagen die Strahlen ausrechnet.

Lichtfeldtechnik revolutioniert die Nachbearbeitung

Die Physik dahinter ist schon lange bekannt, war bislang aber nur bei Fotografien anwendbar. Die Lichtfeldaufnahme macht es möglich, die Schärfenebene nachträglich auf jeden Punkt im Foto zu verschieben. Funktioniert das auch bei bewegten Bildern, kann das die Film- und Fernsehproduktion revolutionieren. Man kann mit der Lichtfeldtechnik Tiefenschärfen, Blickwinkel, Kamerapositionen im Nachhinein berechnen. Sogar Kamerafahrten sind nachträglich machbar, müssen also nicht extra aufgenommen werden.

Die 64 einzelnen Kameras des Systems produzieren eine sehr große Datenmenge. 17 Gigabyte pro Sekunde müssen störungsfrei in Echtzeit gespeichert werden. Nur dann kann man nicht nur die Position jedes erfassten Bildpunktes der gefilmten Gegenstände berechnen, sondern auch die Richtungen der auf ihn wirkenden Lichtstrahlen.

64 Kameras nehmen gleichzeitig auf

Anfang Januar 2019 fanden in einem Studio des Saarländischen Rundfunks die ersten „Lichtfeld-Dreharbeiten“ in Europa statt. Dabei stand die Cellistin Isabel Gehweiler im 64-fachen Fokus. Mit ihrem per Lichtfeld-Kamera gefilmten Auftritt testeten Wissenschaftler aus Ludwigsburg und Saarbücken, ob Film-Aufnahme und Datenübertragung gleichzeitig funktionieren.

Durch die vierundsechzig Kameras hatten die Forscher dann in Folge auch vierundsechzig leicht verschiedene Perspektiven. Diese können dafür benutzt werden, zusätzlich zu den bereits existierenden Farb- und Helligkeitswerten pro Bildpunkt auch die Tiefe zu berechnen. Das hat enorme Vorteile für die Nachbearbeitung, denn so können auch im Nachhinein noch zusätzliche Effekte hinzugefügt werden.

Es zeigte sich: Die Lichtfeld-Dreharbeiten waren erfolgreich. Man konnte nun nachträglich zum Beispiel ein dreidimensionales Bild der Cellistin modellieren. Da die Aufnahmen die Lichtmenge erfasst haben, die an jedem Punkt des Raumes in alle Richtungen fällt, konnten sie genau berechnen, wo sich welcher Punkt im Raum befindet.

Vorteile der Lichtfeldtechnik

Die Aufnahmen zeigen die neuen Möglichkeiten. Die Bildschärfe wandert, nachträglich berechnet, vom Nahbereich des Bogens von Isabel Gehweiler nach und nach über ihre Kopien im Raum. Das Lichtfeld-Video funktioniert.

Simon Spielmann vom Animationsinstitut Ludwigsburg nennt die Vorteile der neuen Technik: Längerfristig könnte Lichtfeld-Technologie dazu dienen, dass man lediglich eine Art Scanner-System, gar nicht mehr eine explizite Kamera hat und die komplette Kameraarbeit komplett in der Nachbearbeitung stattfinden kann. Das Besondere ist dabei, dass wir erstmals wirklich versuchen, die Technologie in Filmproduktionen zu bringen.

Bis zur Einführung des Systems wird noch geforscht

Bei Filmaufnahmen könnte künftig ein einziges Lichtfeldkamera-System genügen, um nachträglich Bewegungen zu erzeugen oder alle gewünschten Perspektiven einzunehmen. Noch ist man nicht soweit, doch bis Ende 2020 soll auch das klappen. Solange läuft das Forschungsprojekt.