Und diese Schönheit ließ ihn nicht mehr los. Ein Ergebnis seiner Arbeit: Es gibt bestimmte Regeln, an die sich die einzelnen Tiere halten.
Tiere in großen Gruppen richten ihr Verhalten an ihren Nachbarn aus
Bei den Bewegungen von Vogelschwärmen könnte man denken, dass es Tiere gibt, die das Verhalten der anderen kontrollieren, so Couzin. Oder bei Ameisen könnte man denken, dass die Königin den Anderen Befehle gibt. Aber so sei es nicht:
Jedes Tier reagiert also auf das Verhalten der direkten Nachbarn. Das macht die Gruppen widerstandsfähiger, als wenn sie von einem Anführer abhängig wäre. Ohne Anführer, so Couzin, könnte sonst der ganze Schwarm untergehen. Wenn aber das Verhalten von jedem zähle, könne der Schwarm unter unterschiedlichsten Bedingungen überleben.
Verhalten in Gruppen bei vielen Tierarten ähnlich
Das Spannende: Diese Regel gilt nicht nur für eine bestimmte Fischart oder eine besondere Ameise. Sie ist übertragbar. Im Exzellenzcluster für kollektives Verhalten in Konstanz untersuchten die Forschenden daher das Verhalten von unterschiedlichsten Tierarten.
Das geht von der Frage, wie winzig kleine Zebrafischlarven auf Lichtreize reagieren, über das Verhalten von Fischschwärmen in riesigen Aquarien bis hin zu Zebras, die in ihrer natürlichen Umgebung in Afrika beobachtet und getrackt werden.
Auch Menschengruppen folgen bestimmten Regeln
Aber wenn es um kollektives Verhalten geht, müssen wir nicht weit schauen. Auch wir Menschen folgen diesen Regeln, ohne es zu merken.
Auch für uns gilt also: In einer Gruppe orientieren wir uns am Verhalten des jeweiligen Nachbarn, so entsteht ein kollektives Verhalten. Doch auch wenn diese Regel übertragbar ist, heißt das nicht, dass jede Tierart sich in einem Kollektiv gleich verhält.
Kannibalismus bei Heuschrecken
Bei ihrer Arbeit mit Heuschrecken hat das Team rund um Couzin herausgefunden, dass die Tiere beim Marschieren versuchen, ihren Vordermann zu fressen und gleichzeitig verhindern wollen, selbst gefressen zu werden. Kannibalismus ist mit dafür verantwortlich, dass sie kollektiv immer weitergehen.
Roboter-Fische und Virtual-Reality-Aquarien bereichern die Forschung
Diese Art spezifischer Regeln zu erforschen ist gar nicht so leicht. Ein Problem war am Anfang die schiere Menge an Tieren, die gleichzeitig beobachtet werden musste. Dafür brachte sich Couzin in den Neunzigerjahren selbst Programmieren bei.
Am Max-Plack-Institut arbeitet er jetzt mit einem gemischten Team aus Biologen, Informatikern und Ingenieuren. Hier bauten sie zum Beispiel Roboter-Fische, die im Labor und auch in der freien Wildbahn Daten zum Verhalten von Fischen sammeln.
Ein Problem bei dieser Art von Forschung sei es nämlich, dass sich natürlich zwei Individuen gegenseitig beeinflussen. Aber was, wenn ein dritter, vierter, fünfter dazu kommt? Beeinflussen sie sich direkt oder indirekt durch die anderen?
Um dieses Netzwerk der Beziehungen zu verstehen, mussten neue Technologien entwickelt werden, wie zum Beispiel Virtual-Reality-Aquarien: Den Fischen im Tank werden echt wirkende andere Tiere gezeigt, eine virtuelle Realität simuliert. So können die Forschenden das Verhalten von einem einzelnen Tier untersuchen, das denkt, es würde mit anderen Tieren interagieren.
Couzin ist schon immer leidenschaftlicher Biologe
Diese grundlegenden Fragen faszinieren Couzin seit seiner Kindheit. Er will verstehen, wie Tiere sich verhalten, wie die Schönheit von Kollektiven entstehen kann. Das treibt ihn an. Als junger Forscher liebte er die Feldarbeit mit Ameisen und Heuschrecken auf der ganzen Welt. Als Direktor und Professor kommt er heute kaum noch zum wirklichen Experimentieren.