Ein Mistkäfer auf einem Kuhfladen (Foto: IMAGO, /Ardea)

Biodiversität

Kuhfladenmangel macht Mistkäfern und anderen Insekten zu schaffen

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Thomas Samboll
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Antonia Weise

Kuhfladen und Pferdeäpfel werden auf unseren Grünlandflächen immer rarer. Das hat Folgen für Insekten, die diese Kothaufen besiedeln und davon leben.

Kuhfladen bilden Grundlage für Artenvielfalt

Gerd Kämmer ist anders als die meisten Menschen. Er lässt Kuhfladen und Pferdeäpfel am liebsten nicht links liegen, sondern freut sich darüber, dass es darin vor Leben nur so wimmelt. Die Kothaufen seiner Rinder und Pferde bringen das Ökosystem auf der Weide erst so richtig in Schwung, betont der Landwirt aus Schleswig-Holstein:

„Normalerweise ist der in 30 Sekunden [...] voll mit Fliegen! Dann kommen aber auch sofort die Mistkäfer, die in den Kuhfladen hineingehen.“

Diese Insekten würden laut Kämmer die Grundlage für die Artenvielfalt beziehungsweise für die Nahrungskette bilden.

Von diesen Insekten leben nämlich viele Vögel und sie dienen sogar einigen geschützten Tierarten als Nahrungsquelle. Dazu zählen: Kiebitze, Rotschenkel, Bachstelzen und Schwalben. Dachse, Igel und Spitzmäuse lassen sich die Dung-Insekten ebenfalls gern schmecken.

Die Bachstelze erbeutet Fliegen nicht nur auf einem Kuhfladen sitzend sondern auch im Flug (Foto: IMAGO, /imagebroker)
Die Bachstelze sucht ihre Nahrung hauptsächlich am Boden. Kuhfladen mit ausreichend Insekten sind eine gute Nahrungsquelle.

120 Kilo Insektenmasse pro Rind

Auf der Suche nach Artenvielfalt wird man auf den Wiesen und Weiden von Landwirt Kämmer auf jeden Fall fündig. Denn der gelernte Biologe setzt oben im Norden zwischen Ostsee und Flensburger Förde auf naturnahe Landwirtschaft.

Gerd Kämmer und zwei seiner Galloway-Rinder (Foto: picture-alliance / Reportdienste, / dpa)
Der Biologe Gerd Kämmer mit seinen freilebenden Galloway-Rindern.

Seine 130 Galloway-Rinder und die rund 70 Pferde grasen das ganze Jahr über draußen. Das macht auch im Punkt Kuhfladen einen großen Unterschied zu vielen konventionellen Betrieben aus. Denn laut dem Landwirt stehen von ungefähr elf Millionen Rindern in Deutschland rund 90 Prozent ihr Leben lang im Stall.

„Wenn ein Rind auf der Weide steht“, erklärt Kämmer, „produziert es über den Kuhfladen 120 Kilo Insektenmasse pro Jahr. Und das nur über die Kuhfladen!“ Rechne man das mit den elf Millionen Tieren hoch, sehe man, über welches Potential man spreche. Früher habe man dieses bereits genutzt, erklärt der Landwirt.

Biodiversität gefährdet

Insektenforscher wie Oliver Hillert aus Schöneiche bei Berlin schlagen Alarm, denn für die Biodiversität und das, was zum Beispiel Mistkäfer leisten, sei es absolut erforderlich, dass solche Biotope erhalten bleiben oder wiederhergestellt werden.

„In den letzten Jahrzehnten sind 15 Prozent der Arten verschwunden. Zusätzliche 20 Prozent sind gefährdet."

Wenn man darauf nicht reagiere, werden auch sie verschwinden oder so selten werden, dass sie keine Rolle mehr spielen. Die Insekten wollen unterschiedlichste Kote zur Verfügung haben, erkärt Hillert. Und da fehle es in der breiten Masse.

Das Abwägen zwischen Tierschutz und Insektenvielfalt

Manchmal fehlt es nicht nur an Masse, sondern der Kuhfladen oder der Pferdeapfel werden selbst zum Problem. Das hängt mit dem Tierschutz zusammen.

Die Parasitologin Christina Strube von der Tierärztlichen Hochschule Hannover erklärt, dass das Tierschutzgesetz explizit sagt, dass Tiere wie Rinder oder Pferde, die in menschlicher Obhut sind, entsprechend zu pflegen sind. Und zu einer Pflege gehören regelmäßige Entwurmungen.

Solche Wurmkuren sollen Weidetiere vor krankmachenden Parasiten schützen, die draußen im Gras lauern können.

Ein Kuhfladen mit Mistfliegen, im Hintergrund eine Kuh auf der Wiese (Foto: picture-alliance / Reportdienste, / Countrypixel)
Rinder, die auf der Weide stehen produzieren mehr Insekten-Dung als ihre Artgenossen im Stall.

Der Insektenforscher Gerd Kämmer sieht das aber als Problem für den Insekten-Dung. Denn diese Entwurmungsmittel würden über den Kot ausgeschieden und wirken sich dann negativ auf diese Insektenvielfalt in den Kuhfladen aus. Selbst nach acht Wochen beeinflussen sie laut Kämmer noch die Käfer oder Insekten in den Kuhfladen negativ. Im schlimmsten Fall sterben sie ab.

Entomologe Hillert hat zudem beobachtet, dass bei manchen Mistkäfer-Arten nach einem Anti-Wurm-Cocktail Wachstumsstörungen auftreten und sie nicht mehr ihre normale Körpergröße erreichen – was im Kuhfladen von Nachteil sein kann. Denn es gibt direkte Einwirkungen auf die Überlebensfähigkeit der Larven.

Die Auswirkungen des Wetters auf den Kuhfladen

Auch das Wetter kann dabei eine große Rolle spielen. Der vergangene Sommer hat den Dung-Insekten möglicherweise schwer zugesetzt, weil Kuhfladen und Pferdeäpfel in der Hitze zu schnell vertrocknet sind. Dadurch entsteht eine harte Kruste und viele Arten können nicht mehr in den Dung reinkrabbeln, so der Insektenexperte.

Zwei Mistkäfer auf einem Kuhfladen (Foto: IMAGO, stock&people)
Ist der Kuhfladen durch die Sonne oder lange Dürreperioden vertrocknet können Insekten nicht hinein.

Entwicklungen beim Thema Kuhfladenmangel

Dennoch scheint Bewegung in den Kuhfladen-Konflikt zu kommen. Den neuesten Empfehlungen aus der Tiermedizin zufolge soll nun zum Beispiel weniger und gezielter entwurmt werden, so Christina Strube. Es sollen beispielsweise nur einzelne Tiere entwurmt werden oder nur zu einem bestimmten Zeitpunkt, wenn eine hohe Infektionsgefahr besteht.

Damit könnten Weidetier- und Käferschutz besser unter einen Hut gebracht werden. Gerd Kämmer möchte aber noch weitergehen – und ganz auf Anti-Wurm-Cocktails für seine Rinder und Pferde verzichten. Ein Forschungsprojekt soll klären, ob das möglich ist. Sicher ist, dass Käfer und Kuhfladen für das Ökosystem unverzichtbar sind.

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