Illustration James Webb Weltraumteleskop im All (Foto: Pressestelle, ESA/Northrup Grumman)

Raumfahrt und Astronomie

Präzisionstechnik im All: Das James Webb Weltraumteleskop

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Uwe Gradwohl
Uwe Gradwohl, Leiter der Redaktion SWR Wissen Aktuell. (Foto: SWR, Christian Koch)
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Ralf Kölbel

Bis zur Geburt der ersten Sterne und Galaxien blicken, Exoplaneten finden und mittels Infrarotkameras in die Zeit kurz nach dem Urknall schauen. Das soll das neue „James Webb Space Telescope“ ermöglichen.

Erste Arbeiten für das neue Weltraumteleskop hatten bereits 1996 begonnen. Damals geschätzte Kosten: 300 Millionen Dollar, damals geplanter Start: 2011. Daraus sind inzwischen, je nach Rechnung, über zehn Milliarden Dollar geworden. Gestartet ist das Weltraumteleskop dann mit zehn Jahren Verspätung, am 25. Dezember 2021.

Das Weltraumteleskop musste sich erst wie ein Schmetterling selbst entfalten

Um das neue Superteleskop in Betrieb zu nehmen, musste es sich nach dem Start vom Raumbahnhof Korou von der Raketenspitze lösen und genau 33 Minuten nach dem Start damit beginnen, seine Solarzellen auszuklappen um eigenen Strom zu produzieren. Sonst wären seine Batterien nach wenigen Stunden leer. Nach dem Ausklappen der Solarzellen wurden noch fast zwei Wochen lang Tag für Tag weitere Teile ausgeklappt. 130 Mechanismen mussten 300 Ausklappschritte vollführen, damit sich das Teleskop entfalten konnte- wie ein Schmetterling aus seiner Puppe.

Infrarotteleskop braucht Tiefkühlung, damit es funktioniert

Ganz wichtig war die korrekte Entfaltung des Hitzeschilds. Auf seiner Sonnenseite wird es um plus 100 Grad Celsius heiß werden, in seinem Schatten herrschen jedoch minus 237 Grad. Diese Tiefkühlung ist notwendig, damit die Sensoren des Teleskops die schwache Wärmestrahlung aus dem All erkennen können und nicht von der Wärmestrahlung von Sonne, Erde oder Mond geblendet werden.

Damit dies gelingen kann, wurde das Teleskop 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt am sogenannten „Lagrange-Punkt 2“ stationiert. Dieses Ziel ist eine Kreisbahn um einen Punkt im All herum, an dem sich die Anziehungskraft von Erde und Sonne und die an diesem Punkt auftretende Zentrifugalkraft aufheben – dieser sogenannte Lagrange-Punkt liegt 1,5 Mio Kilometer von der Erde entfernt. Das ist fast viermal weiter als der Mond und 25.000-mal weiter weg als das Hubble Teleskop. Servicemissionen dorthin sind unmöglich oder nahezu unmöglich.  

Elekromagnetisches Spektrum mit den Bereichen von "Hubble" und "James Webb" (Foto: Pressestelle, NASA)
Elekromagnetisches Spektrum mit den Bereichen von "Hubble" und "James Webb"

James Webb ist an einem ganz anderen Ort, an dem es unglaublich kalt ist. In dieser Kälte könnten wir gar nicht mit Astronauten operieren. James Webb wurde so gebaut, dass es allein funktionieren muss und wird.  

Thomas Henning, Direktor des Max-Planck-Instituts für Astronomie in Heidelberg, erklärt, warum man ausgerechnet diese Position im All gewählt hat:

„Das ist ein Punkt, den man sich so vorstellen kann, dass die Erde, die Sonne, wie auf einer Perlenschnur aufgereiht ist und das Teleskop als drittes Objekt auf dieser Perlenschnur steht. Und dann kann man die Sonne und die Erde abdecken mit einem Schirm und kann sozusagen verhindern, dass das Teleskop warm wird. Wir brauchen ein kaltes Teleskop, weil wir ja kalte Objekte beobachten wollen und wir wollen jetzt nicht die störende Infrarotstrahlung der Sonne sozusagen haben.“

Teile des Teleskops wurden in Deutschland entwickelt

Am kältesten braucht es übrigens ein Filterrad, das mit Unterstützung von Forschern aus Heidelberg und Köln entwickelt wurde. Es muss mit flüssigem Helium noch weiter aheruntergekühlt werden. Durch das in Deutschland gebaute Filterrad wird dann bei minus 260 Grad jenes Licht strahlen, das aus dem Inneren der Geburtswolken der allerersten Sterne stammt. 

Rakete musste gedrosselt werden, um eine Überhitzung der Instrumente zu verhindern

Das Riesenteleskop hat eigene Triebwerke, um die aber als Bremstriebwerke einsetzen zu können, um bei der Ankunft an seinem Zielort im All abzubremsen, müsste sich das Teleskop umdrehen und zur Sonne blicken. Die empfindlichen Instrumente könnten dann von der Hitze der Sonne zerstört werden. Abbremsen ist also nicht möglich. Deshalb wurde die Ariane 5 Rakete, die das Teleskop ins All brachte, in ihrer Leistung absichtlich ein wenig gedrosselt, damit das James Webb Teleskop langsamer als es eigentlich möglich wäre im All unterwegs ist und dadurch nicht bremsen muss, sondern sich mit den eigenen Triebwerken sanft zu seinem Ziel im All hin schubsen kann. 

30 Tage des Schreckens

Noch nie gab es einen so komplexen Vorgang zur Inbetriebnahme einer Maschine im All, ohne die Chance auf Korrektur. Angesichts des Risikos, das der ganzen Sache innewohnt, sprach man bei NASA und ESA von “30 Days of Horror”, 30 Tagen des Schreckens, bis das Teleskop voll ausgeklappt seinen Zielort erreicht hatte. 

Bild einer startenden Ariane 5 Rakete (Foto: Pressestelle, NASA)
Die Rakete Ariane 5 startet mit James Webb im Gepäck am 25. Dezember 2021.

Treibstoff für 20 Jahre

Ohne Servicemission von der Erde kann das James Webb Teleskop dort weit draußen im All im besten Fall rund 20 Jahre lang arbeiten, bis der Treibstoff für seine Triebwerke, mit denen es seine Flugbahn gelegentlich korrigieren muss, zur Neige geht.  

Nur 20 Jahre – das wäre deutlich weniger als beim Hubble Teleskop. Doch Hubble fliegt so nah an der Erde, dass die Erdkugel die Hälfte des Tages Hubbles Blick ins All blockiert. Das Webb-Teleskop hat jeden Tag volle 24 Stunden unverstellten Blick ins All. So gesehen sind 20 Webb Jahre dann doch mindestens wie 30 Hubble Jahre. 

Genug Forschungszeit, um auf die Anfänge des Universums zurückzublicken und weitere Teile der Antwort auf die großen Fragen der Menschheit zu finden – wie ist dieses verrückte Universum nur entstanden? Und sind wir darin wirklich allein? 

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Uwe Gradwohl, Leiter der Redaktion SWR Wissen Aktuell. (Foto: SWR, Christian Koch)
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