Human Papilloma Viren unter dem Mikroskop (Foto: IMAGO, UIG)

Medizin

Immer mehr HPV-bedingte Fälle von Rachenkrebs durch Oralsex

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Lilly Zerbst
Portraitbild der Reporterin Lilly Zerbst. (Foto: SWR)
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Auch wenn die Gesamtzahl der Neuerkrankungen gering ist: Immer mehr Menschen in Deutschland erkranken infolge einer HPV-Infektion an Rachenkrebs. Übertragen wird das humane Pampillomvirus – kurz HPV – zum Beispiel durch Oralsex. Manche Forschende reden sogar von einer Epidemie. Fast jeder steckt sich in seinem Leben einmal an, meist schon bei den ersten sexuellen Erfahrungen.

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Humane Papillomaviren sind nur in seltenen Fällen Krebsauslöser

Wer Oralsex hat, kann sich über die Schleimhäute im Mund mit humanen Papillomviren anstecken. Das ist eine der am häufigsten sexuell übertragenen Infektionen und führt – in seltenen Fällen – auch zu Krebs. Das gilt ebenso für Anal- oder Vaginalsex, hierdurch kann eine Virusinfektion zum Beispiel zu Gebärmutterhalskrebs führen. 

Das passiert jedoch sehr selten, auch im Falle von Rachenkrebs, der medizinisch als Oropharynxkarzinomen bezeichnet wird, so der Leiter der Abteilung Infektionen und Krebsepidemiologie am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg, Dr. Tim Waterboer: 

Oropharynxkarzinome sind eine seltene Erkrankung. Selbst wenn man jetzt relativ starke Anstiege sieht wie in England, ist das auf sehr niedrigem Niveau. Deshalb finde ich den Begriff Epidemie grundsätzlich etwas übertrieben. 

HPV ist mittlerweile ein Hauptverursacher von Rachenkrebs

Trotz nach wie vor verhältnismäßig geringen Fallzahlen ist das Krebsrisiko ernst zu nehmen, denn HPV zählt neben Rauchen und Alkohol mittlerweile zu den Hauptursachen von Rachenkrebs. Laut Angaben des DKFZ geht in Deutschland mittlerweile etwa jeder zweite Fall von Rachenkrebs aus einer HPV-Infektion hervor – Tendenz steigend. 

Pro Jahr gibt es mindestens 750 HPV-bedingte Neuerkrankungen. Betroffen sind überwiegend Männer. Zur Risikogruppe gehören aber auch allgemein, bei allen Geschlechtern, Menschen mit öfters wechselndem Sexualpartner oder -partnerinnen.  

Humane Papilloma Viren (Kurz HPV) (Foto: IMAGO, Science Photo Library)
In der Gruppe der humanen Papillomviren werden verschiedene Typen unterschieden, von denen manche als "Hochrisiko"-Viren gelten, da eine Infektion mit ihnen das Risiko für die Entstehung von Krebs erhöhen kann.

Leider gibt es bei Mundrachenkrebs noch keine zuverlässige Früherkennung, erklärt Dr. Waterboer vom DKFZ. Meist würden Patienten diagnostiziert, weil sie im Bereich des Halses oder des Nackens über längere Zeit einen geschwollenen Lymphknoten haben, der sich nicht zurückbildet. Wegen dieses Warnzeichens gingen viele Menschen dann zum Arzt, so Waterboer.

Meist sind die Betroffenen bereits im fortgeschritteneren Alter, wenn der Krebs festgestellt wird. Die Ansteckung mit dem Virus könnte aber ersten Erkenntnissen zufolge auch deutlich früher und damit Jahre oder sogar mehrere Jahrzehnte vor dem Krebsausbruch stattgefunden haben. Die Datenlage ist allerdings noch dünn.

Es wird vermutet, dass der Anstieg der Fallzahlen heute eine Spätfolge der sexuellen Revolution der 60er und 70er Jahre sein könnte, so Waterboer: 

Wir gehen davon aus, dass Oralsex zu dieser Zeit eine viel weiterverbreitete Sexualpraktik geworden ist und bis heute ist. Und dass sich das jetzt mehrere Jahrzehnte später widerspiegelt, in den steigenden Krebsfällen. 

Ist eine HPV-Impfung sinnvoll?

Dass Rachenkrebs in Zukunft noch epidemische Ausmaße annehmen könnte, hält Waterboer für unwahrscheinlich. Schließlich gibt es die HPV-Impfung, die als der wirksamste Schutz vor einer HPV-Infektion gilt.  

Da gibt es schon Daten aus Skandinavien zum Beispiel, wo man wirklich sehen kann, dass auch im Bereich der Kopf- und Halstumore die Impfung sich jetzt schon bemerkbar macht. Das hängt natürlich sehr stark ab von den Impfquoten. Je mehr Frauen und Männer geimpft sind, desto besser. 

In Deutschland sei die Bereitschaft zur Impfung aber noch mäßig, so das Bundesgesundheitsministerium. Seit der Empfehlung für Menschen mit Gebärmutter hat sich die Impfquote aber jährlich verbessert: 2018 waren circa die Hälfte aller 18-Jährigen mit Gebärmutter vollständig gegen HPV geimpft.

HPV-Impfung (Foto: IMAGO, Panthermedia)
Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die HPV-Impfung für Menschen zwischen 9 und 14 Jahren. Aber auch junge Erwachsene, die bereits sexuell aktiv waren, können die Impfung noch nachholen.

So haben sich die Impfstoffe mit der Zeit verbessert

In Deutschland sind zwei Impfstoffe gegen HPV zugelassen: Ceravix und Gardasil9. Beide bieten einen fast hundertprozentigen Schutz vor den Hochrisikotypen HPV16 und HPV18. Diese Subtypen sind für etwa 70% aller Fälle von Gebärmutterhalskrebs verantwortlich. HPV16 gilt als der Hauptverursacher von Rachenkrebs.

Mit den Jahren wurden die HPV-Impfstoffe weiterentwickelt: Gardasil9 ist seit 2015 zugelassen und schützt zusätzlich vor den HPV Subtypen 6, 11, 31, 33, 45, 52 und 58. Der Impfstoff gibt damit einen breiter gefächteren Impfschutz als sein Vorgänger Gardasil. Er schützt auch vor Genitalwarzen, die mit den jeweiligen Hochrisikotypen assoziiert werden.

Die HPV-Impfstoffe gelten als gut verträglich und sicher.

Wer kann sich gegen HPV impfen lassen?

Inzwischen wird die Impfung in Deutschland allen Menschen zwischen 9 und 14 Jahren empfohlen, egal welches Geschlecht sie haben und auch nach dem ersten Sex. Denn auch andere Krebsarten als Gebärmutterhalskrebs – wie Mundrachenkrebs – können durch die Infektion ausgelöst werden. 

Auch Menschen über 15 Jahre können sich noch gegen HPV impfen lassen. Statt zwei Impfdosen im Abstand von fünf bis 13 Monaten sind dann drei Impfdosen im Abstand von zwei Monaten zwischen erster und zweiter Impfung und vier Monaten zwischen zweiter und dritter Impfung empfohlen. Die Impfung sollte laut Empfehlung bis zum 18. Lebensjahr nachgeholt werden. Viele Krankenkassen übernehmen die Kosten aber auch noch im jungen Erwachsenenalter.

Übrigens: Ein Kondom kann beim Sex nicht vollständig vor einer Infektion schützen. Beim Küssen, Blutspenden oder beim Stillen von Kindern hingegen ist kein Infektionsrisiko bekannt.

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