Das Wrack der legendären „Endurance“ ist eines der berühmtesten Schiffswracks der Welt. Manche vergleichen es sogar mit der „Titanic“. Der britische Polarforscher Sir Ernest Shackleton wollte von 1914-1917 mit seiner Expedition als Erster den antarktischen Kontinent durchqueren.
Doch sein Dreimaster „Endurance“ sank im Januar 1915, das Vorhaben scheiterte. Dennoch gehört Shackletons Reise und die Rettung der Crew aus dem Eis bis heute zu den ganz großen Geschichten der Antarktisforschung. Das machte auch die Suche nach dem Wrack der „Endurance“ so spannend.
Und nun: mehr als 100 Jahre nach dem Schiffbruch des britischen Expeditionsschiffs haben Forscher im antarktischen Weddellmeer dessen hölzernes Wrack gefunden.
Das Wrack der Endurance endlich gefunden
Drei Wochen lang hat das Forschungsteam um die Meereisphysikerin Stefanie Arndt nach der Endurance gesucht. Mit Erfolg: In einer Tiefe von 3.008 Metern innerhalb des Suchgebiets.
Stefanie Arndt vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven hat schon neun Forschungsreisen in die Antarktis hinter sich. Aber diese Expedition mit einem südafrikanischen Eisbrecher war auch für die erfahrene Meereisphysikerin etwas ganz besonderes: "Für mich persönlich ist es so, dass das allererste Buch, was ich über die Polarforschung gelesen habe, war tatsächlich das über die Expedition von Shackleton mit der „Endurance“, wo er dann steckengeblieben ist, gedriftet ist und das Schiff dann gesunken ist. Wo sozusagen mein eigener Beginn auch in der Polarforschung war!“
Umso überwältigender war das Team als die Expedition geglückt ist: "Die Freude ist nach wie vor ungebrochen und auch als wir selbst dann die Bilder gesehen haben, hat man wirklich Gänsehaut bekommen", so Stefanie Arndt.
Wrack in sehr gutem Zustand
Das Wrack an sich ist laut den Forschenden in einem sehr guten Zustand. Man sehe den Schriftzug der Endurance, man sehe das Steuerrad, Geschirr auf dem Deck, so Stefanie Arndt, "Als wir gestern hier an Bord das Bewegtbildmaterial gesehen haben, hat uns der Schiffswrack-Experte Mensun Bound eine Tour über das Schiff gegeben, und es ist einfach beeindruckend, wie viel man noch sehen kann."
Tückisches Eis im Weddelmeer
Zum Team der über 60 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an Bord gehörte auch der Meereisphysiker Lasse Rabenstein aus Bremen. Gemeinsam mit Stefanie Arndt analysierte er zuvor die Eisbedingungen im Weddellmeer. Das ist wichtig, damit das Schiff überhaupt die Stelle erreichen kann, an der die „Endurance“ vermutlich gesunken ist.
Die größte Herausforderung vermuteten sie den Analysen nach in der Dicke des Eises: Die Reise ist, so Rabenstein, deswegen so schwierig, weil das Meereis in der Weddell-See zum dicksten Meereis in der Antarktis gehört. Das Eis habe oft eine dicke Schneeauflage, die sehr schwer zu durchbrechen und zu durchfahren sei. Das war zumindest die Befürchtung am Anfang. Aber es kam anders:
Das Wetter spielte ihnen in die Karten. Dieses Jahr profitierten sie von einer sehr niedrigen Meereis-Ausdehnung im antarktischen Sommer. Damit seien die Eisbedingungen zuträglich gewesen, so Arndt.
Tauchroboter hängt an Kabel
Vor drei Jahren ist allerdings schon mal eine Suche nach der „Endurance“ gescheitert. Damals hatte sich einer der autonomen Tauchroboter, die das Wrack in rund 3.000 Meter Tiefe aufspüren sollten, selbständig gemacht und war mitsamt der gesammelten Daten unter dem Eis verschwunden. Um das zu verhindern, konnten die Suchgeräte für den Notfall ferngesteuert werden.
Diesmal war der Tauchroboter auch mit einem Kabel die ganze Zeit angeleint, was die Daten live an die Oberfläche auf die Eisscholle oder auf das Schiff überträgt.
Er konnte also eine gewisse Fläche links und rechts des Instruments abscannen und dabei sehr hoch aufgelöste Bilder des Meeresbodens kreieren. Mit Hilfe von Lasertechnik hat das Forschungsteam dann hochaufgelöste Scans vom Schiff gemacht. Das geschah milimetergenau, um später alle Einzelheiten in einem hochaufgelösten 3-D-Modell sichtbar machen zu können.
Unterwasserroboter suchte nach dem Wrack
Das Expeditions-Team verließ sich bei der Suche vor allem auf die letzten Positionsmessungen, die „Endurance“-Kapitän Frank Worsley ein paar Tage vor dem Untergang des Schiffs vorgenommen hatte.
Und es wurde, so Lasse Rabenstein, zusätzlich noch analysiert, wie genau die Messungen sein können, mit was für Eisdrift man vielleicht auch damals noch rechnen konnte, wenn zwei Tage seit der letzten Messung vergangen sind, bevor die „Endurance“ dann wirklich durch das Eis brach. Da wurde also die Wrackstelle jetzt auf ein 15 mal 8 nautische Meilen großes Fenster eingegrenzt. Das sind ungefähr 15 mal 28 Kilometer, ein für die Suche nach einem Schiffswrack mit einem Unterwasserroboter relativ begrenzter Bereich. In kleinen Fenstern wurde der Bereich nochmal eingegrenzt und nach und nach abgefahren.
Wrack ist kulturelles Denkmal und darf daher nicht geborgen werden
Nebenbei will die Meereisphysikerin des Alfred-Wegener-Instituts auch noch ein bisschen Klimaforschung betreiben und die Suche nach der „Endurance“ nutzen, um den Schnee auf dem Antarktis-Eis genauer zu untersuchen.
Die „Endurance“ wird aber auf jeden Fall bleiben, wo sie ist, betont Lasse Rabenstein. Die „Endurance“ ist ein kulturelles Erbe der Menschheit.
Im Rahmen des Internationalen Antarktis-Vertrages ist es auch geregelt, dass solche kulturellen Denkmäler der Menschheit nicht aus der Antarktis entfernt werden dürfen. D.h. die Forschenden haben nur die Erlaubnis, das Wrack zu filmen und zu vermessen. Nach Hause kommen also vor allem die Daten über das Schiff, die Fotos, 3D-Modelle - und natürlich die Geschichten, die die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen davon geschrieben haben.