Welten in Gläsern-Hermetospaeren (Foto: SWR)

Ein Ökosystem für zuhause

Hermetosphären - Welten in Gläsern

Stand
AUTOR/IN
Antonia Weise

Abgeschieden vom Rest der Welt sind die Pflanzen in den kleinen Gläsern. Selbst für Menschen, die keinen grünen Daumen haben, sind Hermetosphären leicht nachzubauen.

Eine Hermetosphäre ist ein Ökosystem für zuhause. Mit dem Bau dieser geschlossenen Pflanzenwelt schafft man Bedingungen, die ein optimales Wachstum von bestimmten Organismen sicherstellen. Also einen Lebensraum für Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen. Der Begriff Hermetosphäre ist eine Wortneuschöpfung (aus dem lateinischen hermetic = verschlossen, griech. spharia = Hülle). Den Begriff hat der Biologe Ulf Soltau geschaffen. Er berichtet auf seinem Blog seit Jahren über den Bau von Hermetosphären:

Wie in einem richtigen Ökosystem finden Wechselwirkungen zwischen Pflanzen, also den sogenannten Produzenten und Konsumenten statt. Die Pflanzen oder Algen produzieren mit Hilfe von Licht, Sauerstoff und Zucker. Der Sauerstoff und Zucker kann dann wiederum von den Konsumenten, den Mikroorganismen, genutzt werden. Damit dieser Kreislauf funktioniert und alle Beteiligten überleben, müssen optimale Verhältnisse geschaffen werden.

Sven Plöger (Foto: SWR/Christian Koch)
In einem neunteiligen YouTube-Format mit Sven Plöger spricht der Wettermoderator darüber, wie wichtig Klimaschutz ist. Denn anders als bei der Hermetosphäre, hat die Erde keine zweite Chance.

Pflanzen verschiffen in Gläsern

Die Idee der Hermetosphäre ist nicht neu. Spätestens im 16. Jahrhundert wollten Entdecker quer über die Ozeane auch exotische Pflanzen transportieren. Geklappt hat das aber nur selten. Im Schiff gab es unter Deck kein Licht und auf Deck hatten die meisten Pflanzen auch keine Chance: Zu viel Sonnenlicht, Salzwasser und die ständigen Wetter- und Klimawechsel sind nicht gerade optimale Bedingungen für eine Pflanze.

Manchmal hat es trotzdem geklappt, aber auf diesen Zufall wollte sich der englische Botaniker Nathaniel Bagshaw Ward nicht verlassen und hat Mitte des 19. Jahrhunderts verglaste Transportkisten gebaut - den Ward’schen Kasten. Die Feuchtigkeit bleibt drinnen und so könnten die Pflanzen hier beim Transport zumindest einige Wochen überleben. Durch diesen Kasten war es erstmals möglich, Pflanzen über einen längeren Zeitraum mit dem Schiff nach Europa zu transportieren, ohne dass sie zu Schaden kommen.

Hermetosphäre und Schiff  (Foto: SWR)
Im Gegensatz zu früheren Transportkisten war der es durch Hermetosphären möglich, Pflanzen wochenlang per Schiff zu befördern.

Auf die Idee ist der Botaniker übrigens ganz zufällig gekommen: Eigentlich – so heißt es – wollte der Biologe in einer Glasflasche einen Schmetterling schlüpfen lassen. Doch dann wuchs in der Flasche auch plötzlich ein bisschen Grün – in einem geschlossenen System. Die Idee eines Transportkastens für Pflanzen war geboren – und damit auch der Vorläufer für unsere Hermetosphäre.

Do-it-yourself: Was ist der richtige Behälter für das Ökosystem?

Damit der Inhalt des Gefäßes betrachtet werden kann, ist ein durchsichtiges und schlichtes Gefäß von Vorteil. Auch hinsichtlich der Sonneneinstrahlung sind transparente oder farblose Gefäße besser, weil diese mehr Licht durchlassen.

Bei braunem oder grünem Glas dringt weniger Licht hindurch. Die Form und Größe für das kleine Ökosystem spielt keine Rolle - solange die gewünschten Pflanzen noch rein passen. Die einzige Voraussetzung ist ein luftdichter Verschluss, denn es darf nichts Eindringen oder Austreten. Einmachgläser mit einer Kunststoffdichtung bieten sich daher an. Durch den Kunststoff als Dichtung ist ein hermetischer Verschluss sichergestellt. Nur dann ist es eine richtige Hermetosphäre.

Außerdem ist ein Behältnis mit einem breitem Hals hilfreich. So ist es leichter, das Gefäß zu bestücken und die Materialien hineinzugeben. Ist ein passendes Gefäß gefunden, kommt der Boden dran. Vor dem Befüllen ist darauf zu achten, dass das Behältnis sauber ist.

Damit unterscheidet sich die Hermetosphäre von einem Flaschengarten. Denn eine Hermetosphäre ist im Gegensatz zu einem Flaschengarten verschlossen. Das heißt natürlich auch: die Pflanzen müssen nicht regelmäßig gegossen werden und können in dem geschlossenen System überleben. Es entsteht ein autarker Kreislauf. Die Prozesse laufen von selbst ab.

Das Glas kann auch mit einem Korkdeckel abgedichtet werden - wenn die hermetische Abriegelung dann nicht mehr zu hundert Prozent gewährleistet ist. Streng genommen handelt es sich dann nicht mehr um eine Hermetosphäre. Der einzige Unterschied besteht in der Pflege, sodass möglicherweise häufiger der Wassergehalt in der Hermetosphäre überprüft werden sollte.

Wie viel Wasser brauchen die Pflanzen?

Beim Anlegen der Hermetosphäre sollte eine zu hohe Wässerung der Pflanzen vermieden werden. Je nach Größe der Hermetosphäre reichen wenige Esslöffel Wasser, wenn die eingesetzten Pflanzen wenige Stunden vor dem Einsetzen ausreichend gewässert wurden. Die richtige Wassermenge ist erreicht, wenn das Substrat nass, aber kein Wasser am Gefäßboden sichtbar ist.

Verschiedene Gefäße für die Hermetosphären (Foto: SWR)
Egal ob Einmachläser, Flaschen oder oder andere Glasgefäße. Wichtig ist nur, dass die Gefäße luftdicht verschlossen werden können.

Was für Pflanzen können in die Hermetosphäre rein?

Natürlich darf in einer H-Sphäre das Grüne nicht fehlen – die Pflanzen. Nicht alle Gewächse können einfach in das Gefäß hinein, denn sie haben einen Toleranzbereich. Also der Bereich in dem die bloße Existenz der Pflanzen möglich ist, ohne Ansprüche an Arterhaltung oder Ähnlichem zu stellen. Vor allem durch das abgeschlossene System, in dem sich die grünen Gewächse befinden werden, müssen sie bestimmte Bedingungen erfüllen. Besonders geeignet sind Pflanzen, die eine hohe Luftfeuchtigkeit tolerieren. Denn in den Gläsern wird es tropisch.

Da der Behälter nicht so groß ist, kommen im Wesentlichen Pflanzen infrage, welche klein bleiben. Größere Pflanzen konkurrieren im Laufe der Zeit. Nicht jede kann überleben – wie in einem richtigen Ökosystem.

Übersicht von Pflanzen in der Hermetosphäre (Foto: SWR)
Farne, Moose und bestimmte Blütenpflanzen können in der Hermetosphäre leben. Da es im Gefäß sehr warm wird und eine hohe Luftfeuchtigkeit vorhanden ist, eignen sich tropische Pflanzen besonders gut.

Die verschiedenen Pflanzen:

Grundsätzlich eignen sich Moose, Farne und verschiedene Blütenpflanze

Moose, die wir in Deutschland finden, sind nicht unbedingt für die Hermetosphäre geeignet. Doch hier gilt ausprobieren: Hier gibt es auch immer wieder unerwartete Erfolge. Grundsätzlich sollten alte Blätter und etwas Blumenerde vor dem Einsetzen in den neuen Lebensraum, entfernt werden.

Wenn die Öffnung des Behälters zu klein ist, kann eine Pinzette Abhilfe leisten, um die Pflanzen an den richtigen Platz zu setzen. Wer bei den Moosen auf sicher gehen möchte, kann tropische Moose verwenden, die im Fachhandel oder über Online-Versandhändler zu bekommen sind.

Die Pflanzen entwickeln sich in der Hermetosphäre übrigens oft anders als draußen in der Natur. Sie passen sich an die höhere Luftfeuchtigkeit an und müssen weniger auf den eigenen Wasserhaushalt aufpassen. So sind viele Pflanzen nach Monaten in der Hermetosphäre nicht mehr überlebensfähig – sie würden außerhalb der Glaswelt mehr oder weniger vertrocknen.

Moos für die Hermetosphäre (Foto: SWR)
Moos aus den Wäldern in Deutschland können manchmal in der Hermetosphäre überleben. Sie passen sich ihren Gegebenheiten an.

Wie sieht der Boden aus?

Bei der Hermetosphäre kommt keine normale Blumenerde zum Einsatz, sondern ein Substrat. Die Pflanzenerde, die wir kennen, besteht nämlich aus organischen Stoffen und ist damit sehr reich an Mineralien und Nährstoffen. Für unser kleines Ökosystem wird ein anorganisches Substrat benötigt. Dieses Substrat muss weitere bestimmte Bedingungen erfüllen - sollte möglichst grobkörnig sein. Hinzu kommt eine gewisse Schichthöhe des Substrats in dem Gefäß - mindestens 15 bis 20 Prozent der Gesamthöhe der Hermetosphäre.

Chemisch gesehen muss das Substrat einen neutralen pH-Wert haben. Das bedeutet: Es darf weder ein alkalisches noch ein saures Milieu haben. Die Pflanzen brauchen nur eine sehr geringe Menge an Nährstoffen, gerade so, dass sie wachsen können. Die Pflanzen sollen sich möglichst langsam entwickeln. Nur so kann der Lebensraum lange genutzt werden.

Eine grobe Körnung des Substrats ist aus physikalischen, chemischen und biologischen Aspekten wichtig. Eine gesunde Menge von Wasser und Luft muss die Wurzeln der Gewächse erreichen. Die Zwischenräume, die durch die grobe Körnung zustande kommen, bewirken das Diffundieren von Wasser in die gewünschten Bereiche. Dies bedeutet – ein Konzentrationsausgleich der Wassermoleküle und Gase sowohl zwischen als auch in den Zellen findet statt.

Der Gasaustausch an den Wurzeln ist also durch die grobe Körnung möglich. Schimmel wird vermieden. Das Substrat speichert außerdem übrig gebliebenes Wasser - zum Vorteil der Hermetosphäre, denn in der kann die überschüssige Flüssigkeit nicht abfließen. Zwei bis sechs Millimeter ist aus den zuvor genannten Gründen ein guter Durchmesser für die Substratkörner.

Wenn nicht nur einfach Blumenerde, was dann für ein Substrat?

Damit das Wasser sich optimal verteilen kann, sollte das Substrat aus verschiedenen Schichten bestehenm - unten möglichst aus grobkörnigem Substrat (zum Beispiel Blähton), danach feinkörnigeres (zum Beispiel Lavagranulat). Auf das Substrat wird teilweise noch eine sehr dünne Schicht von Pflanzenerde gegeben (ohne Dünger!).

Substratschichten Hermetosphäre (Foto: SWR)
Anstatt Blumenerde kommen verschiedene Substrate zum Einsatz. Unten beispielsweise Blähton, dann Lavagranulat und wenn man möchte, kann ein wenig ungedüngte Blumenerde draufgegeben werden.

Und wie viel von dem Substrat fülle ich in den transparenten Behälter rein?

Wie schon zuvor erwähnt, ist die Schichthöhe des körnigen Bodens ein wesentlicher Bestandteil. Die Zusammensetzung zwischen Substrat- und Wurzelschicht mit dem Rest des Glaskörpers muss stimmen, denn all das hat Auswirkungen auf die Speicherung des Wassers, die Durchlüftung im Bereich der Wurzeln und damit auch die Nährstoffaufnahme. Hinzu kommt, dass die Wurzeln, wie bei anderen Pflanzen auch, einen gewissen Halt benötigen. Mindestens 20 Prozent der Gesamthöhe des Gefäßes sollte das Substrat ausmachen. Ansonsten fallen sie um und sehen nicht mehr schön aus.

Wie pflege ich die Hermetosphäre?

Die tropischen Springschwänze und weiße Asseln reichen nicht aus, um das Miniatur-Ökosystem sauber zu halten. Viel pflegen muss man die Hermetosphäre allerdings nicht. Zu Beginn können abgestorbene Pflanzenteile mit Hilfe einer Pinzette aus dem System entfernt werden, dadurch kann eine Belastung vermieden werden.
Jeder der schon einmal im Regenwald war, und sei es nur im Tropenhaus eines Zoos, weiß – es herrschen feucht-warme Klimabedingungen. Kondenswasser am Glas lässt sich nicht vermeiden – auch die spätere Bildung von Algen.

Hermetosphäre mit Kondeswasser am Glas (Foto: SWR)
Durch die hohe Luftfeuchtigkeit lässt sich die Bildung von Kondeswasser nicht vermeiden. Wer dennoch klare Sicht haben möchte, der kann das Glas mit Hilfe eines Magnetreinigers säubern.

Die Hermetosphäre sollte immer mal wieder gedreht werden. Das ist auch für den Wuchs der Pflanze gut. Mittels eines Magnetreinigers kann der Schmutz von der Scheibe entfernt werden. Der wird innerhalb beziehungsweise außerhalb der Gefäßwand angebracht und das Glas durch einfaches Wischen des Magnets gereinigt. Natürlich sollte der Magnet vor dem Verschließen des Behälters hinein gegeben werden, sodass die Hermetosphäre zum Zeitpunkt der Säuberung nicht mehr geöffnet werden muss.

Wichtig ist, dass auf dem Boden des Gefäßes kein Wasser sichtbar ist, sondern das Substrat die überschüssige Flüssigkeit gespeichert hat. Ist zu wenig Wasser vorhanden, kann mit einer Ballbrause gegossen werden. Dazu muss man das Gefäß allerdings öffnen. Wichtig: Das Wasser muss möglichst keimfrei sein. Die Pflanzen sollten daher nicht mit abgestandenem Wasser gegossen werden. Nur frisches Wasser aus einem frisch gewaschenen Gefäß sollte genutzt werden.

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Antonia Weise