Das Okular von KINEVO (Foto: ard-foto s1, Copyright: Deutscher Zukunftspreis, Ansgar Pudenz)

Deutscher Zukunftspreis

Roboter-Assistent für die Mikrochirurgie

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Sandra Biegger
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Vincent Kolominsky

Das Projekt KINEVO soll dazu beitragen, dass schwierige Gehirnoperationen sicherer werden. Das Projekt gehörte zu den Nominierten des Deutschen Zukunftspreises.

Ein OP-Saal im Inselspital in der Schweizer Hauptstadt Bern: Auf dem Tisch liegt eine Frau mittleren Alters, in deren Gehirn mehrere Aneurysmen (also Arterienerweiterungen) entdeckt wurden. Diese sind bei ihr erblich bedingt und sollen bei dem geplanten Eingriff entfernt und die Blutbahnen danach mit Klammern verschlossen werden.

Ein mehrstündiger, mikrochirurgischer und schwieriger Eingriff für den Direktor der Neurochirurgischen Uniklinik am Inselspital in Bern, Professor Andreas Raabe. Doch neuerdings erhält der Experte für überwachte und motorisierte Mikrochirurgie von Gehirn- und Wirbelsäule maschinelle Hilfe.

Operation mit Unterstützung durch Roboter KINEVO (Foto: ard-foto s1, Copyright: Deutscher Zukunftspreis Ansgar Pudenz)
Die Maschine kann viel genauer sehen, als das menschliche Auge. Bei mikrochirurgischen Eingriffen, die meist mehrere Stunden in Anspruch nehmen, kann KINEVO das Personal außerdem körperlich wie auch psychisch entlasten.

Unterstützung durch Roboter bei Gehirn-OPs

Der Professor wird bei komplizierten und langwierigen Eingriffen in Gehirn und Wirbelsäule fortan nicht mehr nur von seinen Kollegen, sondern auch von KINEVO unterstützt. Das ist ein Operationsroboter, mit dessen Hilfe Ärzte bei mikrochirurgischen Eingriffen, zum Beispiel im Gehirn, Dinge sehen können, die mit dem bloßen Auge teilweise nicht erkennbar sind. Für Raabe ist dies eine große Hilfe:

„Früher hatten wir nur das Lichtmikroskop, wo wir auch nur das sehen konnten, was unsere Augen sehen konnten und heute bekommen wir angezeigt, wohin man operieren muss, wie groß die Ausdehnung von Tumoren ist, das sind neue Sinne für uns. Die Informationen können wir gebrauchen, um erfolgreicher zu operieren, um eben Komplikationen zu vermeiden.“

Prof. Dr. Andreas Raabe vom Inselspital Bern (Foto: ard-foto s1, Copyright: Deutscher Zukunftspreis Ansgar Pudenz)
Andreas Raabe arbeitet seit über 30 Jahren am OP-Tisch. Trotzdem stellt KINEVO eine enorme Erleichterung für ihn dar.

KINEVO verhilft Chirurgen zu mehr Informationen

KINEVO, das ist nicht nur ein rund 300 Kilogramm schwerer und großer Operationsroboter mit Schwenkarm, an dessen Ende das Mikroskop und zwei Joysticks befestigt sind. KINEVO ist eine ganze Plattform, die sich aus mehr als 100 Einzelpatenten zusammensetzt. Die Grundidee stammt von Professor Andreas Raabe, der lange Zeit in Frankfurt gearbeitet hat, bevor er an die Uniklinik Bern gewechselt ist. Er hat KINEVO gemeinsam mit der Firma Carl Zeiss Meditec aus dem baden-württembergischen Oberkochen entwickelt.

Mit dem Projekt war Raabe auch für den Deutschen Zukunftspreis nominiert, der am 25. November vom Bundespräsidenten verliehen wurde.

Die Technologie hat große Implikationen für die schnelle und sichere Durchführung von chirurgische Eingriffen. Dank der Neuerung würden den Chirurgen beispielsweise schon während der OP wesentlich mehr Informationen zur Verfügung stehen als früher:

„Dass wir ins Gewebe hineinschauen und durchschauen, zum Beispiel Funktionen sehen, die wir mit dem Auge nicht sehen können oder das Thema Hirntumore vom normalen Gewebe unterscheiden, das ist tatsächlich sehr schwierig, das ist wie der Unterschied zwischen Butter und Margarine.“

KINEVO, das robotische Visualisierungssystem für Mikrochirurgie im OP-Saal (Foto: ard-foto s1)
Das robotische Visualisierungssystem, dass von Zeiss Meditech in Zusammenarbeit mit Andreas Raabe entwickelt wurde, wiegt mehrere hundert Kilo. Das für den Deutschen Zukunftspreis nominierte Projekt ist eine Plattform für eine Vielzahl von Einzelpatenten.

Erleichterte Bedienung macht große Unterschiede

Dank KINEVO kann man sogar in Zellen reinschauen und Vergrößerungen machen, die früher nur Pathologen und Histologen nach einer OP im Labor liefern konnten. Gesteuert wird das schwere Gerät mit dem Mund. So hat die Chirurgin oder der Chirurg die Hände frei. Wenn der Operateur will, kann er sich die Bilder, die das KINEVO liefert, auch auf einem externen Bildschirm anzeigen lassen. Das ist haltungsschonender - ein Vorteil, der vor allem bei mehrstündigen Operationen nicht zu unterschätzen ist.

„Der Bildschirm ersetzt praktisch das Okular, durch das man schaut. (...) Während man beim normalen Mikroskop auch seitlich gebeugt durchschauen muss, kann man auf dem Bildschirm dann losgelöst operieren, das ist sehr ergonomisch, hat vielleicht andere Nachteile bei der 3D-Wahrnehmung, aber man muss es als Operateur zur Verfügung haben.“

Der Roboterarm KINEVO mit Bildschirm (Foto: ard-foto s1, Copyright: Deutscher Zukunftspreis Ansgar Pudenz)
Ein Bildschirm erleichtert die Lokalisation von Objekten und schont dabei die Körperhaltung, gleichzeitig geht aber auch der dreidimensionale Eindruck verloren.

Technische Unterstützung entlastet nicht nur, sondern macht Eingriffe auch präziser

Chefarzt Andreas Raabe sagt, für ihn bestehe der größte Vorteil von KINEVO darin, dass er damit entspannter operiere. Vor allem bei Tumoroperationen im Gehirn sei der Stress enorm – auch wenn man wie er seit dreißig Jahren im OP steht.

Eine Operation, bei der der Roboter KINEVO zum Einsatz kommt. (Foto: ard-foto s1)
Bei einem mikrochirurgischen Eingriff in das Gehirn sind mehrere Personen beteiligt, die unter höchster Konzentration arbeiten müssen. Die herrschende Anspannung könnte durch die außergewöhnlich präzise Visualisierung von KINEVO spürbar reduziert werden.

„Bei Operationen am Gehirn haben sie immer das Problem, dass es zwei Seiten gibt. Zum einen die onkologische Seite, die Tumorseite, da will man so viel wie möglich entfernen, auf der anderen Seite ist das gar nicht möglich, weil die Funktionen, von denen wir leben, die uns ausmachen als Mensch, weil die so dicht gepackt sind, dass wir manchmal gar nicht mit Sicherheit komplett resezieren können. Zu früheren Zeiten hat man im Zweifelsfall immer mehr Tumor zurückgelassen, um die Funktion zu schonen, und es war immer ungewiss, wie der Patient aufwacht - und das ist heute nicht mehr so.“

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