Die Myasthenie-Patientin Fabienne Schröder erhielt eine CAR-T-Zell-Therapie. Die Myasthenie besserte sich extrem. Das macht Hoffnung - auch für andere Autoimmunkrankheiten wie Lupus und Multipler Sklerose. (Foto: SWR, SWR)

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CAR-T-Zell-Therapie macht Hoffnung bei Autoimmunkrankheiten

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Veronika Simon
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Martina Janning

Erste Erfolge mit CAR-T-Zell-Therapien bei Myasthenie und Lupus machen große Hoffnungen - auch für andere Autoimmunkrankheiten. Nun müssen Studien die Ergebnisse bestätigen.

Manchmal stecken hinter unscheinbaren Namen große Fortschritte. Für Autoimmunerkrankungen könnten CAR-T-Zellen so ein Fall sein. CAR-T-Zellen werden aktuell bei der Behandlung von bestimmten Krebsarten eingesetzt. Doch Studien aus der ganzen Welt zeigen: Offenbar könnten CAR-T-Zellen auch bei Autoimmunerkrankungen eine Wirkung zeigen.

Myasthenie: Dank CAR-T-Zellen aus dem Rollstuhl

Noch steht die Forschung am Anfang: Erst etwa 100 Menschen mit einer Autoimmunerkrankung wurden experimentell mit CAR-T-Zellen behandelt. Zum Teil zeigten sich beeindruckende Erfolgen - wie bei Fabienne Schröder. Sie hat Myasthenie, eine schwere neurologische Autoimmunerkrankung. Bei einer Myasthenia gravis - kurz: Myasthenie - blockieren fehlgeleitete Antikörper die Signale zwischen Nerven und Muskeln. Bei längeren Strecken war Fabienne Schröder auf einen Rollstuhl angewiesen, ihre Lunge wurde immer schwächer.

Ich bin von einer Krise in die nächste Krise gerutscht, konnte immer schlechter atmen. Ich bin auch aufgequollen, ich habe 25 Kilo mehr gewogen. Mein ganzes Immunsystem feuerte immer weiter und hat immer mehr andere Autoimmunerkrankungen auch gebildet, sodass man am Ende mit dem Rücken an der Wand stand und gesagt hat: Wenn wir jetzt nicht irgendwas machen, könnte ich auch daran versterben irgendwann.  

Als letzte Möglichkeit erhielt Fabienne Schröder in der Uniklinik Bochum eine CAR-T-Zell-Therapie, eine Gentherapie. Keine Kleinigkeit. "Ich hatte Todesängste, das nicht zu überstehen", berichtet Fabienne Schröder, "dass die Therapie so eingreifend ist, dass ich da nicht mehr rauskomme. Ich hatte aber letztendlich keine andere Wahl."

CAR-T-Zell-Therapie macht Hoffnung bei Autoimmunkrankheiten. Die Myasthenie-Patientin Fabienne Schröder saß im Rollstuhl und kann nun wieder Sport treiben. (Foto: SWR, SWR)
CAR-T-Zell-Therapie macht Hoffnung bei Autoimmunkrankheiten. Die Myasthenie-Patientin Fabienne Schröder saß im Rollstuhl und kann nun wieder Sport treiben.

Nach der Behandlung gab es tatsächlich Komplikationen, Fabienne Schröder musste zeitweise auf die Intensivstation. Doch es hat sich ausgezahlt: Bereits nach wenigen Monaten zeigten die Kontrolluntersuchungen: Ihre Muskelkraft und Lungenfunktion sind zum Teil wieder wie bei einer gesunden Frau.

Ein so gutes Ergebnis hatte auch das Ärzteteam aus Bochum nicht erwartet. "Ich habe in 36 Jahren Myasthenie-Therapie an deutschen Universitäten nie eine Patientin gesehen, die aus dem Elektro-Rollstuhl quasi wieder ins Leben zurückgekommen ist", sagt Ralf Gold, Direktor Neurologie, Katholisches Klinikum Bochum.

Das Ärtzeteam an der Uniklinik Bochum wandte die CAR-T-Zell-Therapie gegen die Autoimmunkrankheit Myasthenie an. Mit dem extrem guten Ergebnis hatten sie nicht gerechnet. CAR-T-Zell-Therapie macht Hoffnung bei Autoimmunkrankheiten. (Foto: SWR, SWR)
Das Ärtzeteam an der Uniklinik Bochum wandte die CAR-T-Zell-Therapie gegen die Autoimmunkrankheit Myasthenie an. Mit dem extrem guten Ergebnis hatten sie nicht gerechnet.

CAR-T-Zellen machen B-Zellen unschädlich

Diese Erfolge sind möglich, weil CAR-T-Zellen bestimmte Immunzellen der Patient*innen unschädlich machen: Die sogenannten B-Zellen.

In einem gesunden Immunsystem bilden B-Zellen Antikörper, die Schädlinge erkennen und ausschalten können. Bei Autoimmunerkrankungen richten sich einige dieser Antikörper gegen den eigenen Körper - mit fatalen Folgen.

Bei der CAR-T-Zell-Therapie werden sogenannte T-Zellen, also andere Immunzellen der Patient*innen im Labor genetisch verändert. Damit können die neu hergestellten Immunzellen die B-Zellen im Körper festhalten und zerstören. Mit den B-Zellen verschwinden auch die schädlichen Antikörper. Das Immunsystem der Patient*innen muss jedoch erst wieder neu aufgebaut werden.

Bei der CAR-T-Zell-Therapie erhalten die Patient*innen mit Autoimmunkrankheiten im Labor genetisch veränderte Immunzellen. Der neue Ansatz macht Hoffnung und könnte vielleicht auch für Multiple Sklerose geeignet sein. (Foto: SWR, SWR)
Bei der CAR-T-Zell-Therapie erhalten die Patient*innen mit Autoimmunkrankheiten im Labor genetisch veränderte Immunzellen.

Weltweit erste CAR-T-Zell-Therapie in Erlangen an Lupus-Patientin

Weltweit das erste Mal haben Ärzte der Uniklinik in Erlangen eine CAR-T-Zell-Therapie bei Menschen angewandt - bei einer jungen Patientin mit der seltenen Autoimmunerkrankung systemische Lupus erythematodes (SLE), kurz: Lupus. Die Antikörper griffen ihre Organe an und es wurde lebensbedrohlich.

"Die Patientin konnte mit der Infusion der CAR-T-Zellen alle Therapien beenden, sie war cortisonfrei und hat keine Immunsupression mehr", berichtet Georg Schett, Direktor Rheumatologie und Immunologie, Uniklinik Erlangen. "Sie ist jetzt 3 Jahre später immer noch später komplett krankheitsfrei und therapiefrei."

Sollte sich das in Zukunft weiter bestätigen - sollte Lupus mit CAR-T-Zellen dauerhaft heilbar sein - dann würde das auch die hohen Kosten rechtfertigen, so die Erlanger Forscher. Sie rechnen mit 200.000 Euro pro Infusion.

In Erlangen können sie CAR-T-Zellen selbst herstellen, doch das ist sehr aufwendig und muss für jeden Patienten individuell geschehen. Weltweit laufen bereits die ersten großen Studien an.

Im Moment sind wir sehr, ja, euphorisch und elektrisiert. 

An der Universität Erlangen setzen Ärzt*innen zum ersten Mal die CAR-T-Zell-Therapie erfolgreich bei Lupus ein. Die CAR-T-Zell-Therapie machen Hoffnung bei Autoimmunkrankeiten.  (Foto: SWR, SWR)
An der Universität Erlangen setzen Ärzt*innen zum ersten Mal die CAR-T-Zell-Therapie erfolgreich bei der Autoimmunkrankeit systemische Lupus erythematodes (SLE) ein.

Nur sehr schwere Fällen dürfen an Studien mit CAR-T-Zellen teilnehmen

In Erlangen wurden bisher 25 Betroffene mit verschiedenen Autoimmunerkrankungen erfolgreich mit CAR-T-Zellen behandelt. Dabei profitiert man von den Erfahrungen mit Krebspatienten aus den vergangenen Jahren.

Doch es gibt Unterschiede - auch aus ethischer Sicht, erklärt Andreas Mackensen, Direktor Hämatologie und Internistische Onkologie, Uniklinik Erlangen: "Bei den Krebspatienten geht es da in der Regel auch um Leben und Tod. Die Patienten mit den Autoimmunerkrankungen sind häufig sehr junge Patienten, die können durchaus auch trotz der fortgeschrittenen Erkrankung damit leben. Aber, man muss natürlich auch an die Zukunft denken: Die Patienten, die wir hier behandeln, haben alle letztendlich einen Organbefall gehabt von lebenswichtigen Organen."

Zurzeit dürfen deshalb nur sehr schwere Fälle an den Studien teilnehmen, nachdem alle anderen Behandlungen fehlschlugen. Denn noch gibt viele offene Fragen.

Am Universitätsklinik Eppendorf (UKE) testen das Team um Manuel Friese den Einsatz der CAR-T-Zell-Therapie bei Multipler Sklerose. Bei anderen Autoimmunkrankheiten brachte der Ansatz erste Erfolge und macht Hoffnung. (Foto: SWR, SWR)
Am Universitätsklinik Eppendorf (UKE) testen das Team um Manuel Friese den Einsatz der CAR-T-Zell-Therapie bei Multipler Sklerose.

Könnte der Ansatz auch bei Multipler Sklerose helfen?

Offen ist auch, ob das Prinzip bei anderen Erkrankungen wie Multipler Sklerose wirken könnte. Bei Multipler Sklerose wandern fehlgeleitete B-Zellen ins Gehirn und Rückenmark, bleiben dort und richten über eine lange Zeit kontinuierlichen Schaden an.

CAR-T-Zellen haben hier einen Vorteil: "Am Ende ist es ja eine lebende Zelle, die man gibt und die hat all die Möglichkeiten, die sozusagen eine Zelle hat. Sie hat die Möglichkeit in das Gehirn überzutreten und dort die Ziele zu finden, auf die sie programmiert wurde", erklärt Manuel Friese, Direktor Institut für Neuroimmunologie und Multiple Sklerose am UKE Hamburg

Die ersten Patientinnen mit Multipler Sklerose haben in Hamburg bereits CAR-T-Zellen erhalten. Größere Studien folgen. Doch einen so auffälligen Effekt wie bei Lupus oder Myasthenie erwartet Manuel Friese bei MS nicht: "Im Gegensatz zu vielen anderen Autoimmunerkrankungen ist es so, dass das Nervensystem meistens ja durch die zurückliegenden Entzündungen schon irreversibel geschädigt wurde.

Und damit jetzt nicht sofort ein sofort ersichtbarer Nutzen irgendwie stattfindet von allen Therapien, die wir so haben. Das Ziel ist es, dass wir weitere Schädigung abwenden wollen." Sagt Manuel Friese, Direktor Institut für Neuroimmunologie und Multiple Sklerose, UKE Hamburg

Große Studien müssen die Ergebnisse von CAR-T-Zellen bestätigen

Und auch bei Myasthenie oder Lupus gilt: So vielversprechend die Ergebnisse bisher sind: Sie müssen noch durch große Studien bestätigt werden. Bereits im Jahr 2025 erwarten die Forscher in Erlangen wichtige Ergebnisse. Sollten diese positiv ausfallen, könnten die ersten Zulassungen von CAR-T-Zellen bei Autoimmunerkrankungen bald folgen.

Die Erfolge der CAR-T-Zell-Therapie bei den Autoimmunkrankheiten Myasthenie und Lupus müssen durch große Studien bestätigt werden. Dann wird sich zeigen, ob sich die derzeitigen Hoffnungen erfüllen. (Foto: SWR, SWR)
Die Erfolge der CAR-T-Zell-Therapie bei den Autoimmunkrankheiten Myasthenie und Lupus müssen durch große Studien bestätigt werden. Dann wird sich zeigen, ob sich die derzeitigen Hoffnungen erfüllen.

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