Lebensmittel

Bio-Siegel für Mineralwasser – mehr als nur ein Marketing-Gag?

Stand
Autor/in
Mirjam Stöckel
Onlinefassung
Ralf Kölbel

Bio-Lebensmittel liegen derzeit voll im Trend. Mittlerweile wird sogar Mineralwasser mit einem Bio-Siegel verkauft. Aber ist das überhaupt sinnvoll und nachhaltig?

Knapp 134 Liter Mineralwasser trinkt jeder von uns im Jahr durchschnittlich: still, spritzig, medium – die Auswahl ist groß. Und seit einiger Zeit stehen auch Wasserflaschen mit Bio-Siegel im Supermarktregal. Bei Wurst, Eier, Käse, Joghurt, Obst und Gemüse weiß man, wofür "bio" steht. So ungefähr, zumindest: Für weniger Pestizide auf den Feldern, für gentechnikfreies Saatgut und für mehr Auslauf für die Hühner beispielsweise.

Was aber will uns das Bio-Siegel bei Mineralwasser sagen? Und warum gibt es beim Wasser gleich zwei verschiedene Siegel – die wiederum nichts zu tun haben mit dem Bio-Siegel der EU?

"Der Begriff Bio-Mineralwasser ist noch gar nicht so alt. Es gibt seit knapp zehn Jahren diesen Begriff."

Bio-Mineralwasser enthält im Idealfall weniger Schadstoffe und ist nachhatliger produziert worden. Aber die Kriterien dafür sind nicht immer klar definiert.
Bio-Mineralwasser enthält im Idealfall weniger Schadstoffe und ist nachhatliger produziert worden. Aber die Kriterien dafür sind nicht immer klar definiert.

Bio-Mineralwasser: nachhaltig und mit weniger Schadstoffen

Damals urteilte der Bundesgerichtshof: Ein Mineralwasser darf dann als Bio-Mineralwasser ausgelobt werden, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind. Das heißt, wenn weniger Schadstoffe drin sind, wenn auch bestimmte Nachhaltigkeits-Umweltschutzkriterien festgelegt sind.

Zwei Bio-Siegel für Mineralwasser gibt es inzwischen.

  • Das eine vergibt die Qualitätsgemeinschaft Bio-Mineralwasser – ein Zusammenschluss von Öko-Anbauverbänden wie Demeter oder Bioland.

„Auf blauem Hintergrund steht bio – und in dem O ist ein kleiner Tropfen drin und drunter steht Mineralwasser.“

  • Das zweite Siegel kommt von einem privatwirtschaftlichen Unternehmen – von SGS Institut Fresenius. Es zeigt einen Kreis mit einer blauen Fahne dran. In der steht: „Premium-Mineralwasser mit Bioqualität und sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit.“
Bio-Mineralwässer schnitten bei Stiftung Warentest nicht besser ab als die meisten herkömmlichen Mineralwässer.
Bio-Mineralwässer schnitten bei Stiftung Warentest nicht besser ab als die meisten herkömmlichen Mineralwässer.

Was an Mineralwassern wirklich "bio" ist, ist nicht klar definiert

20 Wasser-Marken sind heute bio-zertifiziert – wobei Volvic das Fresenius-Siegel wegen eines laufenden Rechtsstreits im Moment nicht tragen darf. Und was genau darf nun drin sein im Bio-Wasser – beziehungsweise eher: was nicht? Das kommt aufs Siegel an. Denn, so der Verbraucherschützer Armin Valet:

„Es ist so, dass die Zertifizierer das mehr oder weniger frei festlegen können, wenn sie im Rahmen des BGH-Urteils bleiben, welche Schadstoffe sie im Grenzwert schärfer festlegen und welche nicht.“

Daher gelten bei beiden Bio-Siegeln im Detail unterschiedliche Vorgaben. Die Verbraucher*innen hätten dann, so Valet, die etwas schwierige Situation, dass "Bio" draufsteht aber sie nicht genau wüssten, was dahinter steckt. Im Gegensatz zu anderen Bioprodukten, die klar definiert sind.

Bio-Wasser aus Plastikflaschen? Das ist zumindest fragwürdig.
Bio-Wasser aus Plastikflaschen? Das ist zumindest fragwürdig.

Kein einheitliches EU-Siegel für Bio-Mineralwasser geplant

Für Obst, Gemüse, Molkereiprodukte und Fleisch beispielsweise legt nämlich die EU-Öko-Verordnung europaweit einheitliche Bio-Mindeststandards fest – die tragen dann das EU-Siegel mit dem grün-weißen Blatt. Valet fordert diese Lösung auch für Mineralwasser. Allerdings plant die EU-Kommission nach SWR-Recherchen derzeit nicht, die EU-Öko-Verordnung auf Mineralwasser auszuweiten.

Für Obst, Gemüse und andere Bio-Lebensmittel gibt es ein einheitliches EU-Ökosiegel, für Mineralwässer bislang nicht.
Für Obst, Gemüse und andere Bio-Lebensmittel gibt es ein einheitliches EU-Ökosiegel, für Mineralwässer bislang nicht.

Strengere Grenzwerte für Schadstoff in Bio-Wasser

Trotz aller Unterschiede im Detail – grundsätzlich gilt: Bei beiden Bio-Siegeln sind Grenzwerte für Schadstoffe wie Nitrat und Uran und für Rückstände etwa von Pestiziden, Arzneimitteln und Süßstoffen strenger als bei normalem Mineralwasser.
Diese Vorgaben zielen in erster Linie auf den Schutz der unterirdischen Mineralwasserquelle vor Verunreinigungen. Für die menschliche Gesundheit, sagen viele Experten, machen die strengeren Regeln praktisch keinen Unterschied. Gesund sind Mineralwässer nämlich in der Regel auch ohne Bio-Siegel. Denn auch sie sind, so die Einschätzung von Sebastian Rau vom Fresenius-Institut, von Natur aus sehr, sehr gut und sehr, sehr sauber. Da gebe es gar nicht die ganz großen Unterschiede.

Strengere Grenzwerte z.B. für Nitrat können auch bei Mineralwasser durchaus sinnvoll sein.
Strengere Grenzwerte z.B. für Nitrat können auch bei Mineralwasser durchaus sinnvoll sein.

Bio-Mineralwasser bei Tests nicht besser als normale Mineralwässer

Also – zugespitzt: Für die Gesundheit braucht es meist kein Bio-Mineralwasser. Das zeigt auch der jüngste Test der Stiftung Warentest: Wassersorten ohne Bio-Siegel schnitten da insgesamt am besten ab. Drei Bio-Produkte landeten mit „gut“ im Mittelfeld – und zwei auf den hinteren Plätzen. Die Tests zeigten immer wieder, sagt Janine Schlenker von der Stiftung Warentest, dass Bio-Mineralwässer den konventionellen Mineralwässern häufig nicht überlegen seien.

Oft würden die Bio-Mineralwässer an den strengen Kriterien scheitern, die ihnen auferlegt werden. Und wenn man dann noch überlege, dass der Verbraucher für Bio-Mineralwasser noch tiefer in die Tasche greifen muss und es dann eigentlich ungerechtfertigt als "bio" ausgelobt sei – dann sei das sehr ärgerlich.

Ungerechtfertigt als "bio" ausgelobt etwa deshalb, weil eines der Wässer nach seiner Kartonverpackung schmeckte – obwohl es laut Bio-Kriterien „sensorisch einwandfrei“ sein müsste.

Nachhaltig kann bei Bio-Mineralwasser auch eine Rolle spielen

Allerdings spielt ein Aspekt bei der Stiftung Warentest praktisch keine Rolle, bei dem Bio-Wasser deutlich punkten könnte gegenüber normalem Mineralwasser: die Nachhaltigkeit nämlich. Bei beiden Bio-Wasser-Siegeln gibt es strikte Vorgaben für die Produktion und die Situation rund um die Quelle. Sebastian Rau von SGS Institut Fresenius:

"Die Nachhaltigkeit reicht vom Schutz des Entstehungsgebietes – also der Reduzierung negativer landwirtschaftlicher Einflüsse – über die Vermeidung von Grundwasserübernutzung, den möglichst geringen Einsatz von sonstigen Ressourcen wie Energie bis zum Einsatz geeigneter Flaschenmaterialien."

Bio-Mineralwasser sollte zumindest auch nachhaltig produziert sein. Es sollte zudem möglichst aus der Region stammen und in Mehrwegflaschen abgefüllt sein.
Bio-Mineralwasser sollte zumindest auch nachhaltig produziert sein. Es sollte zudem möglichst aus der Region stammen und in Mehrwegflaschen abgefüllt sein.

Bio-Mineralwasser kann in Sachen Nachhaltigkeit punkten

Ähnliches gilt bei der Qualitätsgemeinschaft Bio-Mineralwasser. Brunnen mit deren Siegel müssen insbesondere die Öko-Landwirtschaft fördern – etwa indem sie Bauern bei der Umstellung auf Bio-Anbau unterstützen. Ihre Erfolge würden jährlich durch eine Ökokontrollstelle abgeprüft, sagt der Vorsitzende der Qualitätsgemeinschaft Franz Ehrnsperger. Und die wüssten genau, wie man so etwas macht.

Entscheidend ist, dass der Mineralbrunnen am Jahresende – wenn die nächste Rezertifizierung kommt – hier einen kräftigen Schritt nach vorne gekommen ist. Ein Fazit: Die eigene Gesundheit profitiert nicht unbedingt vom Bio-Wasser – Umwelt und Klima aber schon. Das Bio-Siegel ist also mehr als ein Marketing-Gag – zumindest, wenn man Wert auf Nachhaltigkeit legt. Und erst recht, wenn man Bio-Wasser in Mehrwegflaschen und aus der Region kauft.

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Mirjam Stöckel
Onlinefassung
Ralf Kölbel