Rassismus

Warum gibt es keine "Menschenrassen" – Tierrassen gibt es doch auch?

Stand
AUTOR/IN
Gábor Paál
Gábor Paál (Foto: SWR, Oliver Reuther)

Audio herunterladen (2,8 MB | MP3)

"Rassen" gibt es nur bei gezüchteten Haustieren

Auf die Frage nach den Rassen gibt es mehrere Antworten. Die erste ist: Auch Tierrassen gibt es in dem Sinn nur bei Haustieren – also etwa bei Hunden, Rindern oder Pferden. Das hat nichts mit natürlicher Evolution zu tun, sondern diese Tiere wurden vom Menschen gezielt auf bestimmte Eigenschaften hin gezüchtet. Bei Wildtieren gibt es das praktisch nicht. Es gibt keine Rassen bei Bären, Wölfen, Thunfischen oder Rotkehlchen.

Arten sind keine Rassen

Was es gibt, sind Arten: Beispielsweise gibt es den Indischen und den Afrikanischen Elefanten. Und für die Abgrenzung von Arten gibt es klare Kriterien: Tiere zweier Arten können keine zeugungsfähigen Kinder bekommen. Es gibt aber nur eine Menschenart: Homo sapiens. Und es gibt kein sinnvolles Kriterium, um zwischen Unterarten oder eben Rassen zu unterscheiden. Der Vergleich mit der Tierwelt geht also schon mal ins Leere.

Unterschiede? Ja! – Rassen? Nein!

Das zweite Gegenargument zu angeblichen Menschenrassen liefert die Genetik. Die alte Rassenlehre vor 100 Jahren konzentrierte sich auf willkürlich herausgegriffene, ins Auge stechende Merkmale wie Hautfarbe, Haarstruktur oder Schädelform. Und sie bildete daraus, ebenso willkürlich, verschiedene Gruppen.

Nun weiß aber jeder, der mal ein bisschen durch die Welt gereist ist, dass die Hautfarben der Bevölkerung nicht an irgendeiner Grenze plötzlich umschlagen. Sondern zwischen hellhäutig und dunkelhäutig gibt es unendlich viele Schattierungen, zwischen glatten und lockigen Haaren ebenfalls. Das ist bei vielen anderen Merkmalen ebenso. Es ergibt keinen Sinn, bei einem bestimmten Dunkelwert der Haut eine Linie zu ziehen und zu sagen: Alle Menschen, die dunkler sind, bilden eine eigene Rasse.

Genetik widerlegt Rassenlehre

Die Genetik bestätigt genau das: Natürlich gibt es genetische Unterschiede zwischen den Durchschnitts-Europäern und Durchschnitts-Afrikanern. Aber wir haben ja nicht nur Gene für Haut und Haare, sondern auch Gene, die beeinflussen, wie groß wir werden, ob wir anfällig sind für Fettleibigkeit, Herzinfarkte oder Depressionen und viele andere Erbanlagen. Unterm Strich unterscheiden sich die Menschen innerhalb Europas genetisch viel stärker als sie sich insgesamt etwa von den Menschen in Afrika unterscheiden. Auch deshalb ergibt es keinen Sinn, von Rassen zu sprechen.

Übrigens sind nirgendwo die genetischen Unterschiede so groß wie innerhalb Afrikas. Einfach, weil unsere Vorfahren bis vor etwa 80.000 Jahren dort gelebt haben. Man kann ja über Gene durchaus Verwandtschaftsverhältnisse zwischen Bevölkerungsgruppen ermitteln. Dann zeigt sich, dass weiße Europäer mit Ostafrikanern wesentlich enger verwandt sind, als Ostafrikaner mit indigenen Südafrikanern. Also: Alle Afrikaner in einen Topf zu werfen – auf die Idee kann nur jemand Weißes kommen.

Rassismus führte zu Rassenlehre – nicht umgekehrt

Und genauso war es auch: Der Rassismus ist nicht etwa Ergebnis einer wissenschaftlichen Rassenlehre, sondern es war umgekehrt. Die Rassentheorie ist ein Produkt des Kolonialismus, entstanden aus dem Bedürfnis, eine Begründung zu liefern, um zwischen angeblich höher- und niederwertigen Menschen zu unterscheiden. So steht es auch in der Jenaer Erklärung, die Zoologen und Evolutionsforscher 2019 veröffentlicht haben. Dort heißt es über die Idee der Menschenrassen:

Es gibt hierfür keine biologische Begründung und tatsächlich hat es diese auch nie gegeben.

Wenn es keine Rassen bei Menschen gibt, kann es dann "Rassismus" geben?

Selbstverständlich. Solche Wörter auf "-ismus" beschreiben ja immer das Weltbild der jeweiligen Person. Ein "Animist" glaubt an die Beseeltheit der gesamten Welt, ein "Monotheist" an genau einen Gott, ein "Atheist" an keinen. Genauso ist es mit Buddhismus, Kapitalismus, Kommunismus. Das, was vor dem "-ismus" steht, sagt also nichts darüber, was wirklich ist, sondern nur, woran die Menschen, die diese "Lehre" vertreten, glauben. Jemand, der – wissenschaftswidrig – glaubt, dass es sinnvoll ist, Menschen nach äußeren Merkmalen in Schubladen stecken zu können, kann deshalb weiter als "Rassist" bezeichnet werden.

Paläogenetik Stammen wir alle von Augustus ab?

Armin Laschet sieht sich als Nachfahre von Karl dem Großen. Das wäre gar nicht so erstaunlich, denn viele von uns sind vermutlich auch Nachfahren von Augustus. Von Gábor Paál. | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Evolution Hatten Urzeitmenschen kurze Haare?

Heutige Darstellungen von Steinzeitmenschen sind leider nur gezeichnete Fantasieprodukte. Aber Genanalysen zeigen, dass Neandertaler rote Haare und Sommersprossen hatten. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Tiergenetik Wie sehr bestimmt die Rasse die Eigenschaften von Hunden?

Labradore sind freundlich und verspielt, Dackel sind stur und Pitbulls gefährlich – das sind ein paar gängige Annahmen über Hunde. Aber stimmen diese Stereotype tatsächlich?

Derzeit gefragt

Tiere Warum schreien Hühner, nachdem sie ein Ei gelegt haben?

Hühner haben ständig zu allen Situationen irgendwelche akustischen Kommentare abzugeben; sie sind ständig in akustischer Kommunikation. Und es sind hoch soziale Vögel. Das bedeutet, dass dieses Gegacker nach der Eiablage in diesem Zusammenhang gesehen werden muss. Von Hans-Heiner Bergmann

Ornithologie In welchen Abständen legen Meisen ihre Eier?

Eine Blaumeise kann bis zu 12 Eier legen – jeden Tag eins. Trotzdem schlüpfen die Jungen alle gleichzeitig, denn gebrütet wird erst, wenn das Gelege vollständig ist. Von Hans-Heiner Bergmann

Tierverhalten Warum krähen Hähne bei Sonnenaufgang?

Hähne krähen, um ihr Revier zu markieren. Und wenn einer früh morgens angefangen hat, dann machen alle anderen Hähne auch mit. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Biologie Warum sind manche Eier weiß und manche braun?

Als Faustregel stimmt tatsächlich, was man oft hört, nämlich dass braune Hühner braune Eier und weiße Hühner weiße Eier legen. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Ornithologie Benutzen Blaumeisen das Nest vom Vorjahr oder bauen sie neu?

Das alte Nest, so wie es ist, wird nie mehr direkt benutzt, sondern die Vögel bauen ein neues Nestchen darüber. Von Claus König