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Hoffnung für Parkinson-Patienten? – Neue Therapien gegen das Zittern

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Christine Westerhaus
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Ulrike Barwanietz
Candy Sauer

Parkinson: Rund 400.000 Deutsche sind daran erkrankt. Inzwischen gibt es vielversprechende Ansätze, um den Verfall der Nervenzellen im Gehirn der Kranken aufzuhalten. Und es laufen erste Studien, in denen die Forschung versucht, die absterbenden Zellen der Betroffenen durch neue zu ersetzen.

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Schon 1997 hat der deutsche Neuropathologe Heiko Braak entdeckt, dass sich im Gehirn von Parkinson-Patienten sogenannte Lewy-Körperchen ansammeln und sich immer weiter ausbreiten. Diese Strukturen bestehen hauptsächlich aus Alpha-Synuclein (α-Synuclein), einem Eiweiß, das in Nervenzellen gebildet wird.

Bei Parkinson wird dieses Protein falsch gefaltet und verklumpt. Der Grund dafür ist bislang nicht eindeutig geklärt. Doch die Forschung nimmt an, dass die schädlichen Lewy-Körperchen die Nervenzellen zum Absterben bringen.

Neue Strategien gegen Parkinson

Eine Idee, die die Forschung momentan verfolgt: Sie versucht, das Immunsystem, also das körpereigene Abwehrsystem, gegen das schädliche Eiweiß zu aktivieren. Ähnlich wie bei einer Impfung gegen Krankheitserreger soll das Immunsystem von Parkinson-Betroffenen lernen, das Alpha-Synuclein als schädlich zu erkennen und aus dem Körper zu entfernen.

Eine andere Idee kommt aus der Genetik: Hier soll das Absterben der Nervenzellen abgebremst werden, und zwar mithilfe der sogenannten Antisense-Oligonukleotide. Das sind synthetisch hergestellte DNA-Bausteine, die an spezifische Abschnitte der Erbsubstanz binden und verhindern, dass diese abgelesen werden. Dadurch verhindern die Antisense-Oligonukleotide, dass bestimmte Eiweiße gebildet werden. Sie blockieren also den Herstellungsprozess dieser Proteine. Bei der Parkinson-Krankheit sollen die Antisense-Oligonukleotide verhindern, dass im Gehirn krankhaft verändertes alpha-Synuclein gebildet wird.

Und auch an einer Stammzellentransplantation arbeiten Parkinson-Forscher*: Sie versuchen, die absterbenden Zellen im Gehirn von Parkinson-Patienten durch gesunde zu ersetzen. Diese sollen die Funktion der fehlenden Nervenzellen übernehmen und neues Dopamin produzieren. Denn diesen Botenstoff brauchen die Nervenzellen, um Signale an die Muskeln weiterzuleiten. Wenn durch die Parkinson-Erkrankung Dopamin fehlt, kommt es zu den typischen Bewegungsstörungen und dem Zittern, auch Tremor genannt.

Moderator Frank Elstner hat seine Parkinson-Krankheit in einem Interview publik gemacht. (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance)
Der Moderator Frank Elstner, bekannt durch Sendungen wie "Wetten, dass ...?" und "Verstehen Sie Spaß?", ist von Parkinson betroffen und geht offen mit der Krankheit um

Schwedische Forschung führte nicht zum erhofften Erfolg

Das Team um Prof. Anders Björklund und Prof. Malin Parmar in Schweden hatte bereits in den 1980er-und 1990er-Jahren mehreren an Parkinson Erkrankten fetales Hirngewebe injiziert. Also unreife Hirnzellen, die sie aus Abtreibungen gewonnen hatten. Die Hoffnung: Im Gehirn verwandelt sich dieses unreife Gewebe in Nervenzellen und ersetzt die abgestorbenen Zellen. Doch die Ergebnisse der Studien waren uneindeutig: Einzelnen Parkinson-Patienten ging es besser, anderen jedoch schlechter als vor der Transplantation. 2003 wurden die Versuche überall gestoppt.

Einsatz körpereigenerZellen

Andere Wissenschaftlerteams arbeiten mit sogenannten iPS-Zellen. iPS ist die Abkürzung für induzierte pluripotente Stammzellen. Das sind normale erwachsene Zellen, die in den ursprünglichen, embryonalen Zustand zurückversetzt wurden. Sie lassen sich anstatt aus Embryonen aus eigenen Zellen der Patienten gewinnen. Das ist ethisch weniger umstritten – die verbrauchende Embryonen-Forschung beispielsweise ist in Deutschland verboten.

Bislang ist aber noch völlig offen, ob eine solche Transplantation wirklich hilft. Denn möglicherweise bleiben die neuen Zellen nicht langfristig oder gar dauerhaft erhalten, sondern bilden erneut Lewy-Körperchen.

Zitternde Hände eines an Parkinson erkrankten Mannes (Foto: IMAGO, imago images / Panthermedia / Foto: Astrid08)
Zitternde Hände und "Einfrieren" der Bewegungen sind typische Symptome von Parkinson

Doch stehen Parkinson-Betroffenen weitere Möglichkeiten offen, wenn die Wirkung der Medikamente nach ein paar Jahren nachlässt. Das Dopamin kann anstatt als Tablette über Pumpen direkt in den Darm oder in die Haut abgegeben werden. Dadurch wird der Körper gleichmäßiger mit dem Wirkstoff versorgt, wodurch das sogenannte "freezing" weitgehend verhindert wird, also das "Einfrieren" der Bewegungen.

Tiefe Hirnstimulation gegen Parkinson-Symptome

Seit vielen Jahren setzt die Forschung außerdem sogenannte Hirnschrittmacher ein. Diese "tiefe Hirnstimulation" genannte Therapie hilft vielen Betroffenen, wenn die Medikamente an Wirkungskraft verlieren. Dabei werden Elektroden in das Gehirn implantiert, die die Aktivität der Nervenzellen regulieren. 160.000 Menschen weltweit haben sich inzwischen operieren lassen.

Über welche Zeiträume eine tiefe Hirnstimulation den Betroffenen hilft, kann sehr unterschiedlich sein. Bei manchen hält die Wirkung mehrere Jahrzehnte an. Eine tiefe Hirnstimulation kann das Absterben der Zellen im Gehirn jedoch nicht verhindern. Aber sie kann die Symptome lindern und die Lebensqualität damit deutlich verbessern. Ob es möglich sein wird, die Krankheit mit neuen Therapien aufzuhalten, wird sich in den kommenden Jahren zeigen. Dazu laufen einige vielversprechende Studien, nicht nur in Deutschland.

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