Inhalt
Programm
Yu Kosuge
Ludwig van Beethoven
Dai Fujikura
Tōru Takemitsu
Robert Schumann
Sendetermin
Die nächsten Konzerte
Service
Programm
Ludwig van Beethoven (1770 – 1827): Sonate Nr. 30 E-Dur op. 109
Vivace, ma non troppo – Adagio espressivo
Prestissimo
Andante molto cantabile ed espressivo
Dai Fujikura (geb. 1977): Sonate (2023) (Deutsche Erstaufführung)
***********
Tōru Takemitsu (1930 – 1996): „Litany”. In Memory of Michael Vyner
Adagio
Lento misterioso
Robert Schumann (1810 – 1856): Sonate Nr. 3 f-Moll op. 14,
revidierte Fassung in vier Sätzen (1853) mit Scherzo. Vivacissimo Nr. 1 aus Scherzo und Presto Passionato WoO 5
Allegro brillante
Scherzo. Vivacissimo WoO 5 Nr. 1
Scherzo. Molto comodo
Quasi Variazioni. Thema (Andantino de Clara Wieck) und Variationen
Prestissimo possibile
Yu Kosuge
Überragende Technik, ein nuancierter Anschlag und interpretatorische Tiefe – mit diesen Qualitäten überzeugt Yu Kosuge seit ihrem Debüt im Alter von neun Jahren ein internationales Publikum. „Poetische Sensibilität, Witz, Dramatik und strahlende Lyrik“ bescheinigte ihr ein Kritiker in der Carnegie Hall. Von Berlin über London, Wien und Moskau bis hin zu New York und Tokio ist die in Japan geborene und seit 1993 in Deutschland lebende Künstlerin regelmäßig auf den führenden Konzertpodien präsent. Als Gast bei großen Festivals aller Kontinente fasziniert sie mit programmatischer Vielfalt und souveräner Stilsicherheit.
Neben ihren Auftritten mit bedeutenden europäischen Orchestern und bei weltweiten Recitals ist sie insbesondere in ihrer Heimat eine vielgefragte Solistin, ein Superstar. Daher wurde sie 2017 für ihren herausragenden Beitrag zur Entwicklung der westlichen Musik in Japan mit dem Suntory Music Award ausgezeichnet. Yu Kosuges vielbeachtete Aufnahme aller 32 Beethoven-Sonaten erschien 2016. 2018 wurde „Water“ als Beginn ihres „Four Elements“-Zyklus‘ veröffentlicht; „Fire“, „Wind“ und „Earth“ folgten. Mit Dai Fujiikura beschäftigte sie sich intensiv für die Aufnahme des dritten Klavierkonzerts „Impulse“, die 2022 bei Sony herauskam.
Hannover und Salzburg waren nach ihrem Studium in Japan die Ausbildungsstätten in Europa, András Schiff ihr prägender und inspirierender Mentor. Er unterstützte auch ihre tiefe Liebe zur Kammermusik, die sie als begehrte Partnerin renommierter Künstlerinnen und Künstler prädestiniert.
Ludwig van Beethoven (1770 – 1827)
Sonate Nr. 30 E-Dur op. 109
Vivace, ma non troppo – Adagio espressivo · Prestissimo · Andante molto cantabile ed espressivo
Ludwig van Beethovens E-Dur-Sonate Nr. 30 op. 109 bildet mit den beiden folgenden Opus-Nummern eine Trilogie und ist der letzte große Beitrag des Komponisten zum Sujet der Klaviersonate. Hierfür unterbrach er 1820 auf Bitte seines Verlegers Adolph Martin Schlesinger die Arbeit an seiner „Missa solemnis“, denn er brauchte Geld, um für seinen 13-jährigen Neffen aufzukommen: Der Komponist forderte 120 Dukaten, der Publizist bot 90. Und so ist es kaum verwunderlich, dass Beethoven für den Kopfsatz auf frühere Skizzen zurückgriff, die er ursprünglich für eine Klavierschule seines Freundes Friedrich Starke geschrieben hatte.
Somit ist der erste Satz ohne Parallele in Beethovens Œuvre und hat eher den Charakter einer Etüde: ein äußerst kurzes, erstes Thema, gefolgt von einem zweiten in entspannterem Metrum. Im zweiten Satz, Prestissimo, wechselt die Tonart von Dur nach Moll. Das Finale bringt einen erneuten Stimmungswechsel: Der an scharfen Gegensätzen reiche Variationssatz ist überschrieben mit „Gesangvoll mit innigster Empfindung“. In einer Rezension der Zeitung für Theater und Musik hieß es 1821: „Diese geistreiche Klavierkomposition ist ein neuer Beweis der unerschöpflichen Fantasie und tiefen Harmonie-Kenntnis des herrlichen Tondichters. […] Noch ansprechender ist das reich und neu variierte Thema des gesangvollen Andantes, welches ein zauberischer Reiz der Melodie beseelt.“
Dai Fujikura (geb. 1977)
Sonate (2023) – Deutsche Erstaufführung
Der 1977 geborenen japanische Musiker Dai Fujikura hat sowohl für traditionelle japanische als auch für historische europäische Instrumente Musik komponiert. Zuweilen kombiniert er diese beiden Klangwelten. So schrieb er für den Blockflötisten Jeremias Schwarzer das Werk „Serene“, in dem er ein klassisches Instrument der Alten Musik auf eine neue Bühne und in ein anderes Licht rückt. Seine Sonate (2023) für Klavier, die durch Yu Kosuge in Mainz ihre deutsche Erstaufführung erfährt, entstand als Auftragskomposition von Ayako Hasegawa für ihre erklärte Lieblingspianistin Yu Kosuge. Hierfür ließen ihm die beiden vollkommen freie Hand, Yu Kosuge nahm jedoch unterstützend Anteil am Kompositionsprozess.
Fujikura erinnert sich an die Entstehung: Als er über die Form der Sonate nachdachte, bedauerte er sofort, in der Juniorabteilung der Musikschule, die er mit zehn Jahren besucht hatte, nicht besser aufgepasst zu haben, als die Sonate behandelt wurde. Schon damals war er zu sehr damit beschäftigt, seine eigene Musik zu kreieren, anstatt Fakten über europäische Komponisten und ihre jahrhundertealten musikalischen Formen zu lernen, die wenig mit seinem täglichen Leben zu tun hatten. Später besuchte er eine Musikhochschule in England, wo er sogar promovierte; doch niemand lehrte ihn die Sonatenform. Frei bekennt der Komponist, dass er sich nicht für die Werke von Kollegen aus früheren Jahrhunderten interessiert habe: „Aber es ist nie zu spät, zu lernen.“ Er begann daher, ältere Klaviersonaten zu analysieren.
Dennoch geht er in seiner Sonate einen sehr individuellen Weg: Für ihn ist es nach eigenen Worten zutiefst inspirierend, dass ihn alte Gattungsbeispiele eben nicht inspirieren, erlaube ihm dies doch, „mit dem Komponieren mit einer weißen Weste zu beginnen“. Und so begegnet man in der etwa 17-minütigen einsätzigen Sonate einem faszinierenden Kaleidoskop aus flirrenden Klängen: Der Pianist bahnt sich neugierig tastend seinen Weg, sein Blick scheint immer wieder an einzelnen Bildern und Motiven hängenzubleiben oder sich introvertiert in der Ferne zu verlieren. Diese Stimmung wird von aufgeregten Passagen mit elektrisierend funkelnden Bewegungen abgelöst. Das Werk endet gleichsam mit einem grellen Fragezeichen und klingt in einer langen Abwärtsbewegung aus.
Tōru Takemitsu (1930 – 1996)
„Litany”. In Memory of Michael Vyner
Adagio · Lento misterioso
Über Fujikuras Landsmann Toru Takemitsu schrieb der Komponist John Cage: „Ich kann ihn mir vorstellen, wie er durch Japan reist, nicht um verschiedene Ansichten des Mondes zu sehen, sondern um, sagen wir, den Wind durch unterschiedliche Bäume wehen zu hören und mit einer Gabe in die Stadt zurückzukommen. Diese Gabe besteht in der Umwandlung von Natur in Kunst.“ Das Zitat beschreibt treffend die unkonventionelle Kompositionsweise Takemitsus. Ihr grundlegender Charakterzug ist eine große klangliche Sensibilität.
Erkennt man in seinen frühen Werken Konturen der Wiener und Französischen Schule, wobei man vor allem an Claude Debussy erinnert wird, machte sich Takemitsu schon bald daran, die Welt der avantgardistischen Techniken zu ergründen. Häufig benutzte er fortan traditionelle japanische Instrumente und Tonleitern. Auch in seinem zweiteiligen Werk „Litany“ kommen japanische Skalen und Harmonien zum Einsatz. Mag diese Musik zeitgenössisch sein, hat sie doch einen eingängigen und ansprechenden Gestus. „Litany“ entstand 1989 zum Gedenken an den britischen Dirigenten Michael Vyner, der im gleichen Jahr an AIDS starb. Vyner hatte zuvor 17 Jahre lang die London Sinfonietta geleitet.
Robert Schumann (1810 – 1856)
Sonate Nr. 3 f-Moll op. 14, revidierte Fassung in vier Sätzen (1853) mit Scherzo. Vivacissimo Nr. 1 aus Scherzo und Presto Passionato WoO 5
Allegro brillante · Scherzo. Vivacissimo WoO 5 Nr. 1 ·Scherzo. Molto comodo ·Quasi Variazioni. Thema (Andantino de Clara Wieck) und Variationen · Prestissimo possibile
So manches Werk von Robert Schumann liegt in zwei Fassungen vor, wozu auch seine f-Moll-Sonate Nr. 3 op. 14 zählt: als dreisätziges „Concert sans Orchestre“ aus dem Jahr 1836 und als 1853 revidierte Sonate in vier Sätzen. Erstere entstand wahrscheinlich auf Wunsch des Verlegers Tobias Haslinger, und der Untertitel sollte bewusst als „Eye-“ oder besser „Ear-Catcher“ dienen. Ein dreisätziges und damit nicht zu ausladendes Werk kam dem damals vorherrschenden Publikumsgeschmack entgegen. Als der Hamburger Verleger Julius Schuberth die Rechte erwarb, kam Schumann dessen Bitte nach einem Scherzo als viertem Satz gerne nach, und aus dem Konzert wurde die Sonate.
Opus 14 entstand laut Schumann in seiner „schwärzesten Zeit“ der andauernden Trennung von seiner späteren Frau Clara. So durchweht die Sonate das Motiv eines „Andantino de Clara Wieck“: Man begegnet ihm gleich zu Beginn des Kopfsatzes; es bildet die Grundlage der Variationen im langsamen Mittelteil und taucht auch in einer frühen Fassung des Finalsatzes auf. Das Scherzo lässt die satzimmanent übliche Leichtigkeit vermissen und kommt eher energisch, ja fast trotzig daher. Ist es ein Protest gegen den Vater seiner damals 17-jährigen Angebeteten, der den Kontakt zwischen den jungen Leuten mit allen Mitteln zu verhindern suchte?
Wichtig sei Schumann gewesen, sein Werk mit Claras Namen für immer zu verbinden und auf die besondere Beziehung zwischen den beiden hinzuweisen, schreibt die Musikwissenschaftlerin und Schumann-Forscherin Irmgard Knechtges-Obrecht. Beide hätten einen großen Erfindungsreichtum darin entwickelt, immer wieder eine enge musikalische Verzahnung zwischen ihren Kompositionen herzustellen. „Spätestens an dieser Stelle wird in Schumanns op. 14 deutlich, dass Claras aus einer fallenden Quinte gebildetes, im Charakter tief-trauriges Motiv als eigentliches Zentrum der gesamten Sonate dient. Wie aus einem melodischen Kern gehen die Hauptthemen aller vier Sätze daraus hervor. In bekenntnishafter Weise übermittelt der Komponist somit eine Botschaft an die geliebte Person.“
Sendetermin
SWR Kultur Mittagskonzert am Montag, 27. Januar 2025, 13.05 bis 14.58 Uhr
Die nächsten Konzerte
Anton Mejias am 6.12.2024
Bruce Liu am 31.1.2025
Martin Helmchen am 11.4.2025
Louis Lortie am 13.6.2025
Alle Informationen zu den Konzerten der SWR Kultur Internationale Pianisten in Mainz finden Sie hier

Service
Adresse
Frankfurter Hof, Augustinerstr. 55, 55116 Mainz
Beginn: 19 Uhr, Einlass: 18 Uhr
Impressum
Herausgeber Südwestrundfunk, SWR Kultur Musik Rheinland-Pfalz
Sabine Fallenstein, SWR Kultur Musik Rheinland-Pfalz, Konzeption und Redaktion
Dorothea Sidenstein, SWR Kultur Musik Rheinland-Pfalz, Redaktionsassistenz
Jan-Geert Wolff, Programmheftautor
Sämtliche Texte sind Originalbeiträge für dieses Programmheft
Mit freundlicher Unterstützung der Landeshauptstadt Mainz
Sonstige Informationen
Wir weisen freundlich darauf hin, dass unautorisierte Bild- und Tonaufnahmen jeglicher Art bei dieser Veranstaltung untersagt sind.