Musikstück der Woche

Igor Levit spielt Ludwig van Beethoven: Klaviersonate E-Dur op. 109

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AUTOR/IN
Ida Hermes

Mit seiner Klaviersonate Nr. 30 E-Dur op. 109 geht Ludwig van Beethoven neue Wege. Als Musikstück der Woche hören Sie das Werk mit Igor Levit. Die Aufnahme ist entstanden beim Emil-Gilels-Festival 2014 in Freiburg.

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Denkbar melodieerfüllt

Wie ein zarter Choral beginnt der Schlusssatz von Ludwig van Beethovens Klaviersonate op. 109. „Gesangvoll, mit innigster Empfindung. Andante molto cantabile ed espressivo. Mezza voce“ steht über diesem Satz. Es ist das erste so ruhige, langsame Finale in Beethovens Sonatenwerk. Kritikerpapst Joachim Kaiser notiert: „Nichts entwaffnet im Bereich der Kunst den Beschreibenden, den Interpreten und gar den Interpretations-Interpreten so sehr wie ruhige Schönheit.“

Trillerstürme und Elegien

Auf dem innigen Schluss liegt der Schwerpunkt der Sonate op. 109. Allein die Dimensionen sprechen für sich: Die beiden ersten Sätze sind zusammen kürzer als dieser dritte, in dem Beethoven aus einem sanglichen Thema einen komplexen Variationssatz entwickelt. Wie eine Sarabande, mit Anmut und vollkommener Ruhe, hebt das Thema Zeit und Raum auf, für einen kurzen Moment von sechzehn Takten.

Dann nutzt Beethoven die Figuration, also die Umspielung kleinster Elemente, als Variationsprinzip, sowie die Verwandlung des Themas bis hin zur Unkenntlichkeit. In der fünften Variation greift Beethoven auf die barocke Form des Fugato zurück, dann erreicht der Satz mit Trillerstürmen seinen Höhepunkt.

Konzentration aufs Wesentliche

Die verflochtene Mehrstimmigkeit, die Anlehnungen an barocke Stilelemente, die formale Anlage mit ihren vielschichtigen Ebenen und Bezügen, beschäftigen die Musikwissenschaft besonders. Bemerkenswert ist, wie zurückgenommen das Opus 109 im Kontext der anderen Klaviersonaten klingt. Etwa im Vergleich zu der benachbarten „Hammerklaviersonate“, der Nr. 29. In diesem Werk treibt Beethoven jegliche Formvorstellungen auf den Gipfel: vollkommene Freiheit, über vierzig Minuten!

Die Sonate Nr. 30 dagegen ist gerade einmal so lang wie der dritte Satz der „Hammerklaviersonate“, und denkbar melodieerfüllt. Es gibt keine donnernden Gedankenblitze, aus denen sich mit großen Gesten Durchführungen und Coda-Ausschweifungen entwickeln. An ihrer Stelle steht nun das kleine Element, die Fantasien, die parenthesenhaften Einschübe, die wie Inseln für sich stehen.

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Ida Hermes