Musikstück der Woche vom 14.5. bis 20.5.2012

Klingendes Marketing

Stand
AUTOR/IN
Kerstin Unseld

Im Auftrag der Harfenbaufirma Erard schrieb Claude Debussy 1905 zwei "Danses". Wie eine klingende Werbung sollten diese Tänze den Verkauf des neuen Models chromatischer Harfen ankurbeln.

Beim Festival "Weingartner Musiktage Junger Künstler 2011" spielten die Harfinistin Françoise Friedrich und das Schweizer Amar-Quartett "Danse sacrée" und "Danse profane" von Debussy.

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Um 1900 in der Instrumentenbaumetropole Paris

Als am 6. November 1904 in den Pariser Concerts Colonne die "Deux Danses" von Claude Debussy uraufgeführt wurden, was dies – im Prinzip – eine großangelegte Werbeveranstaltung der Firma Pleyel. Gemeinsam mit dem Konkurrenzunternehmen Erard stritt Pleyel sich nicht nur um den Markt im Bereich Klavierbau, sondern wetteiferte genauso um die neusten instrumententechnischen Errungenschaften für Harfen. Seit jeher wurden Harfen diatonisch gebaut. Das Ziel war, auch auf einer Harfe chromatisch spielen zu können. Die Doppelpedalharfe war eine Erfindung von Erard, bei der die Saiten der Harfe durch Fußpedale in zwei Stufen halb- und ganztönig gestimmt werden konnten. Pleyel hielt dagegen: Er erfand die chormatische Harfe, bei der die Saiten in zwei Reihen gekreuzt angeordnet waren. Ähnlich wie auf einer Klaviertastatur mit pentatonisch gestimmen Saiten, den schwarzen Tasten also, auf der einen und den diatonisch gestimmten (den weißen Saiten) auf der anderen. Durch die Kreuzung etwa in der Mitte können beide Saitenreihen von beiden Seiten erreicht werden, man muss dazu allerdings über und unter den Kreuzungspunkt greifen.

Welches Modell war nun das richtige? Der Konkurrenzkampf tobte. Mit neuen Marktstrategien versuchten die beiden konkurrierenden Firmen um die Jahrhundertwende, ihre Kundschaft zu gewinnen. Die neuen Harfen sollten mit neuer Musik ihre Spielbarkeit und Schönheit zu Markte tragen. Pleyel beauftragte als erster 1904 Claude Debussy, die "Deux Danses" zu komponieren. Erard legte ein Jahr später mit einem Kompositionsauftrag an Maurice Ravel nach, der als Paradekomposition für eine Doppelpedalharfe daraufhin "Introduction et Allegro für Harfe, begleitet von Streichquartett, Flöte und Klarinette" schrieb.

Trotz der wunderschönen, eigens für die chromatische Harfe der Firma Pleyel komponierten Danses setzte sich dieses Instrument nicht durch. Heute gehören die beiden Tänze zum festen Repertoire und werden – Ironie der Geschichte - auf modernen Doppelpedalharfen nach dem Modell des Konkurrenzunternehmens Erard gespielt.

"Sacrée" und "profane"  

Die beiden kurzen Tänze, die Debussy für Harfe und Streicher schrieb, entstanden zeitgleich mit wichtigen Werken wie "La Mer". Sie tragen mit "Danse sacrée" und "Danse profane" klare Titel und fließen ineinander über. Der "profane" Tanz steht im 3/4-Takt, kullernd und leicht beschwingt. Wie ein weihevoller Schreittanz im langsamen 3/2-Takt steht davor der "Danse sacrée", der mit einer einstimmigen Melodielinie der Streicher beginnt und laut Spielanweisung "doux et expressiv" klingen soll.

Francoise Friedrich, Harfe

Françoise Friedrich begann in ihrer Heimatstadt Marseille 1974 ihre Ausbildung als Harfenistin. Der weitere Weg führte sie 1982 nach Paris, ans Conservatoire National Supérieur de Musique zu Professor Gérard Devos. Dort schloss sie ihr Studium mit Premier prix ab und arbeitete im Anschluss mit Jacqueline Borot weiter. 1987 gewann sie den 1. Preis im Internationalen Harfenwettbewerb in Gargilesse. Seit 1990 ist die Künstlerin Solo-Harfenistin im Frankfurter Museumsorchester/ Orchester der Oper Frankfurt und hält eine Professur an der Hochschule für Musik Paul Hindemith in Frankfurt inne.

Amar-Quartett

Anna Brunner, Igor Keller, Hannes Bärtschi und Péter Somodari bilden das in Zürich ansässige Amar Quartett. Seit Paul Hindemiths 100. Geburtstag 1995 hat das Ensemble die Ehre, den Namen Amar Quartett zu tragen. Hindemith gründete 1922 als Bratschist unter diesem Namen ein Quartett, benannt nach dessen erstem Geiger Licco Amar. Mit besonderer Leidenschaft widmet sich das Amar Quartett seit seiner Gründung den Werken Paul Hindemiths.

In der Werkauswahl verbindet das Amar Quartett bewährte Tradition mit der bewussten Förderung der zeitgenössischen Musik, nicht zuletzt indem es jedes Jahr einen Kompositionsauftrag vergibt, vorrangig an Schweizer Kulturschaffende. Dem Amar Quartett ist es wichtig, sich mit innovativen, spartenübergreifenden Projekten einem erweiterten Publikum zu präsentieren, beispielsweise durch qualitativ hochstehende Zusammenarbeit mit Theater, Ballett und Jazzmusikern. Ausserdem macht sich das Amar Quartett mit aussergewöhnlichen Eigenveranstaltungen wie dem Kammermusikfestival "Hommage an Hindemith" oder seit Januar 2010 mit der Reihe "TONWORT" in der Schweiz einen Namen.

Das Ensemble wurde 1998-2001 während seiner Studien beim Alban Berg Quartett in Köln mit diversen internationalen Preisen ausgezeichnet – u. a. Bubenreuth, Graz, Migros Kulturprozent, Genf, London. Das Amar Quartett debutierte erfolgreich in Londons Wigmore Hall sowie beim Lucerne Festival. Es folgten weitere Debuts in der Tonhalle Zürich, der St. Petersburger Philharmonie, beim Menuhin Festival Gstaad, der Styriarte Graz und der Konzerthalle Megaron in Athen. 2003 und 2004 spielte und unterrichtete das Quartett an der Musikalischen Sommer-Akademie Lenk, 2007 sowie auch 2009 unterrichtet es beim Internationalen Meisterkurs für Streichquartett in Bubenreuth. Im Juli 2009 war das Amar Quartett erstmals bei Gidon Kremers Kammermusikfest im österreichischen Lockenhaus zu Gast.

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Kerstin Unseld