Musikstück der Woche 16.1.-22.1.2012

Hochzeitssonate ohne Bräutigam

Stand
AUTOR/IN
Doris Blaich

César Franck: Violinsonate A-Dur, bearbeitet für Klavier solo

Francks Violinsonate ist für viele der Inbegriff romantisch-schwelgerischer Violinmusik. Erstaunlicher Weise ist sie auch ohne Geige schön. Der Pianist Michael Korstick liefert den klingenden Beweis mit unserem Musikstück der Woche: Ein Live-Mitschnitt von den Ettlinger Schlosskonzerten 2010.

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Der große Schweizer Pianist Alfred Cortot hat in dieser Hochzeitssonate den Bräutigam entführt: César Franck hat das Stück dem belgischen Geiger Eugène Isaÿe zum "schönsten Tag im Leben" geschenkt. Noch während der Hochzeitsfeier griff der Bräutigam zur Geige und probierte sein Sonatengeschenk aus. Den Klavierpart übernahm die Pianistin Léontine-Marie Bordes-Pène. Die beiden spielten auch mit großem Erfolg die öffentliche Uraufführung am 16. Dezember 1886 in Brüssel. Cortot hat später die Sonate für Klavier solo bearbeitet.

"Der belgische Brahms"

"Der belgische Brahms" ist César Franck oft genannt worden – wegen seiner Vorliebe, musikalische Gedanken mit höchster Ökonomie auszuschöpfen und mehrere Sätze durch die gemeinsame Substanz ihrer Themen ineinander zu verflechten. Auch in der Violinsonate sind die vier Sätze zyklisch miteinander verbunden. Ihre strenge kontrapunktische Konstruktion der Form ist verquickt mit einem intensiven emotionalen Ausdruck, dem Schwelgen im süßen Duft der Harmonien. Spielanweisungen wie "cantabile" (gesanglich), "espressivo" und "dolcissimo" (so süß wie möglich) tauchen in der Partitur immer wieder auf.

Fast wie Bach

Ein zeitgenössischer Musikkritiker schrieb über die Sonate: "Trotz der sehr modernen Formgebung erscheint sie uns wie eine der schönsten Kompositionen der großen Klassiker. Der erste Satz ... lässt einen glauben, es sei ein Werk von Bach, als hätte dieser im 19. Jahrhundert gelebt; das Recitativo quasi fantasia ist, in seiner sehr freien Form, von großartigem inneren Schwung, und das Finale, fast ganz als Kanon in der Oktave gehalten, bewahrt trotz dieser strengen Form eine Leichtigkeit, eine Anmut, eine Süße ohnegleichen." Alle großen Geiger haben Francks Sonate im Repertoire - und Dank Cortos Bearbeitung auch einige Pianisten.

Der Pianist Michael Korstick

Nach nur zwei Jahren Klavierunterricht erspielte sich der Kölner Michael Korstick den ersten Preis beim Wettbewerb "Jugend musiziert". Damals war er elf. Das Klavierstudium führte ihn unter anderem an die New Yorker Juilliard School, wo ihm seine Mitstudenten den Kosenamen "Dr. Bethoven" gaben. Beethoven ist und bleibt einer seiner Favouriten, aber Michael Korstick geht immer wieder auf die Seitenpfade des Klavierrepertoires und kombiniert Wohlbekanntes mit Raritäten.

Erst im Alter von 43 Jahren, nach 20 erfolgreichen Konzert-Spielzeiten, erschienen seine ersten CDs – und machten prompt Furore. Der frisch gekürte "Nachwuchskünstler des Jahres" (!) avancierte 2004, nach seinen mehrfach ausgezeichneten Beethoven- und Schubert-Einspielungen denn auch rasch für die Jury der Fachzeitschrift "Fono Forum" zum "Künstler des Jahres". Korsticks Gesamteinspielung der Musik für Klavier und Orchester von Darius Milhaud (gemeinsam mit dem SWR Rundfunkorchester Kaiserslautern) aus dem Jahr 2006 erhielt den "Preis der deutschen Schallplattenkritik". Und auch seine späteren CDs - einige davon im Studio des SWR eingespielt - sind mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden.

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Doris Blaich