Musikstück der Woche vom 14.9. bis 20.9.2009

"Halt über uns dein rechte Hand"

Stand
AUTOR/IN
Doris Blaich

Johann Rosenmüllers Sonate d-Moll

In seinen späten Instrumentalsonaten brachte Johann Rosenmüller deutsche und italienische Kompositionstechnik auf glücklichste Weise zusammen. Die Sonate d-Moll ist wahrscheinlich eine Reminiszenz an sein Vorbild Heinrich Schütz. Unser Live-Mitschnitt stammt von den Konstanzer Solistenkonzerten 2008.

Fluchtartig verließ der Komponist Johann Rosenmüller im Mai 1655 die Stadt Leipzig. Er war Lehrer an der berühmten Thomasschule, Organist an der Stadtkirche St. Nicolai und hatte die besten Aussichten, in Kürze das renommierte Thomaskantorat zu übernehmen. Eine ausgedehnte Italienreise hatte ihn mit den neuesten Entwicklungen im Heimatland der Musik vertraut gemacht, und er genoss auch außerhalb Leipzigs einen glänzenden Ruf. Doch dann wurde er der Päderastie beschuldigt, und noch bevor der Leipziger Rat seine Untersuchungen aufnahm, ließ Rosenmüller sein bisheriges Leben hinter sich.

Erst drei Jahre später kann man ihn in Venedig nachweisen, als Posaunist an der Kirche San Marco. Außerdem wirkte er hier als Musiklehrer am Ospedale della Pietà, jenem Waisenhaus für Venezianische Mädchen, das die Kinder zu erstklassigen Musikerinnen erzog und an dem später auch Antonio Vivaldi viele Jahre lang wirken sollte.

27 Jahre nach seiner Flucht kehrte er wieder nach Deutschland zurück – im Gefolge von Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Lüneburg, der ihn als Kapellmeister an seinem Hof in Wolfenbüttel anstellte. Kurz vorher hatte Rosenmüller dem Herzog eine große Sammlung von Instrumentalmusik gewidmet, 1682 erschien sie in Nürnberg im Druck.

Aus dieser Sammlung stammt die Sonate in d-Moll. Sie ist aus mehreren kontrastierenden Abschnitten zusammengefügt. Am Anfang steht ein Thema (oder "soggetto", wie es in der damaligen Terminologie heißt), das sich in Halbtonschritten nach oben schraubt, wie ein Kanon durch alle Stimmen wandert und mit einem zweiten, lebhafteren soggetto kombiniert wird. Dann dreht und wendet Rosenmüller die beiden Themen in höchster Kunstfertigkeit; die Zeitgenossen – besonders auch die ausländischen – betrachteten diese dichte, polyphone Schreibweise als typisch deutsche Art zu komponieren. Wahrscheinlich wollte Rosenmüller hier seinem Vorbild Heinrich Schütz eine Referenz erweisen, denn es gibt deutliche Anklänge an ein Duett aus Schütz’ "Kleinen Geistlichen Konzerten" (1639) mit dem Text "Wann unsre Augen schlafen ein / so lass das Herz doch wacker sein. / Halt über uns dein rechte Hand / dass wir nicht falln in Sünd und Schand".

Ein Abschnitt mit pathetischen Pausen leitet über zu einem virtuosen – gleichsam italianisierenden – Teil, bei dem die Streicher rasche Läufe und trompetenhafte Signale spielen. Am Schluss steht eine melancholische Sarabande, einer der zeremoniellsten Tänze der damaligen Zeit.

Instrumentalensemble von Cantus Cölln

Cantus Cölln ist eigentlich eines der renommiertesten Vokalensembles, das sich seit über 20 Jahren in einer sehr konstanten Besetzung und unter Leitung seines Gründers, des Lautenisten Konrad Junghänel, die Vokalmusik des 16.-18. Jahrhundert ersungen hat. Dafür wurde es mit allen erdenklichen Preisen belohnt. In diesem Konzert kamen noch einige Instrumentalisten zu den Sängern hinzu, die auch in der Rosenmüller-Sonate spielen: Ulla Bundies und Anette Sichelschmidt (Violinen), Friederike Kremers (Viola), Albert Brüggen (Violoncello), Matthias Müller (Violone) und Carsten Lohff (Orgel).

Stand
AUTOR/IN
Doris Blaich