Musikstück der Woche vom 16.02.2015

Die neue Musik Frankreichs

Stand
AUTOR/IN
Katharina Höhne

Francis Poulenc: Sonate für Violoncello und Klavier

1918 versammelten sich in Paris sechs junge Komponisten, darunter auch Francis Poulenc, um als "Groupe des Six" die Musik Frankreichs neu zu definieren. Denn so bereichernd es auch war, dass sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts Künstler aus ganz Europa in der Stadt an der Seine tummelten und sie zum lebendigen Beispiel für Kosmopolitismus machten – die eigene musikalische Identität, die französische Seele, war dadurch abhanden gekommen. Cellist Charles-Antoine Duflot und Martin Klett (Klavier) haben Poulencs Sonate für Violoncello und Klavier – ein Stück der neuen Musik Frankreichs – im Rahmen des Festivals "Heidelberger Frühling 2014" am 23.03.2014 in der Alten Aula aufgeführt.

Der Komponist Francis Poulenc
Der Komponist Francis Poulenc

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Von Anfang an waren sich Jean Auric, Louis Durey, Arthur Honegger, Darius Milhaud, Germaine Tailleferre und Francis Poulenc alias Groupe des Six einig: Die neue Musik Frankreichs sollte nicht länger in der Dunstwolke des Impressionismus weilen und auch nicht in der "triefenden" Romantik von Wagner & Co. Nein, die neue Musik Frankreichs sollte einfach sein, strukturiert und offen genug, um sich haltlos aus Elementen neuer Strömungen wie Jazz und Varieté zu bedienen. Ihr Inspirator war Erik Satie, dessen Musik ganz anders klang, als das, was sie bisher in Paris gehört hatten. Die einen schätzten den kleinen Mann mit dem Monokel als originelles und manchmal verrücktes Genie, die anderen taten ihn nur als verrückt ab und beschimpften ihn als Dilettanten. Satie habe doch keine Ahnung, hieß es. Musik, bei der man bewusst weghören solle oder die so skurrile Titel wie "embryos desséchés" (zu Deutsch: "vertrocknete Embryos") trage, könne man beim besten Willen nicht ernst nehmen. Poulenc und seine Mitstreiter waren da anderer Meinung. Ausgehend von Saties Art zu denken entwickelte jeder von ihnen eine eigene, neue Musiksprache, die sich dennoch in ihren Ansätzen ähnelten: In ihren Werken ging es darum, zu unterhalten, vielleicht sogar zu provozieren, vor allem aber sich selbst nicht so wichtig zu nehmen und Musik losgelöst von jeglicher Etikette zu schreiben.

Komponieren ohne Formenzwang

Francis Poulenc, der zwar ein guter Pianist war jedoch erst wenige Stücke geschrieben hatte, stieß mit 19 Jahren zur Groupe des Six. Er war der Clown des Sextetts, konnte aber auch nachdenklich und poetisch sein.

1940 fing Poulenc an, seine Sonate für Violoncello und Klavier zu schreiben, vollendete sie allerdings erst acht Jahre später, auf Anregungen von Pierre Fournier. Fournier war ein berühmter Cellist zur damaligen Zeit und bekannt für sein gesangliches Spiel. Er mochte Poulencs Musik und wollte unbedingt etwas von ihm aufführen. Da der Komponist Schwierigkeiten in der technischen Ausgestaltung des Celloparts hatte – ein Grund, warum er seine Sonate so lange liegen ließ – half ihm Fournier, sodass ein eindrucksvolles Werk entstand, in dem sich sowohl dessen einzigartige Spieltechnik als auch Poulencs Wesen wiederfindet: Zwei schnelle Ecksätze umrahmen ein romantisches Adagio und ein schwungvolles Scherzo. In ihnen begegnen sich jenes Munter-durch-die-Welt-gehen und Poulencs frecher Witz, klassisches Stilbewusstsein und romantisch-intime Empfindsamkeit. 

Charles-Antoine Duflot (Violoncello)

Charles-Antoine Duflot wurde 1986 in St. Quentin geboren, im Norden von Frankreich. Bereits mit sechs Jahren fing er an Cello zu spielen. Heute studiert er in der Solistenklasse an der Musikhochschule Lübeck. Er hat sich in den letzten Jahren zahlreiche Preise erspielt, u.a. den 1. Preis beim nationalen Wettbewerb "Ton & Erklärung", bei dem Musiker nicht nur musikalisch überzeugen müssen sondern auch sprechend: Sie bringen dem Publikum als Musikvermittler ihre Werke näher. Der Wettbewerb ist einer der wichtigsten Nachwuchspreise für junge Musiker. Als Solist spielte Duflot bereits mit verschiedenen Orchestern, wie der NDR Radiophilharmonie und gastierte als Kammermusiker u.a. beim Heidelberger Frühling. Duflot spielt ein Cello von Jean Baptiste Vuillaume aus dem Jahr 1865 und ein italienisches Barockcello aus dem 18. Jahrhundert. 

Martin Klett (Klavier)

Seitdem Martin Klett (geb. 1987) 2008 beim Internationalen Johannes-Brahms-Wettbewerb den ersten Preis gewonnen hat sowie mit seinem Duo Partner Sebastian Manz (Klarinette) den Preis des Deutschen Musikwettbewerbs, ist er sowohl als Solist als auch Kammermusiker ein gern gesehener Gast bei Musikfestivals in u.a. Schleswig-Holstein und auf internationalen Podien, viele CD-Aufnahmen und Live-Mitschnitte folgten. Mit sechs Jahren erhielt er seinen ersten Klavierunterricht und studierte wie Duflot an der Musikhochschule Lübeck. Neben Preisen und Auszeichnungen wurde Klett bereits mehrfach durch Stipendien des Deutschen Musikrats und der Deutschen Stiftung Musikleben (2014) als Solist gewürdigt.

Neben seiner Liebe zur klassischen Musik ist Klett mittlerweile auch ein gefragter Arrangeur und geht seiner Begeisterung für den Argentinischen Tango nach. 2008 gründete er das vierköpfige Cuarteto SolTango.

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Katharina Höhne