Glosse

Komponist Gordon Kampe: Regietheater hält in Schwung!

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Autor/in
Gordon Kampe

Wie oft wird geächzt und gestöhnt übers „Regietheater“. Über angeblich böse Regisseure, die mutwillig an unseren Opernklassikern kratzen, um sie für ihre Zwecke zuzurichten. Aber kann man das nicht auch mal entspannter sehen? Komponist und SWR2-Glossator Gordon Kampe betrachtet den Dauer-Aufreger aus seiner Sicht und meint: Regietheater ist Teamsport und hält in Schwung!

Auf YouTube gibt es das sehr unterhaltsame Gespräch zwischen Adolf Frisé, Theodor W. Adorno und Lotte Lenya. Etwa bei Minute 38 berichtet Lenya von einem Tag „of Teamarbeit“ mit Brecht, Weill und Co während der Entstehung der Dreigroschenoper.

Und sie erinnert sich: „Da saß Elisabeth Hauptmann, jahrelange Mitarbeiterin von Bert Brecht. Da war die Staffelei, wo Caspar Neher stand mit seinen Zeichnungen. Da saß Weill herum, ich war dabei, ein Mann namens Dudow. Ich habe nie herausgefunden wer er war. Er war einfach da, er war ein Russe. Und das fing so an, dass Brecht zunächst einmal rauchte und sich immer die Augen rieb und sagte: ‚Ja ... das Leben, nicht ...‘.“

Mein Lieblingssport: Beeinflusst werden

Soweit die Erinnerungen von Lotte Lenya. Und ich denke mir manchmal etwas melancholisch: So müssten wir eigentlich immer Theater machen. Und an manchen Orten passiert das ja so oder so ähnlich, nämlich als Teamsport.

Wann und wo immer ich kann, treffe ich, bevor ich für einige Zeit im Kämmerlein verschwinde und vor mich hin wurschtle, das Team, das dann gemeinsam unser Stück auf die Bühne wuchtet. Mein Lieblingssport dabei ist, beeinflusst zu werden.

Dann kommt halt noch eine schnieke U-Boot-Orgie dazu

Ich muss mich nicht alleine in der Partitur wiederfinden. Vielleicht gibt es dort schon Spuren vom Bühnenbild, Ideen von hier, von dort – vielleicht schon ein Regiekonzept, das ich bedenken kann. Und wenn ich weiß, dass das geplante U-Boot 15 Sekunden länger benötigt, bis es aus dem vollständig gefluteten Zuschauerraum auftaucht, dann kredenze ich noch eine schnieke U-Boot-Orgie!

Regie und Partitur sind also so was von gar kein Widerspruch, im Gegenteil! Wenn ich Theater mache, will ich nicht recht haben – ich will, dass es gut wird! Und wie schön, wenn jemand mit meiner Partitur noch ein paar ganz andere Ideen hat. Da kann, auch wenn’s kurz mal schmerzt, was raus, da kann was rein. Eigentlich wurde ja auch nie anders gearbeitet.

Hauptsache mit Schwung in die Erdbeeren

Wenn das U-Boot in einer zweiten Inszenierung ein rosa Schlumpf wird? Super! Die immer mal wieder kolportierte Frontstellung zwischen dem angeblich so bösen „Regietheater“ und der „heiligen“ Partitur ... Pff.

Ich kann und will nur Musik machen, ich werde niemals inszenieren und auch keinen Text schreiben. Und ich freue mich wie ein Schneekönig, wenn ich sehe, was daraus werden kann. Mir muss nicht einmal jedes Detail gefallen. Aber der Regie gefällt auch nicht jedes Detail an der Partitur. Macht nix, Hauptsache mit Schwung in die Erdbeeren.

Beim Musiktheater geht mir mehr die Düse

Musiktheater zu machen, ist natürlich immer auch ein Wagnis. Mir geht da jedenfalls mehr die Düse, als bei einem Maultrommel-Solostück um Mitternacht anlässlich einer Ponyhoferöffnung. Aber: diese „Düse“ will ich ja. Das „Regietheater“ hält meine Partituren jedenfalls schon während der Entstehung in Schwung.

Und natürlich kann man sich herrlich darüber aufregen, wenn man die eigene „Lieblingsoper“ plötzlich ganz anders sieht. Aber – verdammte Axt – ich gehe doch ins Theater, damit mein Blutdruck steigt! Also, liebes Regietheater in 150 Jahren, falls ihr in irgendeinem abgefackelten Archiv Noten von mir findet: macht damit, was Ihr wollt!

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