Donaueschinger Musiktage 2012 | Werkbeschreibung

Werke des Jahres 2012: "Selbsthenker II – durch die Wand in das Gehirn"

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Musik als Mysterium

Zentraler Aspekt meines Oeuvres ist die Verwendung von Klangmaterialien, die der Umgebung abgelauscht werden und in diesem Sinne dem Jetzt verpflichtet sind. Dementsprechend besteht in meinen Werken keine Differenz zwischen Musik und Geräusch, zwischen tonal und atonal. Alles ist Klang der Gegenwart und hat als Teil der Komposition Bestand. Eine zeitgenössische Musik, die sich unmittelbar äußert und assoziativ sowie emotional wirkungsvoll ist.

Meine frühen elektronischen Werke gleichen poetischen Versuchsanordnungen. Das vom Komponisten entwickelte Computerprogramm ist sowohl die Keimzelle der Komposition als auch deren Begrenzung. Daten und Sounds werden eingespeist und aus ihrer immanenten Gestalt entwickeln sich Tausende von Stücken, die sich jedoch dem Gravitationsfeld ihres Ursprungs nie entziehen können.

Diesen in gewissem Sinne "klassischen" Kompositionsansatz habe ich seit einigen Jahren hinter mir gelassen und verfahre in meinen jetzigen Stücken nach einem Prinzip der Abschälung, in dem das Werk gewissermaßen herausgebrochen wird aus einer Überfülle von Material. Die Komposition entsteht, indem Schichten von unzähligen Klangsplittern übereinander gestapelt werden. Aus diesem extrem verdichteten Klangteppich kristallisiere ich nach und nach das eigentliche Werk heraus. Aus dem Bewusstsein heraus, dem blinden Glauben an den Rationalismus einen Gegenpol bieten zu müssen, verweigere ich mich einer bewussten Strukturlegung im Vorfeld der Komposition. Vielmehr wird das Werk der von den Klangsplittern selbst evozierten Struktur abgelauscht, entsteht in meinem andauernden Hörprozess, der sich damit dem Material bewusst ausliefert. Es entsteht eine Musik, bei der ich als kompositorisches Entscheidungs- und Strukturkriterium mich nur der eigenen Wahrnehmung bedienen kann. Eine Musik, die sich Prinzipien des Dilettantismus öffnet und eine konzeptionelle Überstrukturierung zurückdrängt.

"Selbsthenker II – durch die Wand in das Gehirn"

Da ich denke, dass über Musik zu schreiben die Musik selbst zerstört, weil Musik über die Begrenztheit der Sprache hinausgeht und das Wort das Hören in eine Richtung drängt, die banal ist, werde ich nur einige Ideen, die in meinem Kopf herumschwirrten, in Stichpunkten aufführen: Soundmasse, Reduktion, Binnenkomplexität des Klangs, Einfachheit, Körperlichkeit,
Richtung, Wand aus Sound, Sinus – Geräusch, Puls, Erlösung, Ruhe.

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Autor/in
SWR