Album-Tipp

Asmik Grigorian singt Strauss' „Vier letzte Lieder“: Irre Klangfarben

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AUTOR/IN
Christine Lemke-Matwey
Christine Lemke-Matwey (Foto: Pressestelle, Martin Schoberer)

Seine „Vier letzten Lieder“ komponierte Richard Strauss 1948, im selbst gewählten Schweizer Exil. Spätzeitmusik ist das, autobiografische Endzeitmusik. Die litauische Sopranistin Asmik Grigorian, eine der führenden Strauss-Interpretinnen der Gegenwart, hat diese Lieder jetzt aufgenommen – und zwar zweimal, einmal in der Klavier- und einmal in der Orchesterfassung. „4+4 = Laws of Solitude“ nennt sie ihr neues Album, Gesetze der Einsamkeit.

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Das ist die Idee des Albums: beide legitimen Fassungen von Richard Strauss' „Vier letzten Lieder“ zu präsentieren – einmal mit Markus Hinterhäuser am Flügel, einmal mit dem Orchèstre Philharmonique de Radio France unter Mikko Frank. Ist das eine gute Idee? 

Richard Strauss denkt fürs Orchester

Definitiv: ja. Weil der Vergleich zeigt, wie sehr Strauss fürs Orchester denkt. Diese Polyphonie, diese innere Bewegtheit! Das schafft das Klavier nicht. Das Interessante, geradezu Fatale an dieser Aufnahme aber ist, dass der Pianist Hinterhäuser so viel mehr von Strauss zu verstehen scheint als der Dirigent Mikko Frank. 

Das Interessante, geradezu Fatale an dieser Aufnahme aber ist, dass der Pianist Hinterhäuser so viel mehr von Strauss zu verstehen scheint als der Dirigent Mikko Frank. 

Irre Klangfarben, schlechte Textverständlichkeit

Asmik Grigorian hat irre Farben. Sie mischt, dunkelt ab, hellt auf, folgt intuitiv den kleinsten harmonischen Rückungen. Das Problem ist nur: Ich verstehe kein einziges Wort, weder mit Klavier noch mit Orchester. Wer die Hesse- und Eichendorff-Texte der Lieder nicht kennt, ist verloren.

Der Strauss-Klang von Mikko Franck und dem Orchèstre Philharmonique de Radio France bleibt leider recht allgemein. Es klingt schön, hat aber so gar keine Raffinesse, nichts Subversives oder Gebrochenes. 

Ergreifend radikale interpretatorische Lösungen

Asmik Grigorian hat eine Strauss-Stimme, keine Frage. Sie ist eine tolle Salome – aber eben keine Marschallin, keine Arabella oder „Capriccio“-Gräfin. Fürs Liedersingen ist das nicht ideal, im Grunde ist die Stimme zu schwer.

Mit einem klugen Kopf und sensitiven Pianisten wie Markus Hinterhäuser an der Seite aber findet sie ergreifend radikale interpretatorische Lösungen, wie im letzten Lied.

Porträt Die Sopranistin Asmik Grigorian

Die litauische Sopranistin Asmik Grigorian verzaubert derzeit alle mit ihrer magischen Stimme und ihrer intensiven darstellerischen Präsenz. Symbiotisch verbinden sich bei ihr Gesang und Szene, elektrisiert sie als Salome in Salzburg, als Butterfly in Wien, als Marietta an der Mailänder Scala - ihr Debüt an der Met steht kurz bevor.

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