Klingonisch, Dothraki, Quenya und Sindarin: Für Literatur, Film und Computerspiele sind zahlreiche Sprachen entstanden, in denen sich Außerirdische, Kriegsvölker, Elben, Zwerge und Drachen verständigen.
Neben den fiktionalen Sprachen gibt es etliche Versuche, eine gemeinsame Sprache für Alle zu entwickeln. Rund 500 verschiedene solcher Plansprachenprojekte verzeichnet die Österreichische Nationalbibliothek, wobei Esperanto und Volapük zu den erfolgreichsten Unternehmungen gehören. Wir stellen einige Kunstsprachen hier vor:
- Klingonisch – Kehlig, kratzig und sehr direkt
- Quenya, Sindarin und mehr – Die bunte Sprachenwelt von Mittelerde
- Volapük – Die internationale Sprachrevolution vom Bodensee
- Esperanto – Der Traum von einer Sprache der Völkerverständigung
- Rätselhaft bis heute – Die Lingua Ignota der Hildegard von Bingen
- Rotwelsch – Die Sprache der Räuber, Bettler, Dirnen und Vagabunden
Klingonisch – Kehlig, kratzig und sehr direkt
Die Klingonen sind ein gefürchteter Gegner im weiten Star Trek-Universum. Das Kriegervolk vom Planeten Kronos im Beta-Quadranten ist in einem traditionellen Feudalsystem organisiert, es gibt mehrere miteinander konkurrierende Häuser, die das klingonische Reich in einen Bürgerkrieg zu stürzen drohen.
Für Stolz und Ehre sind die Klingonen jederzeit bereit ihr Leben zu lassen. Eine Einstellung, die gern alle diplomatischen Vorreden überspringen lässt, um gleich zur Sache zu kommen. Entsprechend kurz und direkt ist die klingonische Sprache. Zur Begrüßung hält sich der Klingone nicht mit einem freundlichen „Hallo“, auf, sondern fragt gleich genau nach: „nugneH“, also „Was willst Du?“.
Star Trek – das offizielle Wörterbuch
1979 kamen mit „Star Trek – Der Film“ die Klingonen zum ersten Mal ins Kino. Schauspieler James Doohan gab den furchterregenden Kriegern seine eigenen Phantasieworte mit in die Schlacht. Erst mit dem Erfolg und der Fortsetzung der Geschichte wurde ein professioneller Linguist beauftragt, eine eigene Sprache mit Grammatik zu entwickeln.
Der Sprachwissenschaftler Mark Okrand, der für Paramount Pictures bereits einige vulkanische Dialoge entworfen hatte, schrieb daraufhin gleich ein ganzes klingonisches Wörterbuch, das 1985 veröffentlicht wurde.
Was anfangs als Werbe-Gag gedacht war, entpuppte sich jedoch als umfassendes Einführungswerk mit Grammatik und Vokabellisten. In vier Sprachen übersetzt, zählt das Buch bis heute zum Standardwerk für alle, die Klingonisch lernen möchten.
Auch auf der Erde spricht man Klingonisch
Die kehlig, gurgelnden Laute der Kronos-Krieger sind längst nicht nur auf der Kino-Leinwand zu hören. Klingonisch lernen geht inzwischen sogar mit Duolingo über eine App.
Wer den direkten Austausch sucht, kann am Deutschen Klingonisch-Institut an Saarbrücken einen Sprachkurs besuchen oder sich einem Verein mit Gleichgesinnten anschließen. Für diesen Fall sollte man unbedingt einen Trinkspruch parat haben: „IwlIj jachjaj!“ – „Möge dein Blut brennen!“
Quenya, Sindarin und mehr – Die bunte Sprachenwelt von Mittelerde
Als fremder Reisender muss man es in Mittelerde schwer mit der Verständigung gehabt haben. Autor J.R.R. Tolkien kreierte für sein „Herr der Ringe“-Universum mehr als ein Dutzend unterschiedlicher Sprachen für Menschen, Zwerge, Orks und Ents. Die Elben stattete er gleich mit mehreren Sprachlinien und Dialekten aus. Den Fieslingen von Mordor verpasste er eine extra dunkle, eine schwarze Sprache.
Denn der Oxford-Professor war in erster Linie ein leidenschaftlicher Sprachwissenschaftler, der Alt-Isländisch, Gotisch, aber auch Finnisch und noch etliche andere Sprachen intensiv studiert hatte. Davon inspiriert, entwickelte er mit Quenya und Sindarin die bekanntesten Elbensprachen, die über komplexe Strukturen und Wörter, auch über ein eigenes Alphabet verfügen.
Doch ausgerechnet die Hobbits behandelte J.R.R. Tolkien sprachlich gesehen etwas stiefmütterlich. Das Hobbitisch, das zur Zeit des Ringkriegs im Auenland gesprochen wurde, soll nach Auskunft des Autors eine archaische Form des Rohirrischen gewesen sein.
Volapük – Die internationale Sprachrevolution vom Bodensee
Es war eine der ersten künstlich konstruierten Sprachen, eine sogenannte Plansprache, die wirklich Erfolg hatte und von einer beachtlichen Zahl von Menschen gesprochen wurde. So gab es ein Volapük-Magazin, eine Volapük-Hymne, einen Zeppelin mit der Aufschrift Volapük, sogar einen Volapük-Sekt.
Angestoßen wurde diese Revolution durch einen Geistlichen aus dem kleinen Dorf Litzelstetten bei Konstanz. Pfarrer Johann Martin Schleyer, ein Urgroßonkel des späteren Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer, hatte sich schon länger mit einer Reform der Rechtschreibung beschäftigt.
In einer schlaflosen Nacht entstanden
Dass er dann tatsächlich eine neue Sprache entwickeln sollte, hing mit der Globalisierung des 19. Jahrhunderts zusammen. Eisenbahn und Dampfer verbanden die Menschen nun auch über weite Strecken hinweg miteinander. Bekannte und Verwandte aus Litzelstetten wanderten nach Amerika aus. Und obwohl mit dem 1874 gegründeten Weltpostverein inzwischen auch Korrespondenzen um die ganze Welt gingen, herrschte auf den Briefumschlägen verwirrendes Sprachchaos.
Als er in einer dunklen Nacht über die „Jämmerlichkeiten“ seiner Zeit nachdachte, sei ihm in „rätselhafter, geheimnisvoller Weise“ eine Eingebung gekommen, berichtet Johann Martin Schleyer in seinen Erinnerungen. Und damit war die neue Weltsprache geboren – eine Worldspeek, die jetzt Volapük genannt wurde.
Tausend diplomierte Lehrer, 300 Vereine
Einfach sollte die neue Weltsprache sein, die sich am Latein und am Deutschen orientierte. Der Pfarrer aus Litzelstetten legte Wert auf eine klar konstruierte Grammatik, die keine Ausnahmen zulassen sollte. Nach einer ersten Veröffentlichung im Gemeindeblatt trat Volapük einen bis dato beispiellosen Erfolgszug um die Welt an: es wurde in China, Russland und Brasilien gesprochen, in Frankreich und England.
Der Grund für diesen Erfolg liegt in einer cleveren Vermarktungsstrategie seines Erfinders. Schon zuvor waren Ideen zu einer internationalen gemeinsamen Sprache entwickelt worden, die allerdings unbekannt blieben und in Büchern vor sich hinschlummerten. Johann Martin Schleyer gründete eine Bewegung: In den Salons der feinen Gesellschaft wurde Volapük gesprochen. Diplomierte Lehrer und 300 Volapük-Vereine sorgten für eine rasche Verbreitung.
Pokamon gibt es am Dödel
Als Weltsprache hat sich Volapük am Ende doch nicht durchgesetzt. Die Ursachen dafür sind vielfältig: Es gab Streitereien unter einzelnen Volapükisten. Erfinder Schleyer tat sich schwer, Änderungen und Weiterentwicklungen seiner Sprache zuzulassen. Vor allem aber zeigte sich, dass Volapük keinesfalls eine leicht zu erlernende Sprache war.
Die komplizierten Endungen, die große Zahl an Vor- und Nachsilben führten zu Verwirrung und Unverständlichkeit. Zuletzt hat sich Büchnerpreisträger Clemens Setz einen Sommer lang mit dem Erlernen von Volapük herumgeschlagen.
Die „verworttakelten Wörter“ hatten es ihm angetan, besonders die Wochentage: Mundel-Montag, Tusdel – Dienstag, Vesdel – Mittwoch, Dödel – Donnerstag, Flidel – Freitag, Zädel – Samstag und Soldel – Sonntag. Kuriose Wortschönheiten wie auch das volapüksche Wort für Taschengeld: „pokamon“.
Esperanto – Der Traum von einer Sprache der Völkerverständigung
Mit dem Erlenen von Volapük hat auch der polnische Arzt Ludwik Lejzer Zamenhof begonnen, bevor er eine eigene Plansprache entwickeln sollte. 1859 wurde er in Białystok geboren, wo Juden, Polen, Russen, Tartaren, Weißrussen, Litauer und Deutsche lebten und mehr oder weniger schlecht miteinander auskommen mussten.
Immer wieder kam es zu grausamen Pogromen an der jüdischen Bevölkerung. So begann Zamenhof von einer „glücklichen Zeit zu träumen, in der der nationale Hass verschwindet und es nur eine Sprache und ein Land gibt“, in dem sich die Menschen verstehen und mögen würden.
Zwei Weltkriege überlebt
Jahrelang feilte der Arzt und Hobby-Linguist an seiner neuen Sprache, die er 1887 unter dem Pseudonym Dr. Esperanto (Dr. Hoffnungsvoll) veröffentlicht hat. Ein lateinisch klingender Wortschatz, eine einfache Grammatik und Ähnlichkeiten mit dem Russischen, Englischen, Deutschen und Polnischen machten das Erlernen offensichtlich so attraktiv, dass schnell erste Vereine und neue Veröffentlichungen entstanden.
Das winzige, gerade mal gut drei Quadratkilometer große Fürstentum Neutral-Moresnet zwischen Deutschland und Belgien erklärte Esperanto sogar zur offiziellen Landessprache. Doch mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs hatte sich die Hoffnung auf eine gemeinsame, friedensstiftende Sprache zunächst erst einmal zerschlagen.
Hitler erklärte Esperanto zu einem Werkzeug, mit dem die Juden die Weltherrschaft zu erobern suchten. Heute wird die Sprache wieder von rund zwei Millionen Menschen weltweit gesprochen und etwa tausend von ihnen betrachten Esperanto als ihre Muttersprache.
Anders als Esperanto oder Volapük, die der Verständigung möglichst vieler Menschen dienen sollten, gibt es Geheimsprachen, die extra dafür erschaffen wurden, nicht verstanden zu werden.
Rätselhaft bis heute – Die Lingua Ignota der Hildegard von Bingen
Die Handschrift aus dem späten 12.Jahrhundert ist in jeder Hinsicht beeindruckend: Der Rupertsberger Riesenkodex wiegt 15 Kilo, umfasst 481 Pergamentblätter und wurde mit einer Kette gesichert. Darin enthalten sind die Werke Hildegards von Bingen, die noch zu Lebzeiten der berühmten Benediktinerin angefertigt wurden.
Neben Briefen, Lebensbeschreibungen, religiösen und wissenschaftlichen Abhandlungen weist der Kodex eine Liste mit gut 1000 Wörtern auf: ein Verzeichnis mit dem Titel „Ignota lingua per simplicem hominem Hildegardem prolata“ („Eine unbekannte Sprache, von dem einfältigen Menschen Hildegard vorgelegt“).
Die Fantasiewörter sind in einem von der Äbtissin selbst konstruiertem Alphabet aus 23 Buchstaben verfasst und haben mit Gott, den Menschen, der Natur, mit alltäglichen Dingen zu tun. Ihre Bedeutung erschließt sich durch lateinische und deutsche Äquivalente, die Hildegard von Bingen ihrer Wortliste beigefügt hat.
Welchen Zweck die Lingua Ignota erfüllt hat, ist bis heute ungeklärt. Möglicherweise war es eine Geheimschrift, um die Kommunikation der Frauen im Kloster zu schützen. Vielleicht diente sie aber nur der Unterhaltung oder zur intellektuellen Erbauung der mittelalterlichen Gelehrten.
Karl Corino: Fahrschüler, läutselig
Rotwelsch – Die geheime, vergessene Sprache der Räuber, Bettler, Dirnen und Vagabunden
Wer ständig auf der Straße lebt, sich mit kleineren und größeren Raubzügen über Wasser halten muss und ständig damit rechnet, von der Polizei aufgegriffen zu werden und am Galgen zu landen, der muss auf der Hut sein. Um sich vor Verrat zu schützen und damit niemand ihre Pläne mithören konnte, bedienten sich die Räuber damals einer Geheimsprache.
Das Rotwelsch, das nicht nur von Ganoven, sondern auch von Landstreichern und Bettlern, von Dirnen und vom fahrenden Volk gesprochen wurde, ist eine bunte Mischung aus vielen Sprachen. Es enthält Elemente des Jiddischen, der deutschen, tschechischen, italienischen Sprache und der Sprache der Roma.
Wie sich die Gaunersprache im 18. Jahrhundert angehört hat, hat der Kulturwissenschaftler Uli Rothfuss so recherchiert:
Voller Poesie und immer in Bewegung
Das „Rotwelsch“ taucht bereits in einem liturgischen Buch aus dem 13. Jahrhundert auf und bezeichnet geheime arglistige Wörter, so der Wiener Kulturanthropologe Roland Girtler. Die Bedeutung von „Rotwelsch“ hat viele Facetten. Rot steht für Blut und Rebellion, verwandt ist es mit dem Wort „Rotte“, das die Brüder Grimm mit einer Bande von wilden, armen verbrecherischen Menschen übersetzten.
Im „Rotbuß“, der Bettlerherberge, traf sich das „Rottige“, das in den Augen der ehrbaren Bürger schmutzige Volk, weiß Roland Girtler und beschreibt den „Welschen“ als jemand Fremden, der eine Sprache spricht, die man nicht versteht. „Rotwelsch“ bedeute so viel wie „falsche“ oder „betrügerische“ Sprache, die im Mittelalter auf den Straßen ganz Europas zu finden war.
Eine bunte, lebendige Sprache, die von entlaufenen Soldaten, Studenten, Spielleuten und Gauklern jeweils auf ihre eigene besondere Weise ergänzt wurde. Eine Sprache auch, die lautmalerisch, bildstark und poetisch sein konnte, die aus Schuhen „Trittlinge“ machte oder Handschellen als „Schmuck“ bezeichnete.
Nicht nur eine Sprache, sondern eine ganze Kultur
Für die Sprache der Fahrenden findet sich neben dem Rotwelsch auch das „Jenisch“. Die Jenischen sind eine eigenständige, ethnische Minderheit mit eigener Tradition und Kultur, die in Deutschland, aber auch in ganz Europa unterwegs waren. Außer „Rotwelsch“ und „Jenisch“ gibt es noch eine ganze Reihe Bezeichnungen, die viel über die diese Sprache sprechenden Menschen verraten.
In Roland Girtlers Abhandlung „Rotwelsch“ findet sich die „Schleifersprache“, die sich auf die wandernden Scherenschleifer bezieht, die „Stromersprache“ der Vagabunden, die „Kundensprache“ der Landstreicher, die Kochemersprache (jiddisch „chochom“, klug), außerdem die Hausierersprache und das Spitzbubenlatein. Es ist auf jeden Fall eine Sprache, hinter der sich ein eigenes, magisches Universum eröffnet