Der leere Bundestag in Berlin

Bundestag soll wieder kleiner werden

Geplante Wahlrechtsreform auch in Rheinland-Pfalz umstritten

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Dirk Rodenkirch
Dirk Rodenkirch

Der XXL-Bundestag soll wieder auf seine Ursprungsgröße zurückgefahren werden. Aber auch in Rheinland-Pfalz ist der Weg dorthin - also die geplante Wahlrechtsreform - umstritten.

Immer mehr Stühle mussten in den zurückliegenden Jahren in den Plenarsaal im Berliner Reichstag gebaut werden, weil der Bundestag seit 2002 ständig mehr Mitglieder bekommen hat. Der Reformvorschlag der Ampel-Koalition in Berlin zielt nun darauf ab, die Zahl der Abgeordneten im Parlament von aktuell 736 auf 598 zu begrenzen - das ist die im Bundeswahlgesetz vorgesehene Regelgröße.

Dafür sollen Überhang- und Ausgleichsmandate abgeschafft werden. Das kann beispielsweise dazu führen, dass ein Politiker, der seinen Wahlkreis gewinnt, dennoch nicht in den Bundestag einzieht. Vor allem von der Union gibt es erheblichen Widerstand gegen den Gesetzentwurf von SPD, Grünen und FDP, weil CDU und CSU bisher besonders von Überhangmandaten profitiert haben.

Mehr Befürworter als Gegner der Reformpläne in RLP

In Rheinland-Pfalz zeichnet sich ab, dass die Mehrheit der Parteien im Landtag für die angestrebte Reform ist. Wenig überraschend ist dabei, dass die Landes-Ampel die Pläne der Bundes-Ampel unterstützt. Von der SPD in Rheinland-Pfalz heißt es, die geplante Wahlrechtsreform sei richtig und geboten, um den Bundestag zu verkleinern und die Arbeitsfähigkeit des Parlaments zu wahren. "Und sie ist fair, weil die Zusammensetzung des Bundestages exakt das Wahlergebnis widerspiegeln soll", erklärte SPD-Landeschef Roger Lewentz auf SWR-Anfrage.

Denn laut Reformvorschlag ziehen Wahlkreisgewinner künftig nur in den Bundestag ein, wenn ihre Partei dafür eine ausreichende Zahl an Zweitstimmen holt. Gewinnen beispielsweise 20 Kandidaten oder Kandidatinnen ihren Wahlkreis, ihre Partei aber nur die Stimmen für 15 Wahlkreise, dann bleiben die fünf mit dem schlechtesten Erststimmenergebnis in einem Bundesland draußen.

Dass auch die rheinland-pfälzische SPD damit möglicherweise künftig weniger Abgeordnete in den Bundestag entsenden kann, gehört für Lewentz dazu: "Es ist doch vollkommen klar und fair, dass alle Parteien Mandate abgeben müssten, wenn man den Bundestag verkleinern will." Die SPD Rheinland-Pfalz werde aber dafür kämpfen, um auch im kommenden Bundestag erneut eine starke und große Landesgruppe zu stellen, so Lewentz.

Grüne in RLP: Wahlsystem wird einfacher und verständlicher

Auch von den Parteivorsitzenden der rheinland-pfälzischen Grünen gibt es ein "Daumen hoch" für die angestrebten Änderungen. "Aus unserer Sicht ist eine Wahlrechtsreform überfällig", erklärten Natalie Cramme-Hill und Paul Bunjes auf Anfrage des SWR. Die Abschaffung von Überhang- und Ausgleichsmandaten schließe endgültig aus, dass der Deutsche Bundestag weiter und unvorhersehbar anwachse. Der vorgelegte Gesetzentwurf bevorteile keine Partei, sondern setze der Willen der Wählerinnen und Wähler gleichberechtigt in Sitze um.

Cramme-Hill und Bunjes gehen auch davon aus, dass das Wahlsystem damit einfacher und verständlicher wird. Dass die "Zweitstimme künftig Hauptstimme" und die "Erststimme künftig Wahlkreisstimme" heißen soll, verdeutliche die Wichtigkeit der Hauptstimme für die Fraktionsstärke im Bundestag.

Wissing: "Unser Ziel ist es, dass der Bundestag kleiner wird"

Die rheinland-pfälzische FDP steht voll hinter den Plänen der Berliner Ampel. "Unser Ziel ist, dass der Bundestag kleiner wird", teilte der Landesvorsitzende der Liberalen Volker Wissing dem SWR mit. Die Wahlrechtsreform werde ein Erfolg, wenn sie im Parlament breit getragen werde und allen Parteien proportional etwas abverlange, so Wissing, der als Bundesverkehrsminister Teil der Bundesregierung ist. Der Entwurf der Regierungsfraktionen seine eine gute Grundlage.

AfD reklamiert Reformpläne für sich

Ohne jegliche Vorbehalte stellt sich auch die AfD Rheinland-Pfalz hinter den Reformvorschlag, weil sie diesen für ihre Partei reklamiert. Das gelte auch für die Bundestagsfraktion: "Selbstverständlich wird die Bundestagsfraktion den Vorschlag unterstützen, der nahezu identisch so von ihr vor zwei Jahren eingebracht worden ist", heißt es von der Landespartei.

Diese rechnet demnach damit, dass die AfD bei der nächsten Bundestagswahl mindestens auf dem Niveau der aktuellen Umfragen abschneiden wird und sie gibt sich zuversichtlich, auch unabhängig von der Wahlrechtsreform weiterhin vier oder mehr AfD-Bundestagsabgeordnete aus Rheinland-Pfalz nach Berlin entsenden zu können.

CDU RLP setzt auf Vorschlag der Unions-Fraktion

Ja, der Bundestag muss deutlich kleiner werden, findet auch die CDU Rheinland-Pfalz. Aus ihrer Sicht geht der Vorschlag der Berliner Ampel-Regierung aber in eine falsche Richtung: "Denn wer einen Wahlkreis gewinnt, muss in den Bundestag einziehen!" Die Stimme des Bürgers für den Wahlkreiskandidaten dürfe ihren Wert nicht verlieren, so die Landes-CDU.

Sie teilt mit, dass sie den Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion unterstützt, der unter anderem vorsieht, die Anzahl der Wahlkreise von derzeit 299 auf 270 zu verringern und künftig bis zu 15 Überhangmandate nicht auszugleichen.

Freie Wähler in RLP: Wertigkeit des Direktmandats erhalten

Die Freien Wähler in Rheinland-Pfalz haben ebenfalls Vorbehalte gegen die Pläne der Ampel-Koalition in Berlin. Zwar sind sie dafür, die Zahl der Abgeordneten auf die Größe von 598 zurückzuführen. Sie fordern aber, dass die Wertigkeit des Direktmandates nicht angetastet werden dürfe: "Wer in seinem regionalen Umfeld als Vertreter der Bevölkerung gewählt wird, muss auch diese Vertretung im Bundestag wahrnehmen können." Die Freien Wähler regen an, die Direktmandate zu reduzieren, indem Direktwahlkreise vergrößert werden. Sie kritisieren zudem, dass bisher die großen Parteien nicht gewillt waren, auf Vorteile des Wahlrechts zu verzichten, weil sie von Überhang- und Ausgleichsmandaten profitierten.

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