Eine Kuh liegt auf einer Weide und guckt in die Kamera (Foto: SWR)

Bolzenschuss oder Kugelschuss?

Rinderzucht: Der Streit ums tiergerechte Sterben

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Eine Landwirtin aus dem Rhein-Lahn-Kreis will, dass ihre Kühe sterben ohne zu leiden. Die Kreisverwaltung will das auch. Uneinigkeit gibt es darüber, wie das erreicht werden kann.

Die 29 Kühe von Nura Follmann sind wetterfest. "Sie sind das ganze Jahr lang draußen", erzählt die Landwirtin vom Birkenhof. Mastfutter bekämen sie nicht. Zur Zeit trotzt die Herde dem Oktoberregen im Rhein-Lahn-Kreis. Es sind Wagyu-Rinder. Die Edelrassen haben ihren Ursprung in Japan. Ihr Fleisch ist besonders zart und besonders teuer.

Rinder sollen vor Tod keine Panik haben

Auch Follmann verdient Geld mit der Rinderzucht. Momentan steht sie aber vor einem großen Problem, erzählt sie im Interview mit dem SWR-Politikmagazin "Zur Sache Rheinland-Pfalz". Die Landwirtin möchte, dass die Tiere vor ihrem Tod keine Panik erleben. Und das kann ihrer Meinung nach nur durch einen Kugelschuss auf der Weide funktionieren. Heißt: Das Tier wird aus der Nähe während des Grasens mit einem Gewehrschuss betäubt und getötet.

Der Vorteil liegt für Follmann auf der Hand: Das Tier bleibt bis zuletzt in seiner gewohnten Umgebung und gerät auch nicht in eine Stresssituation.

Kreisverwaltung will den Bolzenschuss

Die Kreisverwaltung des Rhein-Lahn-Kreises macht ihr allerdings seit neuestem einen Strich durch die Rechnung. Weidetötung ja, aber Kugelschuss: Das geht nicht mehr. Die Tiere sollen per Bolzenschussgerät in einem Behandlungsstand getötet werden. Bei einem Kugelschuss bestehe die Gefahr, dass das Tier erheblich leide.

"Daher stellt die Anwendung des Kugelschusses und dessen Genehmigung im Gegensatz zum Bolzenschuss weiterhin eine Ausnahme dar und ist im jeweiligen Einzelfall zu bewerten", heißt es in einem Schreiben der Kreisverwaltung.

Kühe müssen in Stand fixiert werden

Follmann ist darüber erschüttert: "Wir stecken unser gesamtes Herzblut hier rein, um eine artgerechte Tierhaltung zu ermöglichen und eine stressfreie und artgerechte Tötung des Tieres. Und wir bekommen nur Steine in den Weg gelegt."

Sie zeigt den umgitterten Stand, in dem die Tiere für den Bolzenschuss fixiert werden müssten. Für Follmann nicht nur unpraktikabel, sondern auch die eigentliche Zumutung für die Tiere: "Das ist immer mit maximalem Stress verbunden."

Zudem zeigen Fälle von Schlachthöfen, beispielsweise aus Baden-Württemberg und der Pfalz, dass beim Bolzenschussverfahren Rinder manchmal nicht ausreichend betäubt werden.

Vorteil: Keine Trennung von der Herde

Der Kugelschuss auf der Weide sei deshalb die bei weitem tierfreundlichste Variante, findet auch Christoph Wiegel. Er ist Metzger und Schütze und hat schon häufig den Kugelschuss bei Rindern ausgeführt. "Die haben überhaupt nichts Negatives erlebt", so Wiegel. "Manipulation von Menschen, Trennung von der Herde gibt's da nicht."

Eine Umfrage von "Zur Sache Rheinland-Pfalz" in anderen Landkreisen hat ergeben, dass dort Kugelschüsse auf der Weide genehmigt werden. Die Verwaltung des Rhein-Lahn-Kreises wollte sich zunächst nicht weiter äußern, da der Fall noch bearbeitet werde.

Das Umweltministerium des Landes verwies auf SWR-Anfrage ebenfalls auf die Zuständigkeit der Veterinärbehörden der Landkreise und deren Entscheidungsgewalt.

Für Landwirtin Nura Follmann wenig hilfreich. Sollte der Rhein-Lahn-Kreis ihr weiterhin den Kugelschuss verbieten, wird sie ihre Wagyu-Rinderzucht aufgeben, hat sie angekündigt.

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